"Das Verhältnis zu Juden ist immer noch nicht unbeschwert"

"Das Verhältnis zu Juden ist immer noch nicht unbeschwert"
Die Jüdin und Journalistin Alexia Weiss hat ein Buch über jüdisches Leben in Österreich geschrieben.

Über Antisemitismus wird in diesen Tagen viel gesprochen: So wurde vor Kurzem ein Bericht der Bundesregierung vorgestellt; und auf Corona-Demos werden wieder Geschichten von der angeblich jüdischen Weltverschwörung bemüht.

Für die Journalistin und Jüdin Alexia Weiss reicht das Gedenken und Thematisieren nicht aus: „Im Verhältnis von Juden und Nichtjuden geht es nicht nur ums Gedenken. Es geht um viel mehr, nämlich darum, dass es noch immer kein normales Zusammenleben gibt, weil die Beziehungen eben sehr ambivalent sind.“ Um dieses Verhältnis differenzierter zu betrachten und um jüdisches Leben in Österreich Nichtjuden näherzubringen, hat sie jetzt ein Buch geschrieben. Titel: „Jude ist kein Schimpfwort.“

Angst, etwas Falsches zu sagen

Den Titel hat sie mit Bedacht gewählt, drückt er doch die Unsicherheit aus, mit der viele in Österreich Juden begegnen. „Viele denken beim Wort Jude sofort an Saujude und wollen es daher nicht in den Mund nehmen.“ Die Sorge ist groß, etwas Falsches zu sagen oder zu machen.

Weiss kann die Unsicherheit im Umgang mit Juden nachvollziehen, die natürlich historische Gründe hat. „Prinzipiell finde ich es ja positiv, wenn Menschen etwas richtig machen wollen. Die übertriebene Vorsicht mancher zeigt eben, dass das Verhältnis noch nicht unbeschwert ist. Juden wollen aber ein normaler Bestandteil der Gesellschaft sein, die eben nur eine andere Religion haben.“

Nicht unbeschwert

Doch Unbeschwertheit gibt es eben nicht – da war der Holocaust eine zu große Zäsur. Die Unsicherheit ist bei vielen dann besonders groß, wenn Juden religiös leben und auch äußerlich als Juden sichtbar sind.

Begegnungen zu vermeiden, sei aber nicht die Lösung, so Weiss: „Gehen Sie offen aufeinander zu. Wenn ich als Jüdin eine muslimische Familie begleite, frage ich zum Beispiel interessiert über Rituale, Essen oder Gewohnheiten. Da ist jede Frage erlaubt und keine zu blöd.“

Rechte Rülpser

"Das Verhältnis zu Juden ist immer noch nicht unbeschwert"

Ambivalent sei das Verhältnis zwischen Juden und Nichtjuden auch in der Politik, wie Weiss feststellt: „Erinnern wir uns etwa an die rechten Rülpser aus der FPÖ unter der blau-türkisen Koalition. Gleichzeitig haben sich Sebastian Kurz und Heinz Christian Strache damals immer wieder laut gegen Antisemitismus ausgesprochen.“

Die jetzige Regierung bemühe sich zwar, Antisemitismus entgegenzuwirken: „In Gedenkreden wird dann aber ständig von jüdischen Mitbürgern gesprochen. Doch niemand wird gleichzeitig von österreichischen oder christlichen Mitbürgern reden. Das ist zwar gut gemeint, grenzt aber aus“, gibt sie zu bedenken.

Antisemitische Attacken erlebt Weiss persönlich übrigens derzeit nur von rechts: „Das hat wohl damit zu tun, dass ich meist im Netz angegriffen werde – auf der Straße erkennt niemand, dass ich Jüdin bin.“ Anders erleben das Menschen, die auch äußerlich als Juden zu erkennen sind: „Da berichten Betroffene, dass sie auch körperliche Attacken erlebt haben.“ Die gab es sowohl von Rechten als auch von Muslimen.

Buchtipp: Alexia Weiss: „Jude ist kein Schimpfwort“
ist im Verlag  Kremayr & Scheriau erschienen   
Preis: 22 Euro 

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