Staycation
Aus der Freizeitforschung weiß man, dass sich Menschen dann gut erholen, wenn sie etwas Neues lernen oder etwas erreichen, das sie sich lange vorgenommen haben. Das kann das lang aufgeschobene Brunch-Date mit der Freundin sein oder die überfällige Entrümpelung des Kellers. Mehrstündige Flüge in der Hochsaison, Packstress und Aufstehen mitten in der Nacht können hingegen zu noch mehr Stress führen. Zwar kommt es vor Reiseantritt zu einer Dopamin-Ausschüttung im Gehirn, Forscher konnten jedoch nachweisen, dass der Glücksrausch beim Ankommen augenblicklich nachlässt.
Von seinem altbackenen Siebzigerjahre-Image hat sich der Begriff „Balkonien“ ohnehin schon lange befreit: Dank wachsendem Ökobewusstsein und neuer Häuslichkeit der Millennials avancierte die „Staycation“ (vom englischen stay und vacation) zum Instagram-Trend mit vier Millionen Foto-Beiträgen. Hippe Interior-Shops führen eigene Kategorien mit Staycation-Accessoires von der Lichterkette bis zum aufblasbaren Pool-Einhorn.
Gut organisiert, könne die freie Zeit zu Hause mitunter entspannender sein als auswärts, sagt Zellmann. „Erholung erreicht man am besten, wenn man den Urlaub daheim so plant wie im Hotel – man sollte sich einen Tages- oder Wochenplan machen, Reservierungen vornehmen und das Freizeit- und Kulturangebot der eigenen Region so nützen wie an einem fremden Ort.“ Dazu zählt, sich als Gast in der eigenen Stadt zu fühlen, eventuell die Tourismusinformation aufzusuchen. „Bewusstes Abschalten ist das Um und Auf.“
Wer die Staycation nicht als Urlaub angeht, laufe Gefahr, in den Alltag zu verfallen. „Es darf auf keinen Fall so sein, dass alle Urlaub haben und eine Person – meist ist es die Mutter – mehr Arbeit hat als zuvor.“ Dafür braucht es Selbstdisziplin: Wäsche waschen, putzen und andere Haushaltsarbeiten müssen vor dem Heimurlaub erledigt und währenddessen ausgeblendet werden. „So, wie man im Hotel nicht wäscht, kocht, putzt und bügelt, darf man das dann auch zu Hause nicht machen.“
Generell gehe der Trend zu mehreren kurzen Urlauben statt zu einem langen. „Wir wechseln unsere Identität von Urlaub zu Urlaub, weil jeder ein anderes Thema und andere Erwartungen hat.“ Wer langfristig entspannen möchte, sollte in seinen Alltag immer wieder kleine „Staycations“ einbauen, sind Freizeitforscher einig. Zum Üben eignet sich dieser Sommer besonders gut.
Kommentare