Warum die neue Mode nicht besser in die Coronazeit passen könnte
Man könnte fast meinen, die Designer haben geahnt, dass sich unser aller Lebensmittelpunkt dieses Frühjahr in die eigenen vier Wände verlagern würde. Vor vielen Monaten, als die aktuellen Kollektionen gerade erst gedanklich im Entstehen waren, war es ausgerechnet das Biedermeier, für das sich die internationalen Modehäuser als eine der wichtigsten Inspirationsquellen entschieden. Es ist die private Atmosphäre des eigenen Zuhauses, die sich in den neuen Kleidern widerspiegelt.
Statt mit tiefen Ausschnitten kommen Kleider jetzt mit hohen Krägen und ausgestellten Röcken daher. Lange Ärmel oder weich fallende Cardigans bedecken die Arme. Das Konservative reizte die Modemacher, deren Neu-Interpretation ist jedoch keineswegs eine langweilige.
Feinste Spitze, gekreppte Seide sowie Rüschen und das eine oder andere Cut-out sorgen für das gewisse Etwas. Akzente werden mit Schmuck und Accessoires gesetzt: Kunstvolle Broschen zieren Oberteile, an den Ohren hängen Perlen und die Haare werden mit Schleifen aus dünnem Seidenband zusammengebunden.
Modischer Neuanfang
Unter der Leitung von Tina Konsel entstand diese Modestrecke kurz vor dem Lockdown. Mit dem Shooting wollte die Wienerin den Rückzug ins eigene Heim darstellen, ohne zu diesem Zeitpunkt ahnen zu können, welchen Stellenwert dieser kurze Zeit später einnehmen würde. Jetzt, da ein kleiner Schritt zurück in die Normalität geschafft ist, symbolisieren die Aufnahmen vor allem eines: Hoffnung.
Denn es sind nicht die knalligen Farben, die die stärkste Aussagekraft in der Modewelt haben. Sondern der weiße Stoff, den die Designer heuer zu ihren Stücken im Neo-Biedermeier-Stil verarbeiteten. Weiß steht seit jeher für den Anfang, das Neue und das Gute. Im Gegensatz zu Schwarz, der völligen Abwesenheit von Farbe, ist Weiß die Summe aller Farben.
Eine weitere Analogie zu vergangenen Zeiten sieht Mode-Expertin Tina Konsel in den schönen Künsten: „Kultur und Kunst sind gerade in schwierigen Phasen wichtig für die Menschen. In der Biedermeier-Zeit entwickelte sich die Kammermusik. Statt Musik in der Oper oder im Konzertsaal zu genießen, erfreute man sich und seine Familie damit zu Hause.“ Für das Musizieren und Lesen von Literatur sei in den vergangenen Wochen mehr Zeit da gewesen. Das alles habe uns geholfen, diese Phase der Entbehrungen zu überbrücken.
„Nicht zuletzt ist Mode immer auch ein Ausdrucksmittel des persönlichen Stils. In den ersten Wochen der Selbstisolation haben viele die Jogginghose und den Kapuzenpullover nur selten abgelegt. Schade, findet Tina Konsel: „Warum machen wir uns nur für andere schön?“
Endlich kehrt nun langsam wieder die Lust an neuen Trends und dem Inhalt des eigenen Kleiderschranks zurück. Sie ist sich sicher: „Sich in der eigenen Haut wohlzufühlen, sich auch einfach nur für sich selbst hübsch zu machen, steigert das Wohlbefinden. Wir fühlen uns dadurch gleich positiver.“
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