Immer freitags, so gegen 9.30 Uhr, rollt ihr Essen für die kommenden sieben Tage an: Ein ihr vertrauter Mitarbeiter vom Roten Kreuz, angestellt oder Zivildiener, in jedem Fall mit einem Zustellauto unterwegs, sucht Parkplatz, schurlt zu ihrer Wohnung hinauf, läutet an ihrer Wohnungstür.
Rosalia Freyler öffnet, der Zusteller übergibt den Karton mit den fertigen Speisen für den Tiefkühler, dann schenkt er ihr noch ein Lächeln und für mehr als einen Moment seine Aufmerksamkeit.
„Ich bin zufrieden“, sagt Frau Freyler. Sie wird heuer 89 Jahre alt. Die sieht man ihr nicht an. Nach einem Sturz ist jedoch ihre Hüfte so lädiert, dass sie sich nur mehr mit dem Rollator sicher fühlt. „Ich kann mich Gott sei Dank noch in der Wohnung gut bewegen, aber längere Zeit am Herd stehen und kochen, das geht leider nicht mehr.“
Seit drei Jahren schon nimmt sie das in Österreich weitverbreitete Angebot „Essen auf Rädern“ in Anspruch.
Sehr viele Pappteller
Man kennt diese Form der Gemeinschaftsverpflegung gemeinhin. Doch selbst jene, die beliefert werden, wissen wenig über die ausgeklügelte Logistik, die dahinter steckt.
Wir fahren früh am Tag im Norden von Wien der Nase nach. „Essen auf Rädern“ riecht man schon, bevor in den Wirtshäusern der Stadt zu kochen begonnen wird. In einem kleinen Gewerbepark abseits der Brünner Straße werden wir nett empfangen.
Die Menü-Manufaktur ist am Eingang zu lesen. Exakt 69 Mitarbeiter sind in den drei schmucklosen Hallen tätig – von Montag bis Freitag, jeweils von 5 bis 14 Uhr. Für das Wiener Rote Kreuz kochen sie 120 Hauptspeisen, zwanzig Suppen und ebenso viele Nachspeisen.
Am Beispiel Tafelspitz ist schön zu beobachten, wie die Bezeichnung Manufaktur in der Praxis zu verstehen ist: Sehr viele Pappteller werden auf dem Fließband händisch mit Gemüse, Kartoffeln, Fleisch und Sauce versehen. Sonst erinnert das Erstellen von Manufaktur-Menüs eher an eine bis ins Detail durchgestylte industrielle Fertigung.
Gekocht wird mit dem Dampf einer benachbarten Wäscherei, wodurch Wiens Klima weniger belastet wird. Auffallend sind die vielen Waagen entlang der genau geplanten Produktionskette. „Sie sind wichtig“, erläutert die Vertriebsleiterin Christina Kejik-Hopp. „Vor allem für unsere älteren Kunden darf es nicht zu viel, aber auch nicht zu wenig sein.“ Ein Kollege von ihr zeigt anschaulich, wie er das richtige Maß findet. Er arbeitet sich gerade an 500 Portionen Gemüselasagne ab. Auch wenn der Mann knapp vor der Pensionierung steht, den Job also nicht erst seit gestern ausübt, greift auch er gerne auf die Rechenleistung der Computer zurück. Fett, Salz, Zucker, Gewürze, Broteinheiten pro Portion – alles im grünen Bereich!
Grundsätzlich bietet die „Menü-Manufaktur“ Cook & Chill (wird frisch ausgeliefert und ist sodann mindestens 72 Stunden im Kühlschrank haltbar) sowie Cook & Freeze (wird sofort gefroren und kann dann zwölf Monate im Tiefkühler gelagert werden). Sieben von zehn Portionen werden tiefgekühlt geliefert.
„Essen auf Rädern“ wird zunehmend ein Faktor in der Ernährung der Österreicher, weiß Christina Kejik-Hopp. „Zwar hatten wir nach dem ersten Lockdown deutliche Einbußen durch das Sperren der Kindergärten verzeichnet, dafür haben wir neue Kunden im Homeoffice auf uns aufmerksam machen können.“
Auch vom Roten Kreuz wurden mehr Menüs ausgeliefert. Ein Fahrer erinnert sich, dass er nach den beiden Lockdowns länger unterwegs war. Rosalia Freyler störte das nicht: „Ich war eh zu Hause.“
Essen auf Rädern: Dieses spezielle Service wird in Österreich von verschiedenen Hilfsorganisationen angeboten, in Wien etwa vom Roten Kreuz und vom Arbeitersamariterbund
Essen im Aufschwung: Der Markt für Unternehmen, die in der Gemeinschaftsverpflegung tätig sind, ist ein wachsender. Gründe dafür: die höhere Lebenserwartung, der ebenso gestiegene Wohlstand sowie neue Beschäftigungsformen
Essen im Homeoffice: Der Trend zum Homeoffice, ausgelöst durch die Pandemie, wirft nicht nur arbeitsrechtliche Fragen auf. Er könnte auch neue Formen der Betriebsverpflegung erforderlich machen. Findige Firmen werden ihre Mitarbeiter künftig nicht nur in der Kantine zu Mittag verköstigen
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