Göttergabe: Der Spätsommer und seine Schwammerln

Göttergabe: Der Spätsommer und seine Schwammerln
Ob selbst gebrockt oder am Markt erspäht, edle Steinpilze bringen mit ihrem erdigen Aroma ein wenig Waldluft in jede Küche.

von Nicole Ott

Ich stehe am Marktstand und schaue hinüber in unseren Schanigarten, wo die Gäste aus der Sommerfrische zurückgekehrt sind, um ihre Urlaubserlebnisse auszutauschen. Da kommt eine braun gebrannte Dame den Markt herauf, ihr kunterbunter, langer Rock flattert im Wind. Sie bleibt bei Erols Stand stehen und ruft: „Jö, die schönen Steinpilze! Im Waldviertel habe ich heuer nach dem  vielen Sommerregen  schon viele gefunden. Am besten schmecken die kleinen, festen Exemplare. Ich hoble sie roh und serviere sie als Carpaccio, mit frischem Thymian und Parmesanspänen.“ Ein älterer Herr meint augenzwinkernd: „Habt ihr gewusst, dass die Steinpilze auch Herrenpilze genannt werden? Früher mussten sie an den Grundherrn abgeliefert werden, zum Glück können wir sie heute selber verputzen!“ 

Ich lasse mir von Erol ein Sackerl voller herbstbrauner Pilze geben. Der erdige Duft entführt mich sofort in den Wald, wo ich so oft wie möglich mit dem Liebsten unterwegs bin, um mein Wanderherz zu erfreuen. Und ist das Wäldchen noch so klein, er kann es nicht lassen, durchs Dickicht zu stapfen, um möglichst viele Schwammerl zu erspähen. Ich dagegen bin froh über die kleine Rast, die mir mein liebster Bergkamerad sonst nicht so oft gönnt. So bleibe ich in diesen Minuten gern an einem Bach sitzen, um das Plätschern des Wassers und das Vogelgezwitscher zu genießen. Vorsorglich pflücke ich den wilden Thymian und Majoran – Quendel und Dost – die kann ich später sicherlich gut fürs Würzen der Beute gebrauchen. „Ich hab welche!“, ruft er mir dann freudestrahlend entgegen. „Natürlich hab ich sie herausgedreht, wie ich es vom Opa gelernt habe. Schau mal, es sind Kiefernsteinpilze, die liebe ich besonders.“  

Mein Tipp: Pilze in ein Baumwolltuch gewickelt im Gemüsefach aufbewahren und möglichst schnell verkochen. 

Die Steinpilze in Stücke reißen

Ich bewundere ihren wunderschönen zimtfarbenen Hut und überlege mir auf dem Heimweg Rezepte, bis mir der Magen knurrt. Zurück in unsere Stadtküche. Ich reiße die Pilze in Stücke, wie ich es von Daniel gelernt habe, damit sie später ja nicht dünsten, sondern braten und  knackig bleiben – darum heißen sie ja auch Steinpilze. Zusammen mit vielen frischen Kräutern kommen sie auf einen knusprigen Schwarzbrottoast. Milder Ziegenkäse gibt Geschmack und Cremigkeit, ein schnelles Relish mit Gurke und Apfel bringt Frische. Die älteren, weichen Stücke verkoche ich morgen zu einem molligen Risotto, mit Brombeeren aus dem Garten. 
Später genießen wir meine  Kreation mit einem Gläschen kühlen Weißwein, als mir noch mehr Anekdoten aus dem Wald einfallen. „Donar war bei den alten Germanen der Gott des Waldes und damit auch der Pilzgott“, erzähle ich dem Liebsten. „Darum gingen die Menschen am heiligsten Tag der Woche, dem Donnerstag, Pilze suchen. Und damit ihnen die Waldgeister hold waren, ließen sie den ersten essbaren Pilz als Opfergabe stehen.“ „Na gut,“ meint da der Liebste schelmisch, „Den ersten Butterpilz können sie haben, die Steinpilze essen wir lieber selber!“  

Göttergabe: Der Spätsommer und seine Schwammerln

Nicole Ott vom Cafe Himmelblau am Wiener Kutschkermarkt.

Das freizeit-Rezept für September

Steinpilzbrot mit Gurken-Apfel-Relish

ZUTATEN RELISH: 
100 g Apfelsaft
100 g Wasser
20 g Weißweinessig 
1/2 TL Salz
1/2 TL Kristallzucker 
2 EL Senfsamen
1 Gurke, entkernt und  
grob geraspelt
1 kleiner Apfel,
Kerngehäuse entfernt und grob geraspelt

ZUTATEN PILZBROT: 
350 g Steinpilze, grob in Streifen zerrissen
2 EL neutrales Öl
1 gehäufter EL Butter
Salz, Pfeffer
1 Handvoll gemischte Kräuter wie Petersilie,
Kerbel, Estragon, Thymian oder  Oregano, grob gehackt
4 Scheiben Schwarzbrot, getoastet
1 Rolle Ziegenfrischkäse

Zubereitung:

1. In einem kleinen Topf Apfelsaft, Wasser, Essig, Salz und Kristallzucker aufkochen und eine Minute kochen lassen. Die Senfsamen hinzufügen und noch einmal ungefähr 10 Sekunden kochen, dann auskühlen lassen.

2. Die Gurkenraspel mit 1/2 TL Salz vermengen und gut durchkneten. Nach 10 Minuten das Wasser abgießen. Den Apfel frisch raspeln, damit er sich nicht verfärbt, zu den Gurkenraspeln geben, den abgekühlten Sud darübergießen, alles gut vermengen und abschmecken. Kühl stellen.

3. In einer großen Pfanne, in der alle Pilzstreifen Platz haben, ohne übereinander zu liegen, das Öl sehr heiß werden lassen. Dann die Pilze hinzufügen und in ungefähr 3-4 Minuten knackig anbraten, zwischendurch wenden. Die Butter dazugeben, salzen und pfeffern, die Pilze durchschwenken und  die Kräuter hinzufügen. Die Brotscheiben mit dem Ziegenfrischkäse bestreichen, pfeffern und die heißen Pilze dekorativ darauf verteilen. 

4. Das Relish mit zwei Esslöffeln ausdrücken, damit es nicht zu nass ist, und ein wenig davon auf die Steinpilze setzen. Das restliche Relish dazuservieren.  

 

Marktgeschichten, Folge 28: Nicole Ott schreibt an dieser Stelle einmal im Monat von inspirierenden Gesprächen rund um saisonale Produkte und kreiert exklusiv für die  ein Rezept damit. 

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