Handgemachte Pasta ist der nächste große Craft-Trend
Wenn geübte Hände kleine Teigfuzerln in Rekordzeit und wie nebenbei in kompliziert aussehende Form rollen, drehen oder schaben, hat das etwas höchst Sinnliches. Italienischen Nonnas oder Sfogline (die Hüterinnen der Pasta-Tradition im Raum Bologna) bei ihrem Handwerk zuzuschauen, macht einem bewusst, dass man in der Küche gar nichts kann. Dazu schwirrt einem der Kopf vor der unüberschaubaren Vielfalt an Formen, Namen und Zubereitungsarten.Zum Beispiel Chiusoni. Für diese sardische Spezialität werden kleine Teigstücke mit dem Daumen über die Rückseite einer Käsereibe gerollt, wodurch sie auffällige Noppen erhalten. Schaut einfach aus, ist es aber nicht.
Etwas einfacher gestalten sich die verwandten Cavatelli, die in den Regionen Molise und Apulien üblich sind. Da drückt man rollend entweder Daumen oder zwei Finger in das Teigstück, damit es sich zusammendreht.
Dafür braucht man keine teure Pasta-Maschine. Nur Übung. „Kochen ist keine Kunst, aber Kochen kommt von Können“, sagt Claudio del Principe. Der in der Schweiz lebende Italiener hat sich intensiv mit handgefertigter Pasta beschäftigt.
Verlust der italienischen Tradition
Denn auf pasta fatta a mano und die selbstverständliche Weitergabe der Tradition ist selbst im Mutterland der Pasta kein Verlass mehr. Dass ihm sogar seine Cousine gestand, selbst keine Pasta zu machen, war für ihn Schock und Motivation gleichermaßen. „Ich finde, wir dürfen die Zubereitung unseres Essens nicht der Industrie überlassen. Ganz allgemein nicht und erst recht bei so etwas Sinnlichem wie pasta fresca.“
Ausgleich zur Kopfarbeit
Mit diesem Ansinnen ist er nicht alleine. Der Trend zu handgemachten Nahrungsmitteln hält kontinuierlich an, und so ist Pasta nach Brot und Sauerteig das nächste große „Craft“-Thema der weltweiten Food-Community geworden. Del Principe hat das nicht überrascht. „Man kann mit den Händen arbeiten, das ist ein Ausgleich für kopflastige, moderne Menschen.“ Gleichzeitig werde damit altes Wissen gerettet. „Ich stelle fest, dass in Italien ganz viel wegbricht.“ Mit seinem Buch „a mano“ (at Verlag, 35 €) wolle er einen Beitrag zur Erhaltung dieses Schatzes leisten. „Es ist interessant, dass einen ein Lebensmittel emotional so mitreißen kann.“
Insta-Protagonisten
Befeuert wurde der Pasta-Trend durch einige Protagonisten und ihre wachsenden Anhänger. Etwa die Britin Vicky Bennison, die mit ihren Kurzvideos „Pasta Grannies“ über ganz normale, italienische Großmütter beim Pastamachen unerwarteten Erfolg hatte.
Und in den USA ködern Instagram-afine Köche wie Evan Funke ihre Gäste und Follower in den sozialen Medien auch optisch ansprechend mit „handmade Pasta“.
Dank Anleitungsvideos im Internet ist mittlerweile auch die komplizierteste und unbekannteste Pasta zur Nachahmung verfügbar. Lebenslange Praxis italienischer Nonnas eignet man sich nicht nebenbei an, gesteht aber selbst Claudio del Principe. Die vielen Pasta-Genießern vertrauten öhrchenförmigen Orecchiette sind in der Herstellung eine Herausforderung für ihn. „Sie sind schwieriger, als man glaubt – ein Kandidat, an dem man verzweifeln könnte.“
Sehen Sie hier ein Video einer "Pasta Grannie" beim Oricchiette-Formen:
Welcher Teig ist der beste?
Apropos verzweifeln: Der richtige Teig ist in Italien, gelinde gesagt, eine Wissenschaft für sich. Die Frage nach dem perfekten Pasta-Rohmaterial hört Claudio del Principe oft. Seine Gegenfrage: „Perfekt für welche Pastasorte, für welchen Sugo, für welches Pastagericht?“ Sie sehen schon, es ist kompliziert. In Norditalien sind die Hochburgen der Mehl-Eier-Teige, die sich für viele klassische Teigwaren wie Tagliatelle oder Tortellini eignen.
Im Piemont legt man dies durchaus extrem aus: Auf ein Kilogramm Mehl kommen 32 Eigelbe und sonst nichts. Je weiter im Süden, desto weniger Eier im Teig: In Apulien oder Sizilien wird überhaupt nur mehr Hartweizengrieß und Wasser verknetet. Zu diesem Semolina-Teig rät der Experte übrigens Anfängern. „Er ist relativ einfach und verzeiht auch, wenn es mit dem Formen nicht auf Anhieb funktioniert. Man kann ihn jederzeit wieder zusammenkneten. Bei Eierteigen muss man schon sicherer sein.“
Saucen-Faustregel
Und welche Sauce passt jetzt zu welcher Pasta? Schwierig, das einem Nicht-Italiener zu erklären. Claudio del Principe versucht es trotzdem. Mit einer Faustregel. „Je feiner und dünner die Nudeln, desto feiner muss die Sauce sein.“ Das kriegen wir hin.
Nonnateig
400 g Weizenmehl österr. Type W480, ital. tipo 00
4 frische Eier Größe L
- Eier in einer Mehlmulde verrühren, Mehl einarbeiten. Mind. zehn Minuten kneten (Handballen), dabei immer wieder zusammenfalten. 30 Minuten abgedeckt rasten lassen
Piemonteserteig
500 g Weizenmehl österr. Type W480, ital. tipo 00
16 frische Eigelb
- Eier in einer Mehlmulde verrühren, Mehl einarbeiten. Mind. zehn Minuten kneten (Handballen), dabei immer wieder zusammenfalten. 30 Minuten abgedeckt rasten lassen
Mezzomezzoteig
200 g Weizenmehl österr. Typie W480, ital. tipo 00
200 g Hartweizengrieß
4 frische Eier Größe L
- Mehl und Grieß vermischen, mit Eiern zu einem Teig kneten. 30 Minuten abgedeckt rasten lassen
Semolinateig
400 g Hartweißengrieß
180 ml Wasser
- Grieß in eine Schüssel sieben, Wasser mit den Fingern einarbeiten. Dann mindestens zehn Minuten auf einer Arbeisfläche kneten (Handballen), dabei immer wieder zusammenfalten. 30 Minuten abgedeckt ruhen lassen
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