Das trifft allerdings auf alle Protagonisten zu, die Nagy Rezepte zur Verfügung stellten. Was dieses Kochbuch mit Rezepten von Theatermenschen so lesenswert macht, sind nicht nur die persönlichen Einblicke in deren kulinarische Vorlieben, die da verraten werden. „Es ist dieser starke Wille zur Kreativität, der bei allen spürbar war; auf einem völlig anderen Gebiet“, sagt Nagy. Der Zugang über den Kochtopf – er ermöglicht ganz spezielle Zugänge zu den bekannten Bühnenmenschen. Wer hätte gedacht, dass man „Buhlschaft“ und Nestroy-Preisträgerin Caroline Peters mit Rotkraut und „Klössen“ den besten Gänsebraten vermiesen könnte? Selbst Nagy, die die Schauspieler als Ärztin ohnehin höchst persönlich – nämlich als Patienten – kennt, lernte einige von einer neuen Seite kennen. „Es waren Leute dabei, bei denen hätte ich mir nie vorstellen können, dass sie kochen.“
Für diese Erkenntnisse mussten erst Corona und der erste Lockdown kommen. „Von einem Tag auf den anderen war der persönliche Kontakt nicht mehr möglich, ärztliche Rezepte haben wir über das Telefon abgehandelt.“ In diesen Telefonaten stellte sie fest: „Praktisch alle haben entweder ausgemistet – oder gekocht. Sie konnten zwar nicht spielen, aber waren trotzdem beschäftigt.“
Hobbyköchin Nagy begann also „Rezept gegen Rezept“ zu tauschen. Handgeschrieben sollten sie sein, etwa zwei Seiten lang. Gehalten haben sich viele – zum Glück für den Leser – nicht daran. Bis zu sechs geschriebene, gezeichnete oder mit Fotos gestaltete Seiten trudelten ein. „Es war ein großer Spaß.“
Den dürften auch die Theatermenschen gehabt haben. Herbert Scheidleders Rezept war etwa keine Überraschung, was die Länge betrifft. „Er kann sich nicht kurzfassen und hat so viel zu erzählen.“ So erfährt man nicht nur, wie seine „Lebens-Fleischlaberl“ gemacht werden. Sondern auch, dass darin die Fleischlaberl-Kunst von jeder seiner sieben Tanten steckt. Sven-Eric Bechtolf hielt sich zwar den Vorgaben entsprechend kurz, verfasste dafür aber gleich ein Gedicht. Und der „Herr Berni“, den Puppen-Virtuose Nikolaus Habjan in seiner Corona-Küche kochen ließ, verarbeitet für sein „Brambory“ richtig schön alt-wienerisch „Zwiefl“ und „Knofl“ im „Reindl“.
Noch etwas offenbarte die Arbeit am Buch: „Als erste Idee wurden vor allem süße Rezepte vorgeschlagen. Offenbar gab es da ein Bedürfnis, sich den Lockdown zu versüßen“, vermutet Nagy.
Markus Meyer gesteht auch, dass er sich seine „tierisch gute und affeneinfache“ Topfentorte im Corona-Lockdown oft zubereitete. Hermann Beil schreibt über eine „Poetische Torte“ und stellvertretend für die Erinnerungen vieler nahm Lilly Nagy das Apfelnocken-Rezept von Stefanie Dvoraks Großmutter auf.
Viele der Theaterakteure sieht man allerdings nie auf der Bühne. Lilly Nagy holt deshalb auch diese Theatermenschen (u. a. Regie, Technik, Reinigung...) auf die Küchenbühne. „Ich wollte eine gute Mischung, im Theater arbeiten so viele.“
Dass Theater eben immer eine Gemeinschaftsproduktion ist, zeigten zudem die drei Portiere des Burgtheaters mit ihrer „Hühnerbrust à la Leinwand“. Was Herausgeberin Nagy freut: „Viele kochen jetzt die Rezepte der anderen nach.“ Woraus sich wiederum neue Gesprächsthemen abseits der Schauspielerei ergeben haben dürften.
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