Gähn: Je größer das Gehirn, desto länger bleibt das Maul offen

Tiger reißen das Maul lange auf.
Der Reflex wurde als Kühlmechanismus für das Denkorgan entwickelt. Forscher schauten 1.291 Tieren beim Gähnen zu.

Wirbeltiere mit größeren Gehirnen und mehr Neuronen gähnen länger. Das zeigt ein internationales Forscherteam mit österreichischer Beteiligung, das für seine Studie rund 1.300 verschiedene Gähner von Säugetieren und Vögeln ausgewertet hat. Wie die Wissenschaftler im Fachjournal "Nature Communications" berichten, bestätigen ihre Ergebnisse die Hypothese, dass sich das Gähnen als Kühlmechanismus für das Gehirn entwickelt hat.

Luft in der Mundhöhle kühlt Denkorgan

Der vor einigen Jahren aufgestellten Gehirnkühlungs-These zufolge wird durch das gleichzeitige Einatmen kühler Luft und die Kontraktion der die Mundhöhle umgebenden Muskeln der Fluss von kühlerem Blut zum Gehirn gefördert. Weil größere Gehirne einen höheren Energiebedarf haben und die Gehirntemperatur zum Teil durch die Wärmeproduktion der neuronalen Aktivität bestimmt wird, müssten der Hypothese zufolge Tiere mit größeren Gehirnen und mehr Neuronen länger gähnen, um vergleichbare Kühleffekte zu erzielen.

Videos von 697 Tierarten ausgewertet

In ihrer Studie analysierten die Forscher Videos von gähnenden Säugetieren und Vögeln. Die Aufnahmen stammten aus verschiedenen Online-Quellen, etwa YouTube, wurden von Kollegen oder Zoos zur Verfügung gestellt oder von den Studienautoren selbst in Tiergärten und Forschungsinstituten aufgenommen. Insgesamt 1.291 Gähner wurden von 697 verschiedenen Tieren ausgewertet, die 101 unterschiedliche Arten (55 Säugetier- und 46 Vogelarten) umfassten.

Neuronenzahl und Dauer des Gähnens hängen zusammen

Es zeigte sich, dass sich das Muster des Gähnens nicht zwischen den verschiedenen Arten unterscheidet. "Für jeden Laien ist es bei fast allen Wirbeltieren erkennbar, dass sie gähnen", sagte Margarita Hartlieb vom Department für Verhaltens- und Kognitionsbiologie der Universität Wien. Sie hat mit den beiden anderen Hauptautoren Jorg Massen (Universität Utrecht) und Jordan Martin (Universität Zürich) "eine klare Beziehung zwischen Gehirnmasse und Neuronenzahl und der Dauer des Gähnens sowohl bei Säugetieren als auch bei Vögeln" gezeigt.

Säuger gähnen länger als Vögel

Herausgestellt hat sich auch, dass Säugetiere bei vergleichbarer Gehirn- und Körpermasse deutlich länger gähnen als Vögel. Die Wissenschafter erklären sich das mit der im Vergleich zu Säugetieren höheren Kerntemperatur der Vögel. Dadurch sei der Temperaturunterschied zur Umgebungsluft größer und den Vögeln reicht ein kürzeres Gähnen, um den notwendigen Kühleffekt zu erzielen.

Nacktmulle sind die Ausnahme von der Regel

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Nacktmulle widersprechen der anerkannten Theorie.

Als Ausreißer nannte Hartlieb die Nacktmulle, die eigentlich recht kleine Gehirne haben, aber ähnlich lange wie etwa ein Jaguar gähnen. Ein Grund dafür könnte sein, dass Nacktmulle - als einziges Säugetier - wechselwarm sind, sagte Hartlieb, die die Studie im Zuge ihrer Masterarbeit durchgeführt hat.

Schon die gemeinsamen Vorfahren gähnten

Die wichtige neurophysiologische Funktion des Gähnens scheint den Forschern zufolge jedenfalls "über eine Vielzahl von Tieren hinweg konserviert zu sein, so dass ihr evolutionärer Ursprung zumindest bis zum gemeinsamen Vorfahren von Vögeln und Säugetieren und möglicherweise sogar noch weiter zurückverfolgt werden kann".

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