Culture Clash

Culture Clash
Spiel’s nochmal Sophie – von wundersamen Werbe-Aufnahmen in Hongkong.

Models werden wegen der vielen Fernreisen beneidet. Ja, wir werden durch die ganze Welt geschickt, sehen alles – und nichts.
Von manchen Weltmetropolen kenne ich nur den Flughafen und ein Studio. So flog ich zum Beispiel einmal nach Hongkong – für zweieinhalb Tage. Ein Werbefilm für eine internationale Dessous-Company stand an. Trotz der knappen Zeit wollte ich die einmalige Chance nutzen, Hongkong zu erleben. Nach elf Stunden Flug und anschließendem Fitting für den Werbedreh, bündelte ich meine Restenergien und versuchte die Stadt zu erkunden. Im Schnelldurchlauf. Tempel gesehen, Berg besucht, Seilbahn genommen, traditionelles Abendessen gegessen, zusammengebrochen. Vier Stunden Anti-Jetlag-Schlaf, dann ins Studio. Menschen drängten sich in und vor dem Studio, ich versuchte herauszubekommen, was denn passiert sei. Aber die 50 Männer, die sich gegenseitig auf die Füße traten, gehörten nur zur Technikmannschaft für meinen Dreh.

Alles war perfekt geplant: Outfit und Haarstyles waren am Vortag getestet worden, sodass die Vorbereitungen recht schnell gingen. Das Skript für den Werbespot sah Folgendes vor: In der ersten Szene sollte ich in Slip und BH vor einem bunten Spielzeug-Piano liegen, eine Melodie klimpern und den Satz „I can play the piano when I was one“ präsentieren. Ich unternahm einige Anläufe jemandem verständlich zu machen, dass dieser Satz grammatikalisch überhaupt keinen Sinn mache. Vergebens. Die Reaktionen waren freundlich, aber die Grammatik blieb ungesühnt. Ich hatte generell wenig mitzureden. Wie denn auch, die Sprache am Set war Chinesisch, der Werbefilm für den asiatischen Markt gedacht, „I can play the piano when I was one“ flötete ich in die Kamera. Die Szenen wurden immer absurder, der Dreh immer länger: Ich meißelte kleine Herzen aus riesigen Eisbrocken und malte vorgestrichelte Gemälde nach, jede meiner „künstlerischen“ Talentproben natürlich in immer anderen pastellfarbigen Kleinmädchen-Unterhöschen, die, folgte man der Spot-Message, das kreative Potenzial ihrer Trägerinnen anheizen können.

Nach acht Stunden die erste Pause. Ich war zu müde, um vor den frittierten Maden zu erschrecken, die als Beilage zum Essen kamen. Ob ich mein Sightseeing-Programm wohl nach dem Drehtag wieder aufnehmen würde können? Aber meine kreativen Höschen hielten noch so einiges bereit, das den asiatischen Markt beeindrucken sollte. Fröhliches Tanzen stand nun auf dem Drehplan, ich bewegte mich ekstatisch. „Fun Fun“ sagte ein melancholisch blickender junger Mann zu mir, der Regisseur. Ich und meine Kreativunterwäsche tanzten vor 50 ernsthaft mich im Auge behaltenden Technikern. Irgendwann hatten auch die Wunderhöschen ihr Letztes gegeben und es war Drehschluss. Besorgt erkundigte ich mich, ob es meine Schuld gewesen sei, dass wir geschlagene 22 Stunden am Set verbracht hatten. Nein, nein, das sei eine wirklich gute Zeit, meinte der Kunde, normalerweise seien für einen Drehtag locker zwei Tage zu berechnen. In Hongkong gehe man aber zwischen den Drehtagen nicht schlafen. Ich beeilte mich, ins „faule“ Europa zurückzukommen.

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