Es herrscht Ruhe, nur ab und zu stört ein vorbeifahrendes Auto die perfekte Idylle des pittoresken Schlösschens inmitten von viel Landschaft. Und doch wurde in dem verschlafenen Wienerwald-Örtchen Geschichte geschrieben, Weltgeschichte. Gestern, genau vor 132 Jahren, gingen hier der Kronprinz und seine Geliebte in den Tod, der Skandal erschütterte Österreich, damals eine Großmacht. Die Umstände beschäftigen heute noch Historiker und die Fantasie.
Die Erinnerung an dieses Ereignis liegt in Frauenhänden und diese Behüterinnen sind Ruhe und Stille nicht nur gewohnt, sie suchen sie sogar. Dass ausgerechnet Nonnen des Karmelitinnen-Ordens von Mayerling einen der bekanntesten Ausflugsorte Niederösterreichs mit jährlich 30.000 Besuchern betreuen, ist aber nur scheinbar ein Widerspruch. Und hat eine lange Geschichte.
Beten für den Kronprinz
Elf Schwestern leben derzeit im Karmel Mayerling. Karmel, das ist ein Berg im heutigen Israel, der schon in der Bibel eine Rolle spielte. Im 12. Jahrhundert ließen sich auf diesem Berg Eremiten nieder, daraus entstand der Orden der Karmeliter. Die „Unbeschuhten Schwestern des Ordens der Allerseligsten Jungfrau Maria vom Berge Karmel“ hatten das Jagdschloss von Kaiser Franz Joseph I. unmittelbar nach dem Tod seines Sohnes als Stiftung erhalten – mit der Auflage, für das Seelenheil Rudolfs zu beten.
Kein großes Problem, denn Beten bestimmt das Leben der Schwestern. Um sechs Uhr früh wird damit der Tag begonnen und bis zum Abend wechselt es sich mit Arbeit ab. „Wir beten aber natürlich nicht nur für Rudolf. Lediglich am 30. Jänner und am Todestag von Kaiser Franz Joseph werden speziell für sie Messen gefeiert.“ Wenn sie nicht beten, schweigen die Karmelitinnen meistens. „Wir sprechen nur, wenn es unbedingt notwendig ist, weil wir mit dem Herrn in Verbindung stehen wollen“, wird betont. Vorbild ist, „in großer Einsamkeit und in Zurückgezogenheit von der Welt dem Wort Gottes zu lauschen“.
Einfaches Leben
Und so leben die elf Schwestern in Mayerling in ihrer Welt, hören kein Radio, schauen nicht fern und abgesehen von wenigen (religiösen) Publikationen lesen sie auch keine Zeitungen. „Wir leben sehr einfach, hier ist ein Raum, der für Gott reserviert ist, der Trubel soll draußen bleiben“, sagt eine Schwester. Die Karmelitinnen dürfen den Konvent nur für Arztbesuche und für unumgängliche Behördenwege verlassen.
Das Jagdschloss
Rudolf kauft 1886 das Anwesen in Mayerling und baut es zum Jagdschloss um, zur Einweihungsfeier 1887 kommen auch Kaiser Franz Joseph I. und Kaiserin Elisabeth
30. 1.1889
Frühmorgens lässt Rudolf noch die Pferde einspannen, wenig später hört man zwei Schüsse, Rudolf und Mary werden tot gefunden
Kloster
1889 wird das Jagdschloss zu einem Kloster für die unbeschuhten Karmelitinnen, die für das Seelenheil Rudolfs beten sollten. Der Umbau wurde so geplant, dass sich an der Stelle des Sterbebettes des Kronprinzen der Hochaltar der neu errichteten neogotischen Kirche befindet
Doch damit steht man vor einem Paradoxon: Einerseits will man in totaler Zurückgezogenheit leben, andererseits ist man auf die Öffentlichkeit angewiesen. Denn eine Auflage des Kaisers ist auch die Erhaltung des Klosters. Und das kostet Geld. „Wir stellten uns die Frage, wie wir die Gebäude erhalten können. Die Antwort war, indem wir sie vermarkten.“ 2014 wurde das neue Besucherzentrum eröffnet, das einen genauen Blick auf die Tragödie wirft. Die moderne und wissenschaftlich fundierte Schau, die hinter die Fassaden der Tragödie blicken lässt, wurde gut angenommen. Doch die Corona-Pandemie hatte auch hier massive Auswirkungen. Die Touristenströme blieben aus, „wir sind im Augenblick schon in einer schweren Situation“, so Priorin Maria Magdalena.
Durch die Präsentation der „kleinen, aber feinen Ausstellung“ müssen die Schwestern ihre Abgeschiedenheit aber nicht aufgeben. „Wir treten nicht in unmittelbaren Kontakt mit den Besuchern“, wird betont. Dafür gibt es Mitarbeiter, und während Touristengruppen durch die Ausstellungsräume ziehen, leben ihre „Gastgeberinnen“ nur wenige Meter entfernt in ihrer selbst gewählten Isolation. Die aber auch in der heutigen Zeit Gefallen findet. „Wir haben immer wieder Eintritte, es bleiben auch nicht alle, aber es muss etwas geben, das einen Anreiz darstellt. Auch für Jüngere, zwei unserer Schwestern sind 28 Jahre alt“, sagt Schwester Maria Regina. Vielleicht auch, weil der Bettelorden „radikal und authentisch ist, kein Mittelding“. Abseits des Trubels verfolgt man so weiter die Aufgabe, „aus dem Ort des Grauens einen Ort des Gebetes zu machen“.
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