freizeit-Kurzgeschichte: Winkler will was vom Leben

freizeit-Kurzgeschichte: Winkler will was vom Leben
Ein Hund, eine mysteriöse Frau auf dem Beifahrersitz und eine Überraschung am Ende: Vier freizeit-Kolumnisten wagen ein Experiment und schreiben hintereinander je ein Kapitel, entstanden ist eine lebendige, exklusive Fortsetzungsgeschichte – viel Spaß beim Lesen!

Der Radiowecker piepte panisch, als wäre er ein vom Diebstahl bedrohtes Luxusauto und kein buchgroßes Kasterl aus dem Tchibo-Sortiment. Winkler erwischte den falschen Knopf. Sofort kreischte der Lieblingsmoderator seiner Frau:  „Was für ein gigageiler mannomega Morgen, Life’s gooooood!“

War es nicht schon Strafe genug aufzuwachen, obwohl man gar keinen Grund dazu hatte? Musste man auch noch die prächtige Laune eines aufgekratzten Moderators ertragen? Ehe Winkler das Radio abstellen konnte, schoss Berti um die Ecke, der zu nichts zu gebrauchende Pomerianer, den er seiner Frau um das Geld eines gebrauchten Kleinwagens geschenkt hatte. Berti bellte, der Moderator gellte: „Hoop hoop, Morning-Motivation des Tages: Das Leben ist geil und auch du hast eine Leistung erbracht, sei stolz auf dich!“

Berti fletschte die Zähne, Winkler stand auf. Ja, es war eine Leistung, vom eigenen Hund gehasst zu werden.

Die Ruhe der Küche war nach dem Lärm des Schlafzimmers weniger erholsam als deprimierend. In der Abwasch stand das benutzte Frühstücksgeschirr. Seine Frau hatte tatsächlich mit ihm gefrühstückt, ehe sie auf „Mädelswochenende“ in die Therme gefahren war. Ein Mädelswochenende ohne Mädels, wie er seit gestern Abend wusste, mit dem jungen Filialleiter der Raiffeisenbank. Winkler wollte sich einreden, der Kerl war mit seinen bartlosen Wangen und vom Yoga geformten Körper selbst ein Mädel, doch der Scherz funktionierte nicht. Immerhin stand er gehörnt in der Küche eines Fertigteilhauses, hier, an diesem trostlosen Ort im Weinviertel, wo er von den Weißweinen Gastritis bekam, wohin er nur derjenigen Frau zuliebe gezogen war, die nun mit einem glatthäutigen Baby-Delfin im Warmwasser planschte. Und er, Winkler, 44 Jahre alt, seit Kurzem arbeitslos, hatte nicht einmal den Mut gehabt, in diese drei Stunden entfernte Therme zu fahren und sie zur Rede zu stellen.

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