Schurlis letzte Reise

Zwei Weltkriege überlebt: Schurli starb im Alter von 130 Jahren. 
Schönbrunns Seniorenklub hat sein ältestes Mitglied verloren. Schildkröte Schurli ist mit 130 Jahren gestorben. Der dritte Fall in einer traurigen Todesserie.

Das vergangene Jahr war auch für Vierbeiner herausfordernd. Riesenschildkröte Schurli alterte in den letzten elf Monaten gleich um zehn Jahre. Als der KURIER das rüstige Reptil im August 2020 besuchte, galt es mit 120 Jahren als ältestes Tier im Zoo. Aber was sind schon ein paar Jahre auf oder ab. Als Schurli vergangenen Sonntag sein Gehege für immer verließ, stellte Zoologe Anton Weissenbacher fest: Der Senior aus den Seychellen war ihn Wahrheit wohl schon um die 130, man hatte ihn jahrelang jünger gemacht.

Schurlis letzte Reise

Schurli und der KURIER, Im Sommer 2020

Schurli lebte seit 1953 in Schönbrunn, Generationen von Besuchern und Pflegern kannten und schätzten das gemächliche Kriechtier, einst Patentier des früheren Wiener Bürgermeisters Michael Häupl und trotz seines grantigen Gesichtsausdrucks ein beliebtes Fotomodel. Man wusste aus Studien, dass es sich bei Schurli um ein schlaues Tier handelte. Was man nicht wusste, war die genaue Geschichte der Narbe, die seinen Panzer prägte. Möglicherweise handelte es sich dabei um eine Kriegsverletzung aus dem Zweiten Weltkrieg. Kein Zeitzeuge konnte die genauen Umstände mehr beschreiben, doch es muss sehr wehgetan haben.

Eine Schildkröte spürt, wenn man ihr bloß die Hand auf den Panzer legt. Viele Hände haben sich im Lauf der Zeit auf diesen Panzer gelegt. Schurlis strenge Miene ließ nicht erahnen, wie sehr er die Streicheleinheiten mochte. Wenn man ihm über den Hals strich, reckte er diesen und man vermeinte, ein Lächeln in seinem faltigen Gesicht zu erkennen. Gar nicht mochte Schurli, wenn man ihm auf den Panzer klopfte. Ein alter Grantler war er, sagte seine Pflegerin. Anders sein sanfter Revierkollege Menschik, der, nur unwesentlich jünger, nun als ältestes Tier im Zoo gilt.

Schurlis letzte Reise

Elefanten-Mädchen Kibali starb mit nichteinmal zwei Jahren an Herzversagen.

Ob der Tod mit 130 unerwartet sein kann? Die älteste Riesenschildkröte der Welt wurde 170. Dennoch, eine vergleichsweise echte, böse Überraschung war der tragische Tod des Elefanten-Mädchens Kibali vergangenen Freitag. Das nicht einmal zwei Jahre alte Tier starb an Herzversagen. Ohne, dass es zuvor andere Symptome als Mattigkeit gezeigt hatte. Trotzdem stand das Tier unter Beobachtung. Am Freitag kippte Kibali vor den Augen von Pflegern und Tierärzten um und war sofort tot. Die pathologische Untersuchung ergab: Man hätte nichts mehr für sie tun können.

Schurlis letzte Reise

Giraffen-Bulle Kimbar: Gegessen hat er immer gerne

Der Tiergarten erlebt schwierige Monate. Erst im Mai musste Kimbar, der älteste Giraffenbulle Europas, mit fast 28 Jahren eingeschläfert werden. Kimbar hatte zuletzt unter starken Gelenksschmerzen gelitten. Im Alter waren die Knochen heikel geworden, hatten keine großen Sprünge mehr erlaubt. Auf das Abschiednehmen hatte man sich längst vorbereitet. Und doch: mit seinen großen Augen und den langen Wimpern bezauberte Kimbar auch noch, als die Falten in seinem kleinen, grauen Gesicht Furchen geworden waren. Gutmütig und sanft sei er immer gewesen, berichtete Kimbars Pflegerin, im Alter sei er noch ruhiger geworden. Die Lust am Essen aber, die war geblieben. Auch, wenn er keine Zähne mehr hatte und die Fütterung eine feuchte Angelegenheit geworden war. Apropos feucht: Kimbar schleckte seinem Gegenüber gerne zärtlich über das Gesicht.

Was mit ihren sterblichen Überresten passiert, ist noch nicht entschieden. Fest steht: Man wird Kimbar, Kibali und Schurli vermissen. Sie lassen Reviergefährten, aber auch Pflegerinnen und Pfleger zurück. Sie hatten sich, so gut sie konnten, auf den Abschied vorbereitet. Er kam dann doch sehr plötzlich.

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