Sie sind groß, mächtig und spätestens seit „Moby Dick“ schicksalsträchtig. Wale. Viel zu groß, um sie auch nur im Traum zu umarmen. Aber so richtig ans Herz gewachsen sind sie uns erst, seit vor ein paar Jahrzehnten ihre Gesänge populär geworden sind.
Fünfzig Jahre ist es her, dass die Melodien der Meeresriesen auf einer Schallplatte veröffentlicht wurden. Grundlage dafür war die Erforschung der Art, wie sich diese Säugetiere untereinander verständigen. Die US-amerikanischen Zoologen Roger Payne und Scott McVay wurden so zu Pionieren: Sie waren die Ersten, die das Potenzial der sonderbaren Sounds aus der Tiefe erkannten.
Als Beitrag zum Schutz der Wale leisteten die ultratiefen Basstöne wie auch die markerschütternden Sopran-Arien einen gewichtigen Teil. Hilfreich war sicher auch Commander Spock. In „Star Trek IV: Zurück in die Gegenwart“ (1986) identifiziert er fremdartige Signale einer Sonde als Buckelwalgesang und beamt anschließend die in dieser Filmhandlung bereits ausgestorbenen Wale ins 23. Jahrhundert.
Der "52 Hertz"-Wal
Aber man muss nicht die Science-Fiction bemühen, um zu erkennen, dass die Existenz der gigantischen Säugetiere bedroht ist. Selbst wenn es insgesamt 90 Arten gibt, sollen etwa vom Grönlandwal nur mehr weniger als 100 Tiere leben, vom Blauwal vor Chile nur noch etwa 150 Tiere.
Sie alle kommunizieren miteinander auf Frequenzen zwischen 15 und 20 Hertz. Manche brummen, andere fiepen oder pfeifen. Einer aber klingt höher als alle anderen und das auf der einzigartigen Frequenz von 52 Hertz.
Erstmals wurden seine Gesänge im Jahr 1989 vernommen. An der Westküste der USA war die Besatzung eines U-Bootes auf ihn aufmerksam geworden. Per Hydrophon, einem „Unterwassermikrofon“, nahmen sie seine Laute auf. Und zwar in einer Tiefe von Tausenden Metern, dort, wo sich Walbeobachter üblicherweise nicht aufhalten.
Nicht die einzige Besonderheit: Der „52 Hertz“-Wal wurde zwar gehört, aber nicht gesichtet, bis heute nicht. Aber ist so etwas überhaupt denkbar?
Der deutsche Meeresbiologe Fabian Ritter ist seit vielen Jahren Mitglied im Wissenschaftsausschuss bei der Internationalen Walfang Kommission IWC und meint: „Ja, das ist durchaus möglich. Die Gesänge von Walen sind ja weithin hörbar.“
Hören aber sei nur die halbe Miete, denn, so Fabian Ritter: „Einen singenden Wal zu identifizieren und seinen Aufenthaltsort zu bestimmen, ist auch schon im näheren Umfeld schwierig, daher kann es gut sein, dass sich dieser Wal bisher nicht blicken ließ.“
US-amerikanische Wissenschaftler konnten die Gesänge des rätselhaften Wales zwischen den Jahren 1992 und 2004 regelmäßig nachweisen. Dass seine Stimme immer dunkler wurde, ebenfalls. Der „52 Hertz“-Wal kommuniziert mittlerweile mit 46 Hertz. Ein gutes Zeichen?
Leonardo DiCaprio mit an Bord
Wer weiß, eines aber dürfte feststehen: Andere Wale bewegen sich im Rudel, dieser legt seine bis zu mehr als zehntausend Kilometer weiten Strecken im Pazifik solo zurück. Dieses Alleinstellungsmerkmal hat ihm bis jetzt neben wissenschaftlichen Artikeln und Büchern eine mit der Frequenz von 52 Hertz spielende Kindersymphonie eingebracht sowie eine von Hollywood-Star Leonardo DiCaprio mitfinanzierte Filmdokumentation.
„The Loneliest Whale“ hatte seine Premiere Anfang Juli in ausgewählten nordamerikanischen Kinos. Sicher das Herausragendste an diesem Film über den „einsamsten Wal der Welt“ ist, dass er selbst ohne das Auftauchen seines Hauptdarstellers aufsehenerregend bleibt.
Kaum weniger spannend ist, wann die Naturdoku ihren Weg über den Großen Teich nach Europa und das Binnenland Österreich finden wird.
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