Psychologin Stetina: „Computerspiele sind ein Rückzugsraum“

Psychologin Stetina: „Computerspiele sind ein Rückzugsraum“
In Corona-Zeiten sind Kinder Jugendliche fast ständig online. Das muss nicht immer schlimm sein. Doch Vorsicht ist geboten.

Die Ferien sind jetzt vorbei und die Schüler wieder im Fernunterricht. Noch nie haben Österreichs Jugendliche so viel Zeit vor dem Bildschirm verbracht wie in der Corona-Krise. 3,5 Stunden waren es sonst, aber jetzt sitzen viele den ganzen Tag vor dem Bildschirm – vormittags zum Lernen, nachmittags zum Spielen. Für Psychologin Birgit Stetina ist das noch kein Grund zur Beunruhigung: „Derzeit fallen viele soziale und sportliche Aktivitäten aus und die Computerspiele sind ihr Rückzugsraum. Manche Erwachsenen glauben, dass die Spieler da total isoliert sind, aber das stimmt nicht: Bei den meisten Spielen wird online kommuniziert, mit den eigenen Freunden oder anderen Spielern.“

Digitale Welten

Stetina forscht an der Sigmund-Freud-Privatuniversität zum Thema Computerspiele und hat jetzt für A1 die Eltern-Broschüre „Digitale Welten. Wenn Spaß zur Abhängigkeit wird“ verfasst. „Von Sucht sprechen wir nur bei einer niedrigen, einstelligen Zahl von Menschen. Darum geht es erst, wenn zum Beispiel andere Aktivitäten darunter leiden.“ Deshalb sei es wichtig, dass Eltern dafür sorgen, dass man zumindest gemeinsam isst und auch manchmal etwas unternimmt.“

Flucht aus der Realität

Warnzeichen für Eltern gibt es: „Zum Problem wird es, wenn ein Kind oder ein Jugendlicher durch das Spiel aus der Realität flieht.“ Oder wenn Kinder aggressiv werden, weil sie nicht mehr spielen dürfen (siehe Infobox unten).

Sie unterscheidet Arten von Computerspielen: „Derzeit gibt es einen Trend zu Horrorspielen, bei denen man so wie bei Filmen ein angenehmes Gruseln erlebt. Auch Rollenspiele wie World of Warcraft haben wieder mehr Zulauf: Dabei schlüpft man in eine Figur und es geht mehr um die Geschichte.“ Dazu kommen noch Shooter-Spiele mit Namen wie Battlefield und Simulationen.

Kampfspiele

Die Kampfspiele sehen auf den ersten Blick dramatisch aus: „Bei Spielen wie Fortnite steht die Tötung nicht im Vordergrund und man sieht sie auch nicht genau. Es geht mehr darum, mit einem Team eine Strategie zurechtzulegen und schnell zu reagieren. Bei anderen Spielen sieht man genauer, wie die Figuren sterben – das ist ein Grund für die Altersangaben von Spielen.“

Es gebe Spiele, die öfter mit Online-Sucht in Verbindung stehen wie Massen-Online-Rollenspiele (MMORPG), beobachtet sie, „aber es ist nicht eindeutig, ob sich gefährdete Personen diese Spiele eher aussuchen oder ob diese Spiele ein höheres Suchtpotenzial haben.“

Psychologin Stetina: „Computerspiele sind ein Rückzugsraum“

Psychologin Stetina

Umgang lernen

Wichtig sei es daher, den Kindern schon früh einen bewussten Umgang mit Computer oder Handy beizubringen: „Ich bin kein Fan von Screentime, also der erlaubten Bildschirmzeit. Es kommt darauf an, was Kinder mit dieser Zeit machen. Und wenn sie bei Spielen im Team arbeiten und sogar die anderen anleiten, ist das ein Lerneffekt. Auch die Zeit auf YouTube muss nicht sinnlos sein. Es gibt eine Menge positiver Dinge im Netz – aber das muss man lernen“, so Stetina.

Früh übt sich

Auch A1-Chef Thomas Arnoldner betont, dass man Kindern den Umgang mit der digitalen Welt beibringen sollte. „Es muss nicht jedes Kind zum Programmierer werden, aber bei unseren Workshops lernen Kinder, wie Computer und Programme grundsätzlich funktionieren und aufgebaut sind. Solche digitalen Kompetenzen müssen Lehrer, Eltern und andere den Kindern gemeinsam vermitteln, so wie Rechnen und gute Manieren.“

Bei seinen beiden kleinen Kindern achtet Arnoldner darauf, welche Apps sie nutzen, und wählt gemeinsame Spiele aus. „Als ich jung war, habe ich viel am Computer gespielt – und es hat mir nicht geschadet.“

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