Katharina Pommer ist Beraterin, Autorin, Podcasterin, Lebensgefährtin und fünffache Mutter. Ihr neues Buch "Stop Mom-Shaming" trägt den Untertitel "Miteinander statt gegeneinander. Wie sich Mütter besser gegen Besserwisserei, ungebetene Ratschläge und ungerechtfertigte Kritik zur Wehr setzen".
KURIER: Andere Frauen sind oft die schärfsten Kritiker von Müttern, heißt es. Was bedeutet eigentlich „Mom-Shaming“?
Es geht eigentlich um Mütter-Mobbing. Wann immer Mütter harsch kritisiert werden für alles, was sie tun. Ob sie arbeiten gehen oder nicht, wie sie mit ihren Kindern umgehen, wie sie ihr Leben gestalten. Dauernd hat jemand eine Meinung dazu.
Warum ist das schlimmer geworden als früher?
Gerade durch Influencer entsteht ein enormer gesellschaftlicher Druck auf Mütter. Den gab es noch vor zwanzig Jahren nicht. Da konnte man sich gerade mal der Nachbarin oder Freundin vergleichen. Jetzt vergleicht man uns und wir uns selbst mit allen Promis im Internet. Das macht es uns nicht einfacher, uns als Mamas in unserem Alltag wohlzufühlen. Dort passiert übrigens auch Mom-Shaming: Bei Herzogin Kate wurde wild kommentiert mit „Die kann nicht einmal ihr Baby richtig halten“.
Ganz normale Mütter inszenieren sich auf Facebook und Instagram als Super-Moms. Macht das nicht noch mehr Druck?
Das spiegelt die Erwartungshaltung der Gesellschaft an Mütter wider: Die kann alles perfekt unter einen Hut bringen, Mann, Kinder, Karriere, Haushalt. Damit konfrontiert stellen wir uns ständig die Frage: Bin ich gut genug? Mache ich es richtig, mache ich es falsch?
KURIER Family mit Katharina Pommer
Sie raten in Ihrem Buch den Frauen, sich selbstbewusst darzustellen? Wie setzt man sich gegen die – wie Sie sie nennen – „Mütter-Mafia“ durch?
Mir war es wichtig, das Selbstbewusstsein der Mütter wieder zu stärken. Dass man mit Freude sagen kann: Ich bin gerne Mama. Nicht perfekt, aber die perfekte Mama für meine Kinder. Ich bin in meinem Buch auch sehr offen. Wir müssen wieder darauf schauen, was wir selbst gut machen – und uns weniger vergleichen.
Alles wird zum Wettbewerb: Vor einem Jahr entstand etwa der Hashtag #unperfectmom, da haben alle gepostet, wie sie die allerchaotischste Mutter sind. Das ist übrigens wieder vorbei.
Das passiert ständig: Eine Mutter erzählt, was sie macht, zum Beispiel mit ihrem Job. Und die andere verfällt gleich in das Wettbewerbsmuster. Vielleicht kann man einfach darüber reden, warum eine sich so entschieden hat, wie es ihr geht damit – und die andere Position verstehen, statt sie als Wettkampf aufzugreifen. Auch mal die Perspektive zu wechseln ohne ihre Entscheidungen mit meinen zu messen. Wenn wir unsicher sind, vergleichen wir uns automatisch. Und wenn wir andere abwerten, glauben wir, dass wir dadurch unsere Entscheidungen rechtfertigen oder aufwerten. Wenn wir uns sicherer sind, müssen wir weniger konkurrieren.
Wo ist die Grenze, wo man doch etwas sagen soll? Und wie sagt man es, dass es kein Mom-Shaming ist? Als Beispiel: Eine Mutter schreit ihr Kind auf der Straße an oder behandelt es grob.
Nicht jede Mutter ist automatisch eine tolle Mutter. Manchmal muss man aus Zivilcourage eingreifen. Statt sie anzugehen, kann man sagen „Ich fühle mich unwohl, wenn ich das sehe“ oder einfach nur „Kann ich Sie unterstützen?“
Wie kann ich im Freundeskreis einer Mutter Feedback geben oder Hilfe anbieten, ohne sie zu beschämen?
Wichtig ist, dass ich klar vorausschicke, dass ich eine Freundin bin und auf ihrer Seite stehe. Und mir etwas aufgefallen ist. Entweder dass sie gestresst wirkt und ich sie entlasten möchte, indem ich ihr etwa mal die Kinder abnehme. Oder mir ist etwas Konkretes aufgefallen. Aber es ist heikel, es hat immer auch mit Anmaßung zu tun. Das ist aber ein riesiger Unterschied zu einem Kommentar wie „Bei dir ist aber ein Chaos!“
Was tut man als Mutter oder Vater, wenn wirklich etwas Drastisches schiefgeht – und das Kind etwa Drogen nimmt? Schämt man sich selbst?
Ich möchte ein Kompliment an alle Eltern aussprechen, die sagen: Das habe ich jetzt nicht gut gemacht. Denn das zeigt die Bereitschaft, es anders zu machen. Und mich auf mein Ziel zu konzentrieren: Wo will ich in der Beziehung zu meinem Kind hin? Wir müssen uns davon verabschieden, dass es einen standardisierten Weg des Richtig oder Falsch gibt. Jedes Kind braucht etwas anderes. Meine 20-Jährige Tochter braucht eine ganz andere Kommunikation als mein mittlerer Sohn oder meine Jüngste. Deswegen müssen wir auch etwas flexibler in unseren Beziehungen werden.
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