Kicken mal drei. Auf dem Rasen, am Tisch und an der Konsole. Für die §freizeit" kämpfen der SK Rapid Wien und die Wiener Austria auf allen fußballerischen Ebenen gegeneinander.
26.09.21, 08:00
Showdown im tiefen Westen Wiens. Zwei der besten eSportler des Landes treten gegeneinander an, es heißt SK Rapid gegen Austria Wien, Nico Pankratz gegen Marcel Holy. Dabei wäre es natürlich ein wenig zu einfach, wenn die beiden sich nur auf der Konsole matchen. Das tun sie ohnehin jedes Jahr, seit 2018 die österreichische eSport-Bundesliga ins Leben gerufen wurde, an der alle „echten“ Bundesligavereine teilnehmen. Nein, es geht darum zu zeigen, was sie auf anderen Fußballgebieten drauf haben. Beim Wuzzeln zum Beispiel, dem guten alten Tischfußball, also quasi dem analogen Vorgänger aller virtuellen Kick-Vergnügen. Und natürlich stellt sich auch die Frage: Was können die beiden eigentlich tatsächlich am Ball? Also nicht dem aus Einsen und Nullen, den sie mit atemberaubend schnellen Tastenkombinationen bewegen, sondern dem, auf den man tatsächlich mit dem Fuß draufhaut.
So stehen wir also auf dem Trainingsplatz des legendären Rekordmeisters aus Hütteldorf – und die beiden Jungs wärmen sich erstmal auf. Wobei schnell klar wird: Der echte Ball ist für keinen von ihnen ein Unbekannter. Nico und Marcel gaberln, köpfeln und lupfen, dass es eine Freud ist, wobei man auch sieht, Marcel, der Austrianer, führt die feinere Klinge, ganz so, wie es die Tradition der beiden Traditionsvereine vorschreibt. Er hat aktiv im Verein gekickt, bis ihn drei Kreuzbandrisse zwischen 18 und 21 Jahren in die Knie gezwungen haben. Hobbykicker Nico macht die schlechtere Technik durch Einsatz wett, auch das kennt man, und schließlich geht's hier nicht um einen Schönheitspreis, der erste Bewerb wird als Elfmeterschießen ausgetragen, also: „An den Punkt, meine Herren!“
Der Elfer-Krimi
Die Augen zu schmalen Schlitzen zusammengekniffen, nimmt Nico Maß, während er drei große Schritte rückwärts macht. Noch einen, den setzt er ein wenig zur Seite, nach links. Er nickt kurz, als würde er sich selbst recht geben, sein Blick fixiert den Ball, der auf dem weißen Punkt vor ihm liegt, wandert dann weiter zum Tor, 7,32 m breit, 2,44 hoch, ein Riesenkasten eigentlich, aber doch unendlich klein, wenn’s drauf ankommt. Es ist nie der Torhüter, dem die Angst im Nacken sitzt, sondern immer der Schütze. Nico läuft an, haut drauf, aber der Ball rollt ihm ein klein wenig über den Spann, statt trocken neben die Stange kommt er halbhoch und zu zentral – Marcel im Tor hat keine Mühe, sich die Frucht zu schnappen.
Marcel hämmert seinen nächsten Elfer unhaltbar für Nico ins Kreuzeck, es steht 5:3, die Sache ist gelaufen, keine Chance mehr für Rapid gleichzuziehen, der erste Punkt in Hütteldorf geht an die Austria!
Frisch auf den Tisch
Sieht man von Tipp-Kick und Subbuteo ab, war „Wuzzeln“ über Jahrzehnte die einzige „Fußball-Simulation“ die zur Verfügung stand. Auf jeden Fall die verbreitetste. Und auch heute, gut 100 Jahre nach ihrer Erfindung durch den Citroen-Ingenieur Lucien Rosengart, sind die Tische in Pubs und Bars noch durchaus beliebt.
Am Wuzzler sind die Vorzeichen umgekehrt. Marcel spielt wie ein talentierter Freibad-Kicker, was er macht hat prinzipiell Hand und Fuß, aber Nicos geballter Power hat er auf Dauer nichts entgegenzusetzen. Die Schüsse des Rapidlers sind härter und genauer, er fegt seinen Kontrahenten mit 10:4 vom Tisch.
Extraklasse an der Konsole
Längst haben „Videospiele“ die gesamte Konkurrenz in Sachen „Fußball für Zuhause“ hinter sich gelassen. Und wer sich so ein Match ansieht, versteht auch warum. Die Partien sind derart realitätsnah, dass man meinen könnte, da spielen tatsächlich Messi, Ronaldo & Co.
Österreich ist beim eFußball noch Entwicklungsland, das merkt man auch am Preisgeld: 5.000 Euro gibt’s für den Sieger der eBundesliga, zum Vergleich: Der letzte Weltmeister, Mohammed Harkous aus Deutschland, durfte sich über einen 250.000-Dollar-Scheck freuen. Und sogar der dürfte ein wenig neidisch auf die Kollegen in den Fortnite- oder League-of-Legends-Bewerben schielen, dort geht es bei den WMs um Millionen. Mit dem knapp 17-jährigen Kärntner David Wang konnte sich da auch schon ein Österreicher in der Siegerliste eintragen, knapp 1,5 Millionen Dollar gewann er vor zwei Jahren beim Fortnite-WC in New York. Sind solche Beträge auch irgendwann einmal für österreichische eFußballer denkbar? „Nein, so weit wird’s nicht gehen. Aber dass man vielleicht einmal davon leben könnte, das ist schon ein Traum“, sagt der 23-jährige Nico, der im Einzelhandel tätig ist. Und wenn aus dem Traum nichts wird? „Dann bleibt es eben ein Hobby – das mir wahnsinnig viel Spaß macht.“
Spaß macht es jedenfalls auch, den beiden beim Konsolen-Kick zuzuschauen. Ganz große Klasse, was da geboten wird. Marcel mit elegantem Ballbesitzfußball für die Austria, Nico mit überfallsartigen Rapid-Angriffen. Mitte der ersten Halbzeit hat er damit Erfolg, schießt nach schöner Vorarbeit über den Flügel das 1:0. War’s das? Bringt er den Vorsprung über die Zeit? Nein, Marcel, Bundesliga-Sieger der Saison 19/20 ist schließlich doch zu abgezockt: Nach einer sehenswerten Ballstafette klingelt es im Rapid-Tor – 1:1. Endstand.
Wie beim letzten „echten“ Derby haben wir keinen Sieger, aber vielleicht gibt’s im Frühjahr ein Re-Match in Favoriten? Um den „freizeit“-eSport-Wuzzel-Fußball-Supercup.
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