Weinstein & Co.: Die Psychologie des tiefen Falls

Weinstein & Co.: Die Psychologie des tiefen Falls
Einst mächtig, jetzt geächtet: Machtexpertin Christine Bauer-Jelinek über öffentliche Abstürze und das Leben nach dem Skandal.

Strauss-Kahn, Cosby, Weinstein: Es sind nur einige Prominente, die durch eigenes Verschulden zur Persona non grata geworden sind. Wirtschaftscoach und Psychotherapeutin Christine Bauer-Jelinek kennt die Hintergründe.

Weinstein & Co.: Die Psychologie des tiefen Falls

Bauer-Jelinek ist Psychotherapeutin, Wirtschaftscoach und Machtanalytikerin

KURIER: Wie könnte sich das Weinstein-Urteil auf potenzielle Sexualstraftäter und Opfer auswirken?

Christine Bauer-Jelinek: Allgemein beobachte ich, dass #MeToo und darauf folgenden Medienberichte über sexuelle Belästigung und Gewalt zu einer drastischen Veränderung des Verhaltens von Männern geführt haben. Das ist einerseits ein großer Erfolg der Aktivistinnen, der vielen Frauen hilft, sich zu wehren. Andererseits eröffnet es Möglichkeiten für öffentliche Vorverurteilungen, gegen die es noch keine Gegenstrategie gibt. Insgesamt empfehle ich Frauen und Männern, ihr Verhalten im Sinne der Rechtsstaatlichkeit und der Ethik zu überprüfen, bevor sie handeln – Gefühle und Fakten trennen, Beratung für Psyche und Rechtslage suchen, bevor man in sozialen Medien etwas behauptet. Das ist gerade im Bereich von Macht und Sex eine Herausforderung.

Weinstein beteuert seine Unschuld, andere, zuletzt etwa Plácido Domingo, geben sich dann doch reumütig. Was bestimmt, wie öffentliche Personen mit dem selbst verschuldeten Verlust von Macht und Ansehen umgehen?

Zu Beginn gelingt es noch vielen Angeklagten, die Vorwürfe und die Auseinandersetzung mit dem eigenen Gewissen zu verdrängen, im Laufe des Prozesses wird das immer schwieriger. Wie Menschen auf rechtliche und mediale Verurteilung reagieren, hängt von ihrem Charakter ab, andererseits wird ihnen ein bestimmtes Verhalten von ihren Rechtsbeiständen und PR-Beratern nahegelegt. Es ist allerdings nicht jede Person in der Lage, die Taktik umzusetzen, weil der psychische Druck aus Scham, Wut und Enttäuschung groß ist, und die Beweislast drückend wird.

Auch für verurteilte Sexualstraftäter muss das Leben – in Haft – irgendwie weitergehen. Wie kann in so einer Situation ein Psychotherapeut helfen?

Die Arbeit mit gescheiterten Personen sollte die Schuldeinsicht, die Bereitschaft zur Wiedergutmachung fördern. Dann geht es um die Erarbeitung neuer Perspektiven. Wie rasch das geht, ob es möglich ist und welche Wege jemand einschlägt, kann man nicht voraussagen. Manche fallen in schwere Depressionen, die bis zum Selbstmord gehen, andere errichten ein „Herrschaftssystem“ über die Mitgefangenen, wieder andere machen Ausbildungen oder schreiben Bücher.

Auf Fotos wirkt Weinstein krank und gebrochen. Besteht die „Gefahr“, dass die Menschen eher Mitleid empfinden?

Wenn der Verurteilte Glück hat, geschieht das vielleicht bei Freunden oder der Familie. Wenn die Anklage auf Missbrauch an Kindern oder Vergewaltigung von Frauen lautet, bleiben die Täter meist öffentlich geächtet und müssen ihr Leben grundlegend verändern.

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