Der Gegenwind war groß, vor allem Mütter empörten sich über die Ausführungen der kinderlosen Autorin. Kinderlosigkeit polarisiert – und sie hat viele Gesichter. Seit Jahren sinkt die Geburtenrate in ganz Europa, in Österreich wurden 2019 um 583 Kinder weniger geboren als im Jahr zuvor. Dies sei laut Österreichischem Institut für Familienforschung vor allem auf den Rückgang der Mehrkindfamilien zurückzuführen. In Italien kamen 2019 so wenige Babys wie zuletzt während des Ersten Weltkriegs zur Welt – eine Tendenz, die sich durch die Covid-19-Pandemie wohl noch verstärken wird.
Eines eint Mütter und kinderfreie Frauen: Zu oft müssen sie sich für ihre Lebensentwürfe rechtfertigen. Zwei Frauen berichten, warum sie trotzdem nichts bereuen.
"Stehen erst am Anfang der Katastrophe"
Alexandra (28). Ihr Freund und sie sind sich einig: Kinder werden in ihrem gemeinsamen Leben kein Thema sein. "Ich hatte noch nie einen Kinderwunsch und kann mir aus jetziger Sicht nicht vorstellen, meine Meinung jemals zu ändern", sagt die Mittzwanzigerin. Dabei spielt vor allem ihr Wunsch nach unabhängiger Freizeitgestaltung – Reisen und Sporteln – eine Rolle. "Ich möchte viel von der Welt sehen und ungebunden sein. Mit einem Kind hätte ich das Gefühl, vieles zu verpassen."
Als studierte Biologin stimmt sie auch die ökologische Entwicklung auf dem Planeten nachdenklich. "Die Biodiversität sinkt in den meisten Regionen schneller als zuvor. Es sieht so aus, als wären wir erst am Anfang der Katastrophe und als würde global gesehen nicht schnell genug gehandelt, um sie zu vermeiden. Ich frage mich, ob man es wirklich jemandem antun möchte, mit diesen Auswirkungen leben zu müssen."
Verantwortung übernimmt sie trotzdem: In ihrem Beruf als Lehrerin kann sie wichtige Aspekte – etwa im Umgang mit der Umwelt – an die nächste Generation weitergeben. "Der Beruf hat mir aber auch gezeigt, dass mir die Arbeit mit Oberstufenschülern sehr viel mehr liegt als mit unter 14-Jährigen."
Als junge Frau in einer langjährigen Beziehung wird sie – im Gegensatz zu ihrem Freund – oft mit der Frage konfrontiert, wann denn Nachwuchs geplant sei. Zuspruch zu ihrem Lebensentwurf gebe es höchstens von Gleichaltrigen. "Dass man sich für seine Entscheidungen rechtfertigen muss, finde ich nervig. Ich würde mir wünschen, dass nicht gefragt wird, wann man Kinder bekommt – sondern ob."
"Meine Mutter war wohl ein bisschen traurig"
Annika (39). Mit zwölf überlegte sich die Wienerin, wie ihre künftigen Kinder heißen sollten. Die Jahre vergingen, aber der Kinderwunsch stellte sich nie ein – nicht einmal, als ihre Freundinnen der Reihe nach Mütter wurden ("eher im Gegenteil"). Ihrem Freund ging es ähnlich. "Ich habe am Anfang unserer Beziehung angesprochen, dass ich mir in puncto Kinder nicht sicher bin, weil ich Angst hätte, er würde etwas verpassen. Aber er sagte mir, es gehe ihm genauso. Er ist ein super Onkel."
Inzwischen wissen Familien und Freunde Bescheid. "Meine Mutter war wohl ein bisschen traurig, aber in der Familie meines Freundes gibt es viele Geschwister, die das Enkelmachen übernehmen", sagt die 39-Jährige. Angefeindet wurde sie für ihren Lebensentwurf noch nie, im Laufe der Jahre hätten aber viele versucht, sie von den Vorteilen der Mutterschaft zu überzeugen. "Es ist immer komisch zu hören, ich würde keine Kinder wollen, weil ich Angst hätte. Und es nervt, dass viele sagen, Kinder zu kriegen sei das Schönste auf der Welt und dass das Leben ohne Kinder keinen Sinn hat. Ich bin sehr zufrieden mit meinem Leben. Ich möchte es nicht komplett über den Haufen werfen, nur weil andere etwas toll finden."
Was sagt sie zu dem Argument, dass eine kinderlose Gesellschaft volkswirtschaftlich katastrophal wäre? "Damit hat mich noch niemand konfrontiert. Aber es gibt genug Frauen, die Kinder bekommen. In meinem Umfeld bin ich die Einzige, die nicht will."
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