"Mit der Entdeckung der Natur wurde das Dirndl attraktiv", erklärt die promovierte Volkskundlerin. "Kleidung des dritten Standes wurde im Zuge dieser Romantik gesellschaftlich aufgewertet." Hatten sich die Bauern einst am Adel orientiert, war es bei der Freizeitmode nun umgekehrt: Der Blaudruck, eigentlich ein Arme-Leute-Material, das im Haus gefärbt wurde, wurde ebenso wie das heimische Leinen für die neuen Entwürfe übernommen.
Von Österreich in die Welt
Weltweit bekannt wurde Trachtenmode mit den 1920 gegründeten Salzburger Festspielen. Viele Künstler, darunter Paula Wessely und Helene Thimig zeigten sich gerne im Dirndl – und wurden damit zu dessen internationalen Botschafterinnen. Marlene Dietrich, die damals am Attersee ihre Familie besuchte, bediente sich hingegen lieber beim anderen Geschlecht. "Meine Mutter hat gesagt, sie wird nie vergessen, wie Marlene Dietrich eines Tages in der Zille im grau-grünen Steireranzug über den Attersee ruderte", erinnert sich Tostmann, die den elterlichen Betrieb im Jahr 1968 übernahm.
Dass das Dirndl Weltruhm erlangte, schreibt Tostmann in ihrem Buch "Das Alpenländische Dirndl – Tradition und Mode" auch einer Familie zu. Die Sängerin Lotte Lehmann vermittelte, nachdem sie die Kinder des Barons Georg Trapp singen gehört hatte, diesen 1937 ihren ersten öffentlichen Auftritt bei den Festspielen. Darauf folgende Auslandsauftritte absolvierte die Familie in österreichischer Tracht.
Kurz vor Ausbruch des Zweiten Weltkrieges zogen die Trapps in die USA, nach dessen Ende die Geschichte der Familie zum Musical "Sound of Music" und später einem Film verarbeitet wurde – das Österreich-Fieber brach aus.
Zukunftsträchtig, weil nachhaltig
Das dort thematisierte dunkelste Kapitel Österreichs war auch für das Dirndl ein prägendes. Die Innsbruckerin Gertrud Pesendorfer, ab 1938 die "Reichsbeauftragte für das deutsche Trachtenwesen" erhielt die Aufgabe, das ehemalige Bauerngewand neu zu definieren. Das Ziel: Die regionalen Unterschiede zwischen den Trachten zunichte zu machen. "Das Dirndl wurde von den Nazis aufgegriffen, geformt – und zum Ausdruck einer Ideologie", sagt Gexi Tostmann. "Deshalb wollten es dann viele nicht mehr anziehen, obwohl sie es zuvor sehr gern hatten."
Längst wird es wieder mit Freude getragen. Designerin Susanne Bisovsky: "Junge Leute gehen an die Sache heute unbekümmert ran. Im Grunde geht es dabei um eine Art Gruppengefühl, wo man akzeptiert ist und dabei sein möchte." Die Wienerin hat sich 1996 in ihrer Diplomarbeit "Be-tracht-ung" an der Hochschule für Angewandte Kunst unter Helmut Lang intensiv mit europäischen Gewandformen auseinandergesetzt.
Hinzu komme ein weiterer Aspekt: "Auch die Lust an der Verkleidung, die Anonymisierung des Einzelnen und die Rückbesinnung auf Regionalität spielen da eine Rolle. Man macht wieder Urlaub im eigenen Land, kauft einheimische Lebensmittel, warum nicht auch Trachtenmode."
Für Gexi Tostmann könnte das Dirndl nicht besser in die heutige Zeit und die aktuelle Klimaschutzbewegung passen: "Den Begriff Nachhaltigkeit kannte man ja früher nicht. Aber genau das ist das Dirndl. Es ist zeitlos und man kann es vererben – es ist absolut zukunftsträchtig."
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