Der Komponist Peter Ablinger und das Lied der Bäume

Der Komponist Peter Ablinger und das Lied der Bäume
Im Mühlviertel legte ein Musiker einen Klangwald an. Seither besuchen ihn Kollegen, die zu Blättern improvisieren - von Manfred Horvath.

Treffpunkt mit dem Cellisten Uli Winter ist der Parkplatz des einzigen Wirtshauses von Seitelschlag, hoch oben im Mühlviertel. Winter wuchtet seinen Instrumentenkasten aus dem Cargo-PKW, klemmt einen Küchensessel unter den Arm und sagt: „Geh’n wir da rüber, Richtung Kardinalpunkt, da steht eine alte Stieleiche und im Hintergrund sieht man das ganze Arboretum (Anm. zu Studienzwecken angelegte Pflanzung verschiedener Bäume).“

Wir steigen einen sanften Hügel bergauf. Das Gras ist nebelfeucht vom Morgen, unsere Schienbeine bald auch. Birken säumen die Waldlichtung. Goldene Blätter flirren in ihren Kronen. Oben an der Kuppe wogen die Fichtenwipfel.

Unter seinem Lieblingsbaum stellt Uli Winter einen hellblau tapezierten Sessel auf den Erdboden und nimmt sein Cello vorsichtig aus dem Koffer. Er setzt sich nieder, schaut zur Krone hinauf, schließt die Augen, und setzt einen Akkord in die Luft. Es ist ein Klang von einer anderen Welt. Rein analog. Mit dem Vor und Zurück des Oberkörpers sinken die Vorderbeine des Sessels langsam ein.

Der Klang der Natur                  

Das Arboretum von Seitelschlag ist ein Projekt des Komponisten Peter Ablinger aus dem Jahr 2009. Das Fahrwasser der Donau bei den Aktivitäten zur Linzer Kulturhauptstadt Europas ist im Jahr 2009 sogar bis zum Hochficht im nördlichen Oberösterreich geschwappt.

Peter Ablinger wurde mit einem Projekt zur Komposition einer Landschaftsoper beauftragt. Nahe der böhmischen Grenze in der rollenden Landschaft rund um Ulrichsberg wurde er in Seitelschlag fündig. Sein Freund Alois Fischer, der das Jazzatelier Ulrichsberg betreibt, schafft das Schwierige, einen geeigneten Pflanz-Ort zu finden. In langwierigen Gesprächen versuchte er die Bauern davon zu überzeugen, auf ihren Feldern und Wegen einen neuen Wald zu gründen.

Rauschende Wasserfälle, das Geräusch von Getreidefeldern und der symptomatische Klang von Baumarten waren schon seit den frühen 1990ern das Interesse von Peter Ablinger. Als Student bei Roman Haubenstock-Ramati nahm er die Klänge der Natur auf Tonband auf. Auch synthetisches Rauschen. Bei einem Spaziergang im Osten Wiens bemerkte er einmal, wie sich beim Wechsel der Anbausorte von Weizen auf Roggen die Klangfarbe des aufnehmbaren Geräusches änderte.

Ablingers Ansatz ist, dass man das intensive Klangerlebnis, das man in einem akustisch perfekten Konzertsaal hat, in der Natur genau so finden kann. Schon vor dreißig Jahren nahm Peter Ablinger 18 verschiedene Baumarten auf und vernahm, dass die Klangfarbe von einem Baum zum nächsten im Schnitt symptomatisch war. In diesem Prozess entstand ein Tonbandstück, das schon damals als Liveprojekt in einem Arboretum war.

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