Microphone on screen of a smartphone

Recht kompliziert: „Darf man Gespräche heimlich aufnehmen?“

Zwei Anwälte, zwei Ansichten, eine Rechtslage: Das Wiener Duo erzählt Geschichten aus seiner Ehe, beantwortet Fragen, die uns im Alltag beschäftigen, erklärt, was vor Gericht zählt – und wie er oder sie die Causa sehen.

Von Mag. Carmen Thornton & Mag. Johannes Kautz

Der Fall: Vor einigen Jahren löste die Veröffentlichung des Ibiza-Videos ein politisches Erdbeben aus. Aktuell beschäftigt schon wieder eine brisante Tonbandaufzeichnung das Land: Das Pilnacek-Tape. Ein heimlich aufgezeichnetes Gespräch in einem Lokal im 1. Bezirk, das nach dem Tod des wohl bekanntesten Sektionschefs des Landes über Umwege das Licht der Öffentlichkeit erblickt hat und nicht nur zu politischen Diskussionen geführt, sondern auch zur Einsetzung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses beigetragen hat. In Zeiten, in denen Aufnahmen in Sekundenschnelle ohne besondere technische Affinität mit dem Smartphone hergestellt werden können, sind die Fragen nach den rechtlichen Grenzen aktueller denn je: Ist das heimliche Aufzeichnen von Gesprächen strafbar? Riskiert man seinen Job, wenn man Gehaltsverhandlungen aufnimmt? Und darf man die Aufnahmen dann zumindest vor Gericht verwenden?

Sie:

Im Familienrecht liegt es in der Natur der Sache, dass sich viele Vorfälle, über die vor Gericht erbittert gestritten wird, in den eigenen vier Wänden ereignet haben. Auch Absprachen erfolgen oft mündlich. Wenn es Zeugen gibt, sind sie oft voreingenommen oder können nicht viel zur Wahrheitsfindung beitragen. Der Verfahrensausgang hängt dann davon ab, wem das Gericht glaubt. Sich auf die eigene Glaubwürdigkeit zu verlassen, ist aber ein riskantes Spiel, noch dazu, wenn es um die eigene Existenz geht, etwa weil der lebenslange Unterhalt vom Ausgang des Scheidungsverfahren abhängt. Was ist da naheliegender als der Griff zum Smartphone, um Eheverfehlungen, Streitigkeiten oder Gespräche heimlich zu dokumentieren? 

Die rechtlichen Konsequenzen hängen davon ab, welche Gespräche man aufnimmt und warum. Strafbar ist es, fremde Gespräche aufzuzeichnen. Wer also den großen Lauschangriff startet und Spyware auf dem Handy installiert, das Haus verwanzt oder mit Kameras überwacht, begeht nicht nur eine schwere Eheverfehlung, sondern findet sich schlimmstenfalls sogar auf der Anklagebank wieder. Außerdem kann der andere eine einstweilige Verfügung beantragen, um den Hobbyspion aus dem Haus zu werfen. Nach der Rechtsprechung ist das Zusammenleben in solchen Fällen nämlich unzumutbar. So aufschlussreich derartige Abhörmaßnahmen auch sein mögen, die Verwendung des kompromittierenden Beweismaterials kann sich als juristisches Eigentor erweisen.

Die Aufnahme von Gesprächen, an denen man selbst teilnimmt, ist zwar eine Datenschutzverletzung und ein unzulässiger Eingriff in die Privatsphäre, strafbar macht man sich aber nur, wenn man die Audiodatei an einen Dritten weitergibt. 

In einem Gerichtsverfahren können solche Beweismittel trotzdem hilfreich sein. Es gibt in Österreich kein generelles Beweisverwertungsverbot. Selbst strafrechtswidrig erlangte Beweise können vom Gericht zugelassen werden. Das Gericht muss allerdings eine Interessenabwägung vornehmen. In der Praxis sollte daher zunächst ein wörtliches Transkript vorgelegt werden. Wenn der andere den Gesprächsinhalt trotzdem leugnet, liegt ein Beweisnotstand vor und die Aufnahme kann verwertet werden. Denn das Interesse an der Wahrheitsfindung wird von den Gerichten meist höher eingeschätzt als das Recht auf Privatsphäre. 

Eine Frau im roten Kleid lehnt an einer Wand in einem Bürogebäude.

Carmen Thornton ist Rechtsanwältin in Wien.

©Thornton & Kautz Rechtsanwälte

Warum die Heimlichtuerei?

Wer einen legitimen Grund hat, Gespräche zu Beweiszwecken aufzunehmen, kann auch auf die Heimlichtuerei verzichten. Erst kürzlich haben die Gerichte entschieden, dass in einem strittigen Kontaktrechtsverfahren ein berechtigtes Interesse an der Aufnahme von Telefonaten mit dem anderen Elternteil bestehen kann, um die Einhaltung des Kontaktrechts zu dokumentieren. Genau das hatte der Vater nämlich angekündigt, nachdem es mehrmals zu Unstimmigkeiten über die Übergabemodalitäten gekommen war. 

Die Mutter scheiterte mit ihrem Versuch, dies mit einer einstweiligen Verfügung zu verhindern. Die Gerichte befanden, dass der Lauschangriff unter diesen Umständen zulässig ist. Schließlich kann die Mutter die Korrespondenz auch schriftlich per Whatsapp führen. Klingt hart, aber wenn die Eltern keine Gesprächsbasis mehr haben, ist es gar keine so schlechte Idee, zumindest für einen gewissen Zeitraum nur schriftlich zu kommunizieren. Das ist nicht nur gut nachweisbar, sondern verhindern vielleicht, dass die Emotionen zu sehr hochkochen, denn bevor man auf Senden drückt, kann man noch eine Nacht darüber schlafen.  

Er:

Wer kennt das nicht, die böse Vorahnung, dass der Inhalt eines Gespräches einmal zum Streitthema werden könnte? Die Unsicherheit, ob sich der Chef später an die zugesagte Gehaltserhöhung erinnern will? Oder das mulmige Gefühl, dass der vertrauenserweckende Berater vielleicht doch ein Schmähtandler ist? Mündliche Zusagen sind zwar gültig, doch was hilft das schon, wenn man sie nicht beweisen kann. Wenn allerdings im richtigen Moment der rote Knopf am Handy blinkt …

Dass so mancher der Versuchung nachgibt, sich durch den verstohlenen Griff zum Smartphone einen schlagenden Beweis zu verschaffen, ist verständlich. Denn wo kein Kläger, da kein Richter: Solange man die Aufnahme nicht braucht, schützt die Unwissenheit des Gesprächspartners zuverlässig vor Konsequenzen. Und im Streitfall überwiegen die Vorteile.  

Justiz hinter verschlossenen Türen

Doch wenn man erwischt wird, drohen nicht nur eine Datenschutzbeschwerde und eine Klage auf Unterlassung, Löschung oder Schadenersatz, sondern auch ein Vertrauensverlust. Daher kann ein Arbeitnehmer, der den Chef heimlich aufnimmt, wegen Vertrauensunwürdigkeit entlassen werden. Dass heimliche Aufnahmen nicht sanktionslos bleiben, ist gut und richtig, denn Misstrauen ist keine Basis für eine Partnerschaft.

Ein Mann im Anzug lehnt an einer Wand in einem Bürogebäude.

Johannes Kautz ist Rechtsanwalt in Wien.

©Thornton & Kautz Rechtsanwälte

Die verbreitete Skepsis gegenüber Aufzeichnungen, die mit Wissen aller Beteiligten erfolgen, ist aber nicht so verständlich. Denn so ließen sich Streitigkeiten vermeiden und Fehlurteile verhindern. In fast jedem Prozess muss das Gericht – oft Jahre später – anhand von Aussagen herausfinden, wer wann was gesagt hat, ein schier unmögliches Unterfangen. Denn der Standpunkt beeinflusst die Wahrnehmung und die Grenzen zwischen subjektiver Wahrheit und glatter Lüge sind fließend. Außerdem kann einen die Erinnerung manchmal böse täuschen.

Offene Aufnahmen können auch zur Transparenz beitragen und eine sachliche Gesprächskultur fordern. Zu Recht wird darüber diskutiert, ob parlamentarische Untersuchungsausschüsse nicht live übertragen werden sollten. Auch Gerichtsverhandlungen sind grundsätzlich öffentlich, um den Eindruck einer Geheimjustiz zu verhindern. Trotzdem sind Aufzeichnungen verboten. Und abseits von Strafverfahren verirrt sich die Öffentlichkeit nur selten in den Gerichtssaal. De facto wird das Recht meist hinter verschlossenen Türen gesprochen. 

Livestream aus dem Gerichtssaal?

Warum also nicht gleich eine Übertragung im Internet? Das ist nicht nur in den USA so, auch Verhandlungen des Internationalen Strafgerichtshofes kann man im Livestream mitverfolgen. Gerade die USA sind aber auch ein mahnendes Beispiel dafür, wie so etwas in Voyeurismus ausarten kann. Man denke nur an die juristische Schlammschlacht zwischen Johnny Depp und Amber Heard. Da wurden der Weltöffentlichkeit die intimsten Details einer kaputten Beziehung in einem regelrechten Schauprozess präsentiert und jeder konnte sich vor dem Fernsehgerät entweder für das unwürdige Schauspiel fremdschämen oder sich daran ergötzen, dass auch die Reichen und Schönen allerlei Probleme haben.

Eine generelle Übertragung von Prozessen ist daher übertrieben. Ton- und Videoaufzeichnungen von Verhandlungen, die nur Bestandteil des Gerichtsaktes sind, würden allerdings die Entscheidungsfindung und die Überprüfung des Urteils im Instanzenzug erleichtern. In bestimmten Fällen, etwa bei Verhandlungen vor dem Verfassungsgerichtshof, wäre eine Übertragung zeitgemäß und könnte das Vertrauen in die Justiz stärken.

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