Wilder Schäumer: Pet Nats als großer Trend in der Weinszene

Wilder Schäumer: Pet Nats als großer Trend in der Weinszene
Kenner schätzen edlen Sprudel nicht mehr bloß als Partygetränk, sondern als hochwertigen Wein. Die älteste und natürlichste Methode der Schaumweinerzeugung macht einfach Spaß.

In den vergangenen Jahren war zuweilen aus Weinkellern heftiges Knallen zu hören. Das eine oder andere Mal, heißt es, hätten besorgte Nachbarn sogar die Polizei verständigt. Das Spektakel stellte sich  als harmlos heraus: Lediglich ein paar Weinflaschen explodierten – gefüllt mit Pet Nat.  Dieser natürlich produzierte Sprudel ist der letzte Schrei in der Weinszene.

Bei der Herstellung von Pétillant Naturel, kurz Pet Nat, wird noch gärender Most in die Flasche gefüllt, mit einem Kronkorken verschlossen und seinem Schicksal überlassen. Die restliche Gärung passiert in der Flasche – dabei entsteht Kohlensäure. Ist der Druck zu hoch, explodiert die Flasche.

Während bei Schaumwein nach der traditionellen Methode fertiger Wein in die Flasche gefüllt und durch exakt dosierter Zugabe von Zucker und Hefe eine kontrollierte zweite Gärung in Gang gesetzt wird, durchläuft Pet Nat nur eine einzige Gärung ohne Eingriffe. Ist die Flasche einmal verschlossen, entwickeln die natürlichen Hefen ein reges Eigenleben und man kann nur hoffen, dass alles gut geht.

Bevor man in der Champagne die „méthode traditionelle“ kultivierte, wurde auch dort noch auf die abenteuerliche Weise produziert. In einigen Regionen Frankreichs und Italiens blieb sie unter dem Namen „méthode ancestrale“ erhalten – freilich völlig unbeachtet.

Erst als Naturweinwinzer wieder damit experimentierten, erlebten sie eine Renaissance. Auch heimische, meist Bio- und Naturweinwinzer entdeckten ihre Leidenschaft für den explosiven Saft. Was macht die Faszination aus? Die Winzer schätzen die unverfälschte Methode der Herstellung ohne jegliche Zugaben. Das Verfahren ist jedoch komplex – der Zeitpunkt des Umfüllens ist entscheidend: Füllt man den Most zu spät in die Flasche, sprudelt er kaum, macht man es zu früh, entsteht zu hoher Druck in der Flasche.

Es ist wohl das Wilde und Ungezähmte, das vor allem jungen Weinfreaks gefällt. Natursprudel hat heute Kultcharakter: Kam zu Beginn eher belanglose Qualität auf den Markt, gibt es inzwischen  auch hohe Qualität für wenig Geld. Genau genommen ist Pet Nat Perlwein, wie halbschäumender Wein unter drei bar Druck bezeichnet wird.  Aber  ob Perlwein oder Schaumwein: Pet Nats sind  heiß begehrt.

 

Gläser: Weder Sektschalen noch Kelche eignen sich für hochwertigen Schaumwein: In den Schalen entweicht die Perlage – Sektkelche hingegen „sperren“ das Aroma ein. Ideal sind dünnwandige Weißwein- oder Universalgläser.

Serviertemperatur: Etwa 6 – 8 Grad, Trinktemperatur: 8 – 10 Grad oder darüber. Generell gilt: Je hochwertiger oder gereifter der Schaumwein, desto höher die Trinktemperatur. Eisgekühlter Schaumwein schmeckt nach gar nichts.

Lagerung: Schaumwein soll wie jeder Wein liegend, dunkel bei gemäßigter und konstanter Temperatur gelagert werden. Der Kühlschrank ist für längere Lagerung ungeeignet. Vorsicht auch beim Einkauf: Von Flaschen, die im Regal stehen, ist abzuraten!

Öffnen: Geöffnet wird Champagner möglichst geräuscharm. Die Agraffe entfernen und den Korken vorsichtig aus der Flasche drehen, dabei immer leicht auf den Korken drücken, damit er nicht herausknallt! Zum Verschließen einer geöffneten Flasche eignet sich ausschließlich ein Schaumweinverschluss. Nach etwa einem Tag sind die Perlen aber auch so perdu. Der berühmte Löffel in der offenen Fasche nützt hingegen rein gar nichts.

"Sprudel unplugged"

Letztlich fühlen sich die Feiertage nicht immer so prickelnd an wie erträumt. Vermutlich wurde genau für solche Fälle vor etwa 350 Jahren Schaumwein erfunden. Und zwar nicht von den Franzosen, wie oft angenommen, sondern von den Briten: Man entdeckte, dass stiller Wein in den aus Frankreich importierten Fässern im Frühling bei ansteigenden Temperaturen erneut gärte und aufgrund der -Bildung zu sprudeln begann – diesen Umstand machte man sich zunutze. Der Schaumwein war geboren.

In der Champagne wurde die Methode der Zweitgärung in der Flasche durch Zufügen von Zucker und Hefe dann perfektioniert. Einer ihrer Pioniere, der legendäre Benediktinermönch Dom Pérignon soll bei seinem ersten Genuss eines schäumenden Weins entzückt ausgerufen haben: „Kommt her Brüder, ich trinke Sterne.“

Bis heute sind die Menschen von prickelnden Weinen in den Bann gezogen. Kein anderes alkoholisches Getränk macht so gute Laune wie Schaumwein. Die Champagne gilt als die Königin des edlen Schäumers. Bis Ende des 19. Jahrhunderts allerdings wurde Champagner picksüß und zumeist zum Dessert geschlürft. Die Engländer liebten ihn mit 70 Gramm Restzucker, am russischen Zarenhof durften es gar 300 Gramm sein – Werte, die sonst nur Süßweine aufweisen.

Die richtige Dosage

Im Vergleich dazu trinkt man Schaumwein heute vorwiegend „Brut“ mit neun bis zwölf Gramm. Die Dosage, also die Zugabe einer Mischung aus Zucker und Wein am Ende der Schaumweinerzeugung, soll die durch das Dégorgement verlorene Flüssigkeit auffüllen und die relativ hohe Säure ausbalancieren. Der erste trockene Champagner wurde 1889 gekeltert. Seitdem produziert man immer trockener und heute bevorzugen viele Connaisseurs Prickeln ohne Dosage. Der Trend zu „Brut Nature“ oder „Zero Dosage“ schwappte von der Champagne auf alle anderen Schaumweingebiete über. Ein knochentrockenes Vergnügen, das so manchen Gaumen überfordert – für Puristen jedoch die einzig würdige Form hochwertigen Schaumwein herzustellen.

Hohe Dosage kann auch qualitative Mängel des Grundweins kaschieren und den Geschmack nivellieren. Außer süßem Prickeln schmeckt man dann oft gar nichts mehr. Neben dem heute herrschenden Trend, Lebensmittel möglichst pur und ungesüßt zu genießen, trägt auch die Klimaveränderung zu trockeneren Schaumweinen bei: Vor allem in dem bislang kühlen Anbaugebiet der Champagne lässt die Klimaerwärmung die Trauben schneller reifen. Sie besitzen weniger Säure und brauchen daher entsprechend weniger Dosage. Der Charakter der Herkunft kommt unverfälschter zum Ausdruck, glauben Kenner.

Während die großen Häuser die Tradition der Assemblage, also dem Vermählen von Rebsorten, Lagen und Jahrgängen, hochhalten, bauen  kleine Winzer ihre besten Lagen zunehmend einzeln aus. Vignerons verstehen Champagner nicht als sprudelnden Aperitif, sondern als anspruchsvollen Wein. Fragt man sie, warum sie keinen Zucker mehr zusetzten, raunen sie nur bedeutungsvoll: „terroir“.

Aber auch in den anderen Schaumweinregionen mag man es zunehmend trocken. Die besten heimischen Sektproduzenten schwören auf Brut Nature. Auch hier gilt: je besser die Lage, je reifer die Trauben, desto weniger Dosage. Man verzichtet bewusst auf unnötigen Zierrat, um den Charakter der Herkunft herauszustreichen. Dafür braucht es allerdings erstklassigen Grundwein – sonst schmeckt Brut Nature einfach nur uncharmant.

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