Eine kleine Figur steht auf einer Computertastatur mit Tasten, die Richterhammer und Waage zeigen.

Was, wenn Worte zu Waffen werden?

Zwei Anwälte, zwei Ansichten, eine Rechtslage: Das Wiener Duo erzählt Geschichten aus seiner Ehe, beantwortet Fragen, die uns im Alltag beschäftigen, erklärt, was vor Gericht zählt – und wie er oder sie die Causa sieht.

Von Mag. Carmen Thornton & Mag. Johannes Kautz

Der Fall: Was haben Philipp Plein, Egisto Ott und Florian Scheuba gemeinsam? Vermutlich nicht viel, außer, dass ihre Geschichten die Frage aufwerfen, was man in der Öffentlichkeit eigentlich tun und sagen darf, wenn die Persönlichkeitsrechte anderer betroffen sind, sei es die der eigenen Kinder oder jene von Dritten, die sich verunglimpft und in ein schlechtes Licht gerückt fühlen. Dass diese Frage nicht nur Prominente betrifft, sondern uns alle, zeigen Fälle, in denen Mindestpensionisten oder einfache Arbeiter mit Anwaltsbriefen vor die Wahl gestellt werden, einen teuren „Vergleich“ zu akzeptieren oder ein kostspieliges Verfahren zu führen. Kann ein Elternteil verhindern, dass der andere die Kinder in der Öffentlichkeit präsentiert, um selbst besser dazustehen? Darf man auf Social Media noch sagen, was man sich denkt, oder lauern hinter jedem Posting juristische Stolperfallen? Diese Fragen sind aktueller denn je.

Mag. Carmen Thornton

Zwischen Designer Philipp Plein und seiner Ex-Partnerin tobt ein heftiger Streit um die gemeinsamen Söhne. Wie so oft in solchen Fällen werden wechselseitig heftige Vorwürfe erhoben. Das geht die Öffentlichkeit eigentlich nichts an, doch der Streit wird nicht nur vor Gericht ausgetragen, sondern auch in den Medien. 

Für die Litigation-PR werden die Kinder eingespannt, denn wer als besserer Elternteil gelten will, muss sich auf Instagram oder in Interviews und Homestorys als Familienmensch präsentieren. Und wer immer so lieb mit den Kindern umgeht, kann ja kein schlechter Vater sein. Die größere Reichweite beeinflusst die öffentliche Meinung und vielleicht sogar die Entscheidung des Gerichtes.

Ligitation-PR oder Kindeswohlgefährdung?

Dass niemand gerne zusieht, wie der Ex mit der Neuen und den eigenen Kindern die Happy Family zelebriert, ist verständlich. Aber das muss man halt aushalten, oder? 

Nicht ganz, denn auch abseits der persönlichen Enttäuschungen gibt es gute Gründe, sich gegen die öffentliche Zurschaustellung der Kinder auszusprechen. Denn die werden dadurch zum Spielball der medialen Auseinandersetzung. Und der Bekanntheitsgrad, der bei den Eltern Grundlage des Erfolgs ist, kann für die Kinder mit Einschränkungen verbunden sein. 

Außerdem ist es nicht angenehm, wenn die halbe Welt erfährt, was sich zu Hause so alles abgespielt hat oder wenn man später lesen und sehen muss, was sich die Eltern gegenseitig vorgeworfen haben. Wenn sich Mama und Papa streiten, sind die Kinder ohnehin einem Loyalitätskonflikt ausgesetzt. Da ist es nicht förderlich, wenn sie zur Stimmungsmache oder gar zur öffentlichen Reinwaschung missbraucht werden.

Eine Frau im roten Kleid lehnt an einer Wand in einem Bürogebäude.

Carmen Thornton ist Rechtsanwältin in Wien.

©Thornton & Kautz Rechtsanwälte

Wenn Kinder die Eltern klagen

Wenn ein Elternteil es mit der Litigation-PR übertreibt und so die Privatsphäre der Kinder verletzt, kann sich der andere im Namen der Kinder dagegen zur Wehr setzen. 

Für die Prozessführung ist aber eine pflegschaftsgerichtliche Genehmigung notwendig. Denn mit Ausnahme von Kindesunterhaltsverfahren, Bagatellsachen oder Gewaltschutzverfügungen gehören Zivilprozesse zu den Maßnahmen des außerordentlichen Wirtschaftsbetriebs. Und solche Entscheidungen darf selbst ein Elternteil, der die alleinige Obsorge hat, nicht selbstständig treffen. 

Das Gericht entscheidet, ob die Maßnahme im Interesse des Kindes liegt. In der Regel muss dafür sichergestellt werden, dass dem Kind keine Kosten entstehen. 

Im Zweifel entscheidet das Gericht

Doch selbst die gerichtliche Genehmigung ist für die Einbringung einer Klage oder eines medienrechtlichen Antrags nicht immer ausreichend. Wenn beide Eltern das Sorgerecht haben, muss grundsätzlich auch der andere Elternteil dem Prozess zustimmen. 

Bei Uneinigkeit kann das Gericht die Zustimmung ersetzen oder die alleinige Obsorge in diesem Teilbereich übertragen. Die Zustimmungspflicht entfällt jedoch bei einem Interessenkonflikt. Das ist immer dann der Fall, wenn sich die Klage gegen den Elternteil selbst richtet. 

Doch auch wenn ein Dritter, beispielsweise die neue Partnerin oder das Medium geklagt werden soll, besteht die Gefahr, dass jener Elternteil, der von der Berichterstattung profitiert und diese vielleicht sogar initiiert hat, die Zustimmung zu einer Klage aus Eigeninteresse verweigert. Auch dann liegt ein Interessenkonflikt vor, sodass nur die pflegschaftsgerichtliche Genehmigung, nicht jedoch eine Ersetzung der Zustimmung oder eine Übertragung der Obsorge beantragt werden muss.

Mag. Johannes Kautz

Nach wie vor hat man oft das Gefühl, dass Menschen ihren Frust im Internet recht unbehelligt an anderen ablassen können. 

Frauen werden regelmäßig Zielscheibe von Misogynie und toxischer „Männlichkeit“. Und wer öffentlich kontroversielle Meinungen äußert, riskiert, Opfer des digitalen Mobs zu werden. Befeuert von Trollen und Personen, die früher sogar am Wirtshaustisch belächelt wurden, sich nun aber in diversen Chatgruppen mit ihresgleichen zusammenschließen und ihren kruden Ansichten Gehör verschaffen können. 

Der Algorithmus der Plattformen trägt sein Übriges dazu bei, dass im Netz die Stimme der Vernunft immer leiser und das Wutgeschrei immer lauter wird. 

Ein Mann im Anzug lehnt an einer Wand in einem Bürogebäude.

Johannes Kautz ist Rechtsanwalt in Wien.

©Thornton & Kautz Rechtsanwälte

Hass im Netz kann teuer werden 

Zu Recht versuchen die Gerichte und der Gesetzgeber, das Problem in den Griff zu bekommen. Der OGH hat kürzlich entschieden, dass jeder, der sich an einem Shitstorm beteiligt, auf Schadenersatz geklagt werden kann. 

Mit dem „Hass-im-Netz-Bekämpfungsgesetz“ wurde ein vereinfachtes Verfahren eingeführt, sodass online und ohne Gerichtsverhandlung die Löschung von Hasspostings beantragt werden kann. Opfer von Cybermobbing können leichter Schadenersatz für die persönliche Beeinträchtigung fordern und die Entschädigung für Persönlichkeitsverletzungen in einem Medium wurde deutlich erhöht. Hass im Netz kann also richtig teuer werden.

Doch jede Medaille hat ihre Kehrseite. So erwirkte der ehemalige „Verfassungsschützer“ Egisto Ott, der sich nicht gerade als Anwärter auf das Goldene Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich aufdrängt, einen Unterlassungsauftrag gegen Profil-Chefredakteurin Anna Thalhammer. Nicht, weil er von ihr beschimpft oder beleidigt wurde, sondern weil sie einen kritischen Tweet des Investigativjournalisten Christo Grozev geteilt hatte. 

Solche Fälle hatte der Gesetzgeber bei der Bekämpfung von Hass im Netz wohl kaum vor Augen.

Meinungsfreiheit, ade? 

Leider haben auch Gesetze, die in den besten Absichten erlassen wurden, ihre Schwachstellen. Denn der Unterlassungsauftrag wird zwar nicht ungeprüft erlassen, das Gericht muss aber nur anhand der Klagebehauptungen und der vorgelegten Beilagen prüfen, ob der Anspruch schlüssig behauptet wurde. 

Der Beklagte wird vorher nicht angehört, er kann erst nachträglich Einwendungen erheben. Und wenn die Auswirkungen der Rechtsverletzung für das Opfer unzumutbar oder mit erheblichen Nachteilen verbunden sind, kann das Gericht den Unterlassungsauftrag mit vorläufiger Vollstreckbarkeit erlassen. Dann ist der Beitrag sofort und für die Dauer des Verfahrens zu löschen. 

Was bei Hasspostings und Vergewaltigungsdrohungen zum Schutz der Opfer dringend notwendig ist, hat zur Folge, dass SLAPP-Klagen auch erfolgreich sein können, wenn sie letztendlich abgewiesen werden.

Wie schmal der Grad zwischen Opferschutz und Einschränkung der Meinungsfreiheit ist, zeigt der Fall des Satirikers Florian Scheuba, der einem Polizisten in einer Kolumne Arbeitsverweigerung vorgeworfen hatte und dafür wegen übler Nachrede verurteilt wurde. 

Unabhängig davon, ob die Kritik berechtigt war oder nicht, hinterlässt das Urteil einen schalen Beigeschmack. Denn wenn solche Aussagen mit dem Vorwurf des Amtsmissbrauchs gleichgesetzt werden, besteht die Gefahr, dass die Kritik an staatlichem Handeln immer leiser wird und vielleicht ganz verstummt. Nicht jeder kann die Meinungsfreiheit bis zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte verteidigen.

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