Wie diese Frau vom Model zur Goldgräberin wurde
Eine Tonne Reis, 200 Kilogramm Zucker, 50 Kilogramm Salz, 50 Liter Öl, 150 Kilogramm Mehl, 180 Eier, 90 Dosen Thunfisch, 180 Dosen Rindfleisch, ein gutes Dutzend lebender Hühner sowie ein oder zwei Schweine: Wenn Ariane Golpira mit ihrem Lebensgefährten Michael zu einer Expedition in den Dschungel Papua Neuguineas aufbricht, ist das ihr Einkaufszettel. Seit 30 Jahren waschen die beiden – fernab der Zivilisation – Gold aus den Flüssen des Regenwaldes. Zuerst für einige Jahre im südamerikanischen Urwald in Peru, heute in Papua Neuguinea.
Ein abenteuerliches Leben, das die aus Süddeutschland stammende Golpira in jungen Jahren wohl so nicht für möglich gehalten hätte.
Mit 20 leitete sie ein Hotel in Düsseldorf-Oberkassel. Nach der Trennung von ihrem Mann war sie das Hausmodel eines Großhandelsunternehmens für Bekleidung. Bei einer Modenschau lernte sie Anfang der 1990er-Jahre den ehemaligen Designer und Goldgräber Michael kennen. Nach fünf Monaten Beziehung begleitete sie ihn für drei Wochen nach Peru, um sein Leben im Urwald kennenzulernen. „Als Michael mir zuvor gesagt hatte, entscheidend für ihn sei, im Urwald leben zu können, nicht das Geld, das er dort mit der Goldgewinnung verdiente, hatte ich ihn nicht so recht verstanden“, schreibt Golpira im Prolog ihrer kürzlich erschienenen Biografie „Dschungelleben“.
Bisherige Wichtigkeiten wurden im Urwald wertlos. Ich erkannte die Chance, meinem Leben mehr Tiefgang zu geben.
Das änderte sich schlagartig, als sie das erste Mal im Urwald stand. „Die Herrlichkeit der Natur hat mich so tief bewegt, dass ich dort von Anfang an leben wollte. Bisherige Wichtigkeiten wurden wertlos. Ich erkannte die Chance, meinem Leben mehr Tiefgang zu geben.“ Golpira ergriff sie: Zurück in Deutschland meldete die damals 31-Jährige ihre vier Jahre alte Tochter Gisa vom Kindergarten ab und zog mit ihr in den peruanischen Dschungel. Seitdem war das Goldgräber-Duo auf unzähligen Expeditionen, von seiner Philosophie ist es dabei nie abgewichen. „Wir nehmen, was die Natur schon freigegeben hat“, sagt Golpira. Sie und ihr Partner waschen das Gold ohne Hilfe von Chemikalien aus den Flüssen, weswegen es auch grünes Gold genannt wird. Mithilfe der Goldwaschpfanne und einer Dredge, eine Art Staubsauger, wird das Gestein gefiltert. Das Gold bleibt hängen, weil es schwerer ist, während die Steine wieder in den Fluss zurückfließen. Der Ertrag einer Expedition wird durch zwei geteilt. Eine Hälfte geht an Ariane Golpira und Michael, die andere an die Clans, mit denen sie auf Papua Neuguinea zusammenarbeiten und denen das Land gehört.
Einblicke in das Leben im Dschungel:
Lange hat Ariane Golpira auf Expedition eine Schusswaffe bei sich getragen.
Goldwaschen ist eine körperlich fordernde Arbeit. Ariane Golpira schreibt in ihrem Buch, dass sie über die Jahre viel Muskulatur aufgebaut hat.
Für zwei Hände voll Gold müssen viele Kubikmeter goldhaltiges Material mit der Dredge durchgearbeitet werden.
Ariane Golpira bezeichnet diesen Wasserfall als „das schönste Badezimmer der Welt“.
Die Förderung von Gold gilt generell als umstritten. Häufig wird es aus Felsen gesprengt oder es werden hochgiftiges Zyanid und Quecksilber für den Abbau eingesetzt. Für Ariane Golpira und ihren Partner kommt das nicht in Frage. Die Folgen für Mensch und Natur bekamen sie in all den Jahren immer wieder vor Augen geführt, sie sah „Kinder, die mit physischen Fehlbildungen zu leben hatten, wie Beinen, die zu Schwänzen deformiert waren, und gespaltenen Fingern“, wie sie im Buch erzählt.
Dschungelunterricht
Während Golpira in ihrer Anfangszeit im Dschungel immer wieder auch Angst vor der neuen Umgebung hatte, fand sich Tochter Gisa rasch zurecht; sobald sie das Grundschulalter erreicht hatte, wurde sie von ihrer Mutter unterrichtet. Für eine solide schulische Ausbildung kehrte sie jedoch im Alter von acht Jahren nach Deutschland zurück. Um bis zum nächsten Wiedersehen am Ende einer Expedition verbunden zu bleiben, schenkte Ariane ihrer Tochter eine Goldkette mit einem herzförmigen Nugget.
Ich sehe mich selbst eigentlich weniger als Designerin. Die wahre Designerin ist die Natur. Ich gebe ihr nur einen Rahmen.
Das Schmuckstück hat für sie bis heute einen hohen emotionalen Wert. Zugleich ist es eine Art Prototyp für ihr Schmucklabel „Golpira“, das Gisa vor einigen Jahren gegründet hat. Für dieses verarbeitet die heute 35-Jährige die Fundstücke ihrer Eltern genau so wie sie sind zu Ketten, Ringen und Armbändern.
Golpiras Schmuckstücke:
Jedes Schmuckstück, das Gisa Golpira aus Nuggets fertigt, die ihre Mutter und Ariane und Michael aus den Flüssen gewaschen
haben, ist ein Unikat
Während Nuggets in den Neunzigerjahren noch fast ausnahmslos eingeschmolzen wurden, weiß man heute um ihre Einzigartigkeit – weniger als zwei Prozent des weltweiten Goldes kommen als Nuggets vor. „Ich sehe mich selbst eigentlich weniger als Designerin. Die wahre Designerin ist die Natur. Ich gebe ihr nur einen Rahmen“, sagt Gisa Golpira.
Ein Leben als Goldgräberin zu führen, kann sie sich selbst zwar nicht vorstellen, jedes Schmuckstück aber erzählt auch die Geschichte von ihrer Mutter und ihr.
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