Darum zeigen sich Politiker mit nacktem Oberkörper beim Impfen

Darum zeigen sich Politiker mit nacktem Oberkörper beim Impfen
Die überraschenden Folgen der geteilten Impf-Fotos sorgen für gemischte Meinungen in den sozialen Medien. Ein Männerforscher erklärt den Hintergrund.

Der Trend Impf-Fotos ins Netz zu stellen, hat längst die Covid-Impfungen erreicht – das dürften mittlerweile auch Politiker bis zu Ministern erkannt haben. Was allerdings überrascht: Viele – männliche – Politiker lassen sich mit nacktem Oberkörper während der Impfung ablichten und posten diese Fotos in den sozialen Medien.

Gestählter Oberkörper

Unnötig zu erwähnen: Es  handelt sich dabei vorrangig um eher jüngere Volksvertreter mit durchtrainierten Oberkörpern und muskulösen Armen. Als erster fiel der griechische Premierminister Kyriakos Mitsotakis, 52, Mitte Jänner damit auf. Er postete seine behaarte Brust beim Impfen auf Instagram, das Posting wurde aber bald gelöscht.

Dann tauchte ein Bild des britischen Tory-Abgeordneten Brendan Clark-Smith auf. Und auch der französische Gesundheitsminister Olivier Véran ließ ein Bild für sich sprechen. Nur das Wort „Vacciné“ begleitete das Foto.

Ebenso veröffentlichten weitere britische Politiker Bilder mit viel Haut, aber mit Mundschutz. Etwa Johnny Mercer.

Der Versuchung erlegen

Warum können sie der Versuchung, zu posen, eigentlich nicht widerstehen?  Die treuherzige Antwort des britischen Johnny Mercer auf die Frage, warum er nicht einfach nur seinen Hemdsärmel aufgerollt habe, entlockt einem als Beobachterin fast schon ein Schmunzeln. Er habe den Ärmel nicht über die Muskeln seines Oberarms hochrollen können.

Der deutsche Männerforscher (Institut für kritische Männerforschung in Leipzig) sieht darin auf KURIER-Anfrage vor allem männliche Machtdemonstration und Inszenierung. "Gegen einen unsichtbaren Feind, dem es völlig egal ist, wie Menschen aussehen oder welches Geschlecht sie haben, wirkt die Inszenierung von gestählter, durchtrainierter Männlichkeit doppelt irrsinnig."

Er führt im Zusammenhang mit den Impf-Selfies auch das  männliche Privileg,"überall seinen Oberkörper entblößen zu dürfen", an. Frauen, Inter- oder Trans-Personen sei das nicht vergönnt. "Es ist also immer auch eine Machtdemonstration, die wir oft als rücksichtslos und reaktionär wahrnehmen."

Angst als Motiv

Handelt es sich hier um eine neue Spielart von männlicher Selbstdarstellung? Männer-Kenner Christoph May sieht darin eine Folge der Pandemie. "Die emotionale Sprachlosigkeit von Männern ist legendär und die Pandemie führt uns dieses Versagen jeden Tag deutlich vor Augen. Jetzt sogar sprichwörtlich in Form von hypermaskulinen Impf-Selfies."

Die Demonstration von Muskeln weise hinter den Bildern eigentlich auf das Gegenteil hin. "Je offensiver die männliche Abwehr, desto größer die Angst, die ihr zugrunde liegt. Je mehr Muskeln also angespannt und je mehr Sixpacks entblößt werden, umso deutlicher zeigen Männer, dass sie Angst haben. Vor dem Stich, vor der Krankheit, Versagensängste und vieles mehr."

May glaubt, dass derzeit ganz andere Botschaften gefragt wären - und nennt Joe Biden als Positivbeispiel: "Was wirklich zählt, sind Mitgefühl, Trost und Anteilnahme. Joe Biden zum Beispiel gelingt das sehr gut in seinen Ansprachen aktuell."

Es geht auch ohne

Die Selfie-Fans unter den Politikern könnten sich vielleicht ein Beispiel an US-Präsident Joe Biden nehmen. Der ist zwar 78 Jahre alt und  trug ein kurzärmeliges T-Shirt, als er gegen Covid geimpft wurde. Oder am kroatischen Finanzminister Zdravko Marić, dessen Impf-Selfie ebenfalls viral ging. Bekleidet allerdings.

 

 

 

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