Polly Adlers Chaos de Luxe: Influencer-Granny
Hilfe“, flüsterte K, „ich werde sie einliefern müssen.“– „Wen?“ – „Meine Mutter. Sie ist ein solches Instagram-Opfer, postet im Minutentakt.“ – „Aber sind wir das nicht alle, irgendwie?“ – „Ahnungslose! Schau, das ist doch pathologisch.“ Sie klappte ihr iPad auf und zeigte mir die Bilder einer zweifelsfrei gut erhaltenen Endsechzigerin, die im Badeanzug nach Art von 20-Minus-Models aus dem bulgarischen Raum posierte: Mund einen Haselnuß-breiten Spalt geöffnet, grimmiger Blick und (wirklich Hilfe!) auf allen Vieren vornübergebeugt, ihren Tuches Bereitschaft signalisierend in die Höhe gereckt, all diese Offenherzigkeiten eben nicht naturgemäß mit einer tollpatschigen Photoshop-App bearbeitet. Zwischen diesen Penthouse-für-Arme-Pics waren auf ihrem Insta-Account noch die üblichen Spaß-im-Schnee-Sujets, mit wehenden Extensions und grünen Drinks am Strand, Geschnäbel mit dem etwas jüngeren Stiefvater vor Champagnerbuden. Die Hashtags hatten es auch in sich, unter jedem Foto zirka 25, Marke #soblessed, #besthubbyintheworld, #lifeisbeautiful. „Und als ob das nicht alles schlimm genug ist, sie will jetzt eine Influencer-Karriere für Konsumprodukte der Generation silver surfers beginnen. Gegen meine Mutti altert Madonna in Würde.“ Da hatte ich Glück: Meine Mutter hatte gerade erst Emoticons entdeckt und beschränkte sich beim Posten auf attraktive Pflanzen. Das Paris-Hilton-Syndrom hatte nach 20 Jahren die Menschheit flächendeckend erfasst. Als ich meinen Gesichtsbuch-Account aufklappte, wurde ich darauf aufmerksam gemacht, dass Pepi Pospischil jetzt gleich live on air gehen würde, um Grilltipps abzusondern, und Mechthild Kalchmair, Berufsbezeichnung „collector of happy moments“, möchte, dass ich ihre Fanpage mit einem Gefällt-mir-Däumchen bedenke. Der nächste Trend wird die volle Greta-Garbo-Nummer sein: totaler Rückzug mit Falten. Ich werde ihn sowas von mitmachen.
„Amourhatscher“: 8. März, Stadttheater Wiener Neustadt, Herzog Leopold-Str. 17, 19.30 Uhr.
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