Recht kompliziert: "Macht mich Carearbeit im Alter arm?"
Carearbeit wird immer noch überwiegend von Frauen verrichtet.
Von Mag. Carmen Thornton & Mag. Johannes Kautz
Der Fall: „Wir haben keine Zeit, die Pensionsreform, die 1995 und 1996 [...] angedacht worden ist, weiterhin auf die lange Bank zu schieben.“ Mit diesen Worten verteidigte der damalige Sozialminister in Rede im Parlament im Jahr 2003 die damalige Pensionsreform. 2016 lautete der nüchterne Befund des damaligen Finanzministers: „1971 waren die Österreicher im Schnitt acht Jahre in Pension, 2011 schon 22 Jahre. Da muss ich kein ausgebildeter Versicherungsmathematiker sein, um mir auszurechnen, dass sich das irgendwann nicht mehr ausgehen wird.“ Heuer war es wieder einmal so weit, die „größte Pensionsreform der letzten 20 Jahre“ wurde auf den Weg gebracht, die Einführung einer Teilpension und ein ganzes Bündel an weiteren Maßnahmen sollen das Pensionssystem langfristig absichern. Aber kann sich wirklich jeder verlassen, im Alter abgesichert zu sein? Wie sieht die Lebensrealität nach einer Scheidung aus und wo besteht noch Reformbedarf?
Sie:
Nach der Scheidung wird das gemeinsam erwirtschaftete Vermögen aufgeteilt. Wer den Haushalt führt oder weniger verdient, profitiert also von Ersparnissen, die aus dem Einkommen des anderen stammen. Der Gedanke dahinter: In einer Ehe leisten beide ihren Beitrag und unbezahlte Arbeit ist gleich viel wert wie bezahlte Erwerbstätigkeit.
Doch wenn es um die Altersvorsorge geht, gilt dieser Grundsatz plötzlich nicht mehr. Wer berufstätig ist, erwirbt zusätzlich zum Einkommen auch Pensionsgutschriften und spart so für die Pension an. Für die Carearbeit, die nach wie vor überwiegend von Frauen verrichtet wird, gilt das nur bedingt. Zwar werden demjenigen, der die Kinder überwiegend betreut, pro Kind bis zu 4 Jahre auf dem Pensionskonto gutgeschrieben, doch das reicht nicht ansatzweise aus, um den späteren Pensionsverlust auszugleichen. Zuerst Karenz und dann mehrere Jahre in Teilzeit, diesen Rückstand kann man bis zur Pension einfach nicht mehr aufholen.
Das unterschiedliche Pensionsalter verschärft das Problem, weil Frauen dadurch weniger Beitragsjahre erwerben. Die böse Überraschung kommt dann spätestens mit dem Pensionsbescheid. Denn im Durchschnitt bekommen Frauen brutto um rund 40 Prozent weniger Pension als Männer. Vor allem Alleinerzieherinnen landen oft in der Teilzeitfalle und müssen sich im Alter mit der Mindestpension begnügen.
Mehr Fairness
Wenn Carearbeit tatsächlich gleichwertig sein soll, müssen bei der Scheidung auch die während der Ehe erworbenen Gutschriften auf dem Pensionskonto aufgeteilt werden. In vielen anderen Ländern ist das auch selbstverständlich. Da reicht schon ein Blick über die Grenze. In Deutschland, der Schweiz und auch Lichtenstein gibt es einen Versorgungsausgleich. Österreich hinkt hinterher, trotz der zweithöchsten Teilzeitquote in der EU. Da auch der nacheheliche Ehegattenunterhalt grundsätzlich nicht an den tatsächlichen Bedarf geknüpft ist, sondern an das Verschulden, ist eine Versorgung nicht garantiert.
Carmen Thornton ist Rechtsanwältin in Wien.
Es gibt zwar die Möglichkeit des Pensionssplittings. Dabei können für die ersten 7 Jahre ab der Geburt des Kindes, bei mehreren Kindern für maximal 14 Jahre, bis zu 50 Prozent der Pensionsgutschriften des erwerbstätigen Elternteiles an den Elternteil übertragen werden, der sich hauptsächlich um die Kindererziehung kümmert.
Das Pensionssplitting beruht aber auf Freiwilligkeit und ist kein adäquater Ersatz für einen gesetzlichen Versorgungsausgleich. Bisher konnte sich der Gesetzgeber nicht einmal zu einem Opting-out-Modell durchringen, sodass eine aktive Antragstellung notwendig ist. Dadurch werden die Elternteile, die für die Kinder zu Hause bleiben – und das sind nach wie vor überwiegend Frauen – in die Position von Bittstellern gedrängt.
Lichtblick bei Vorsorgeprodukten
Einen Lichtblick gibt es zumindest bei den privaten Vorsorgeprodukten wie zum Beispiel Lebensversicherungen. Bisher wurden Wertanlagen, die typischerweise der Altersvorsorge dienen und mit dem Ziel angeschafft wurden, die unzureichende staatliche Pension aufzustocken, von den Gerichten teilweise von der Aufteilung ausgenommen. Dem hat der OGH vor Kurzem einen Riegel vorgeschoben und klargestellt, dass private Altersvorsorgeprodukte immer dann der Aufteilung unterliegen, wenn sie einen realisierbaren Wert (zum Beispiel einen Rückkaufswert) haben. Zumindest in den Fällen, in denen die Ehepartner es sich leisten können, privat vorzusorgen, profitieren also beide Ehepartner.
Er:
In Österreich verlassen sich viele Menschen bei der Altersversorgung auf die gesetzliche Pension. Manchmal aus der Not heraus, weil das Einkommen schlicht und ergreifend nicht ausreicht, um etwas fürs Alter beiseitezulegen. Doch oft ist der Grund auch eine Vollkasko-Mentalität: Der Staat wird es schon richten.
Doch trotz aller Beteuerungen, dass unsere Pensionen sicher sind, fährt das System an die Wand. Schon jetzt muss mehr als ein Viertel der Pensionsausgaben aus dem Staatshaushalt zugeschossen werden. Tendenz steigend. Die Pensionswelle der Babyboomer-Generation, geänderte Arbeitsvorstellungen der Generation Z und eine steigende Lebenserwartung werden unweigerlich dazu führen, dass immer weniger Erwerbstätige immer mehr Pensionen finanzieren müssen – für einen immer längeren Zeitraum.
Und auch wenn der Staat immer Geld zuschießen kann: Finanziert werden diese Zuschüsse mit Steuereinnahmen, also hauptsächlich von den Erwerbstätigen.
Politik bremst
Doch obwohl eigentlich ein Bremsfallschirm nötig wäre, um den Crash zu verhindern, bremst die Politik nur bei den Reformen. Die aktuellen Maßnahmen sind notwendig und sinnvoll, doch das faktische Pensionsantrittsalter steigt in Babyschritten. Die sukzessive Anhebung des Regelpensionsalters von Frauen auf 65 Jahre hat im Jahr 2024 begonnen. Beschlossen wurde die Angleichung schon im Jahr 1992 – aufgrund einer Entscheidung des VfGH aus dem Jahr 1990.
Johannes Kautz ist Rechtsanwalt in Wien.
Umso wichtiger wird die zweite Säule des Pensionssystems, die betriebliche Altersvorsorge. Dazu zählen nicht nur Firmenpensionen, die direkt vom Arbeitgeber ausbezahlt werden, sondern vor allem Pensionskassenzusagen und betriebliche Kollektiv- und Lebensversicherungen. Hier bezahlt der Arbeitgeber auf freiwilliger Basis laufend Beträge für die Mitarbeiter ein, die dann zusätzlich zur staatlichen Pension eine Firmenpension bekommen.
Ein ähnliches und verpflichtendes System gibt es seit 2003 mit der Abfertigung Neu, bei der alle Arbeitnehmer aus gesetzlich vorgeschriebenen Arbeitgeberbeiträgen ein Abfertigungsguthaben erwerben, das spätestens bei Pensionsantritt als Einmalbetrag ausbezahlt wird. Eine laufende Pension bekommt man bei der Abfertigung Neu aber nicht. Die Übertragung des Guthabens in eine Pensionskasse ist nur möglich, wenn es im Betrieb bereits eine Pensionskassenregelung gibt. Sinnvoll wäre es, wenn alle Arbeitnehmer diese Möglichkeit hätten, um die Abfertigung in Form einer Zusatzpension zu bekommen. Das ist auch im Regierungsprogramm vorgesehen. Ob den Worten Taten folgen, bleibt abzuwarten.
Reformbedarf
Auch bei der Aufteilung der Anwartschaften nach der Scheidung gibt es Reformbedarf. Bei Pensionskassenzusagen, die aus Beiträgen während der Ehe angespart wurden, hat der OGH eine Aufteilung abgelehnt, obwohl die Anwartschaften einen Wert haben. Denn das angesparte Kapital verfällt nach Ablauf der Wartefrist nicht – selbst bei einem Wechsel des Arbeitsplatzes oder einer Insolvenz des Arbeitgebers.
Dasselbe gilt für das angesparte Guthaben aus der Abfertigung Neu. Auch solche Anwartschaften müssten eigentlich aufgeteilt werden, soweit sie während der Ehe erworben wurden. Hier wäre dringend eine Judikaturwende nötig. Und auch die Politik könnte durch eine gesetzliche Regelung für mehr Fairness sorgen. Doch das steht leider nicht im Regierungsprogramm.
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