König Klaus

König Klaus
Der große Brandauer wird lächerliche 70. Lang soll er leben!

Meine erste bewusste Erinnerung an den Schauspieler Klaus Maria Brandauer geht zurück ins Jahr 1983. (Vorher kannte ich nur seinen Namen, er galt bei uns Schülern als Synonym für selbstverliebte Eitelkeit. Wir hatten damals einen besonders arroganten, von sich eingenommenen Mitschüler namens Rainer, der sich noch dazu für einen Schauspieler hielt. Wir nannten ihn nur Rainer-Maria, und er genoss das sogar.)

Also 1983. Bond-Fan war ich damals wie heute. Und ich war ganz aufgeregt: Sean Connery erklärte sich bereit, sich für den Gegen-Bond „Sag niemals nie“ nach 13 Jahren Pause noch einmal in den Smoking des Agenten 007 füllen zu lassen. Und seinen Gegner im Film spielte – Klaus Maria Brandauer. Seine Figur war der Atombomben-Räuber und Welt-Erpresser Largo, eine reichlich schlichte Rolle, aber er spielte diesen 08/15-Bösling derart atemberaubend, dass man Sean Connery in dem Film gar nicht mehr sah, sondern nur noch Brandauer. Connery dürfte das sogar recht gewesen sein, denn er wirkte höchst unglücklich unter seinem Toupet.

Die beste Szene im Film war folgende: Largo soll seine Geliebte (dargestellt von Kim Basinger), die sich innerlich bereits von ihm abgewandt hat, sich dieses aber nicht anmerken lassen darf, in einem Tanzsaal leidenschaftlich küssen. Brandauer springt Basinger an wie ein Raubtier, beißt und saugt an ihrem Mund herum, und als er sich wieder von ihr löst, zieht sich ein langer Speichelfaden von seinem Mund zu ihrem Gesicht. Keine Ahnung, ob die das so wollten oder ob das passiert ist beim Dreh – jedenfalls hatte man sowas im Mainstream-Kino bis dato noch nicht gesehen.

Kurz darauf sah ich Brandauer auf der Bühne des Burgtheaters. Er spielte wie ein König, und am Ende nahm er den Jubel des Publikums wie ein König hin: Er verbeugte sich nicht, sondern grüßte nur mit der rechten Hand Richtung Rang und neigte fast unmerklich den Kopf. Ich war für ein paar Sekunden empört über soviel Anmaßung, dann fiel die Empörung von mir ab und ich dachte: Der darf das. Der muss das sogar – alles andere wäre Heuchelei. Er ist der Beste und er weiß das, warum soll er so tun, als wisse er es nicht? Obwohl er natürlich sogar das spielen könnte.

Die großen Rollen von Brandauer kennt ohnehin jeder: Er spielte in Erfolgsfilmen wie „Jenseits von Afrika“ und „Das Russland-Haus“ und natürlich in „Mephisto“ und „Oberst Redl“. 1975 spielte er sogar in „Derrick“ mit. Auf dem Theater hat er ohnehin alles gespielt, „Hamlet“, „Cyrano“, „Nathan“, auch den „Jedermann“. Seit Jahren macht er sich rar, spielt nur noch in der Regie seines künstlerischen Partners, Peter Stein. Gemeinsam entwickelten sie viel beachtete, „texttreue“ Inszenierungen von „Wallenstein“, „Der Zerbrochne Krug“ oder „Ödipus auf Kolonos“ .

In einem KURIER-Interview beschrieb der Meisterregisseur Stein das Genie Brandauer so: „Er hat eine völlig undiskutierbare Fähigkeit, sich Texte anzueignen, komplizierte, klassische Texte so zu sprechen, als würde er sie selber im Augenblick erfinden. Aber gelegentlich hat er sie nicht so genau verstanden, weil er sie so schnell wie möglich umsetzen möchte, und da ist es meine Rolle, ihn zu korrigieren. Aber 50 Prozent dessen, was er auf der Bühne tut, gehören nur ihm.“ Manchmal, so Stein ironisch, sei man als Regisseur fast verwirrt – weil Brandauer die Texte so spreche, „als hätte er sie gerade im Badezimmer erfunden“.

Burgtheater-Direktor Matthias Hartmann gelang es, Brandauer zurück an die Burg zu locken. Kommende Saison spielt er die Traumrolle des „König Lear“ – wenig überraschend in der Regie Peter Steins. Hartmann beschreibt Brandauers Schauspielkunst so: „Er schafft Verständnis für einen schlechten Charakter. Mit ihm gehst du in einen Oberst Redl hinein oder in einen Mephisto – und spürst die Ausweglosigkeit der Situation. Der hat sogar diesen James-Bond-Bösewicht glaubwürdig gemacht, in diesem Tanzsaal mit Kim Basinger. Er bringt mir böse Menschen nah. Ich würde ihn gerne einmal fragen, ob er diese Figuren liebt.“

Hartmann lernte Brandauer auf einer Premierenfeier im Residenztheater kennen: „Ich war ein Anfänger. Und er war nicht nett zu mir. Ich konnte ihm auch nichts entgegen setzen. Warum er so wütend war? Keine Ahnung. Als wir uns später wieder getroffen haben, auf seiner Dachterrasse hier in Wien, da habe ich eine andere Seite von ihm kennen gelernt. Eine unbeschreibliche Empathie – freundlich, zugewandt und hoch intelligent.“

Wie schätzt Hartmann Brandauers Bedeutung ein? „Er ist schon ein Großer. Ein ganz Großer. Er ist bestimmt nicht leicht, das sind die Großen alle nicht. Und die ganz Großen sind noch weniger leicht. Er verdient es, dass man ihn respektiert.“

Heute wird Klaus Marias Brandauer lächerliche 70. Seine Fähigkeit, aus reiner Luft Menschen zu erschaffen, ist ungebrochen. Wir werden noch viel von ihm sehen, an das es sich zu erinnern gilt.

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