Gute-Nacht-Geschichte

Gute-Nacht-Geschichte
Als Model ist man manchmal gezwungen, das Zimmer mit anderen Models zu teilen. Eine Schäfchenstunde der anderen Art.

Modelapartments sehen nie so hübsch aus wie die bei Heidi Klums „Germany’s Next Top-Model“. Nur die dicke Luft zwischen den Mädchen, die aus unterschiedlichsten Kulturen dort zu einer Zwangs-Gemeinschaft zusammengewürfelt werden, ist realitätsnah. Glauben Sie mir, ich vermisse absolut nichts aus meinen Anfangszeiten, in denen ich mit sieben Nachwuchs-Models zwischen 14 und 18 in ein kleines, abgewohntes Apartment gepfercht wurde. Weder den Zickenkrieg, noch das schmutzige Geschirr oder anderes originelles Verhalten. So ein Modelapartment ist wie ein Teenie-Dschungelcamp – inklusive der Kakerlaken. Als ich unlängst auf der Weiterreise nach New York für nur eine Nacht in Paris Halt machte, musste ich nach langer Zeit wieder in das Biotop „Modelapartment“ eintauchen.
Ausgesprochen stürmisch wurde ich von einem langbeinigen, schwarzhaarigen Mädchen mit ausdrucksstarken Augenbrauen und temperamentvollem Blick empfangen. „Hi! My name is Iéda!“ „Yedda?“, fragte ich vorsichtig nach. „You’re the first one to get my name right.“ Später kapierte ich, dass ihr Name eigentlich Ira war, aber wir wollten wohl alles ganz harmonisch angehen. Der freundliche Empfang täuschte nicht darüber hinweg, wie unvermittelt drastisch der Komfort sinkt, wenn man ein Modelapartment bezieht: Die schöne Yedda hauste in einem Zimmerchen, das sich nur aufgrund eines darin befindlichen Herds und eines Waschbeckens als Apartment bezeichnen lässt. Für einen Teenager wie Yedda liegt der Reiz einer solchen Behausung sicherlich in der Absenz von Erziehungspersonal. Der Umstand, dass sich die beiden jämmerlichen Schlafmöglichkeiten, eine Matratze sowie eine ausziehbare Couch, in diesem einen einzigen Zimmer befanden, zwang das argentinische Model und mich zu wahrlich intimer Nähe. Ira bzw. Yedda, 16 und Nachwuchshoffnung unserer Agentur, sollte demnächst bei der Chanel-Show in Paris mitlaufen. Zu meinem Leidwesen hatte sie bis dato verabsäumt, diesen Umstand allen ihren Freunden in Argentinien mitzuteilen und beschlossen, das in unserer gemeinsamen Nacht nachzuholen.
Rastlos schickte sie ihren Compañeros aufgeregte Sprachnachrichten übers iPhone, die sie sich aus unerfindlichen Gründen vorher lauthals selbst diktieren musste. Sie hatte viele Freunde. Ich zähle mich nicht dazu, zumal das aufgekratzte Kind erst um vier Uhr Früh entschlief – nicht ohne noch eine satte, argentinische Gute-Nacht-Filterlose im Bett zu paffen. Deshalb musste die arme Kleine dann auch noch bis in die Dämmerung hinein echt viel husten. Schäf- chenstunde im Modelapartment. Yedda, Du wirst mir fehlen.

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