Christian Seilers Gehen: Das wechselhafte Schicksal des Magdalenenhofs
Ich gehe vom Rendezvousberg den Mitterhaidenweg entlang und bin verwirrt. Ich frage mich, wo eigentlich der Berg vom Rendezvous sein soll, ohne zu wissen, dass es sich dabei nur um eine beziehungsreiche Welle in der Landschaft handelt. Von genau hier sieht man, über die historische Brünner Straße Richtung Wien kommend, zum ersten Mal die Stadt.
Vor mir Weinberge und ein prächtiger, weiter Blick auf die Stadt, den Kahlenberg, den Leopoldsberg. Es ist kalt, ich gehe schnell. Weitere Weinberge, stetige Weitsicht. Ich überquere die Stammersdorferstraße, steige auf einem Weg namens „In Broschäckern“ hinauf Richtung Bisamberg, grüße freundliche Menschen, die mir mit bunt angezogenen Windhunden entgegen kommen, genieße auf der Spielwiese Falkenberg die Sonne, die schon ein bisschen Kraft zu bekommen scheint, betrachte den Gedenkstein für den Dichter Joseph von Eichendorff und steige über einen schön gepflasterten Weg zum Magdalenenhof ab.
Im benachbarten Berggasthof war ich oft zu Gast gewesen, als der legendäre Reinhard Gerer hier ordinierte. Ich kann mich an Jausen erinnern, die bis zum Einbruch der Dunkelheit dauerten und kulinarisch alle Grenzen sprengten. Damit es laut und deutlich gesagt ist: Es ist ein Jammer, dass es derzeit in Wien keinen Ort gibt, wo man die Küche dieses genialischen Kochs genießen kann. Aber die Villa Magdalenenhof hatte ich nie so recht in Augenschein genommen.
Heute fällt mir das liebevoll gestaltete Haus auf, weil es in seinem kargen Garten so verlassen und abgerissen wirkt. Am Zaun hängt eine Erinnerungstafel, dass Karl Freiherr von Vogelsang hier zwischen 1863 und 1890 gewirkt habe. Die Tafel weiß, dass Vogelsang ein „Vorkämpfer für die christliche Sozialreform“ war. Dass er auch ein Apologet des austrofaschistischen „Ständestaats“ war, verschweigt sie hingegen. Vogelsang lebte hier auf einem Bauernhof. Die Villa Magdalenenhof wurde erst 1911 als Witwensitz für Elise gebaut, eine Tochter aus der Münchner Pschorr-Dynastie, die in die Brauereifamilie Dengler aus Jedlesee eingeheiratet hatte. Sie durfte den zauberhaften Ort nicht lange genießen: Nicht einmal zwei Jahre nach dem Bezug der Villa starb Elise.
Offiziere und Backhendlstation
Das Schicksal des Magdalenenhofs ist seither wechselhaft. Während des Ersten Weltkriegs logierten hier Offiziere der k.u.k. Armee. In den zwanziger Jahren übernahm die Stadt Wien das Haus, es wurde dann lange von städtischen Forstarbeitern bewohnt. Im Zweiten Weltkrieg quartierte sich die Wehrmacht ein, später diente die Villa als Café, Pension, Backhendlstation und Balkan-Grill. 25 Jahre lang führte die Familie Sarsam den Magdalenenhof als Veranstaltungslocation, 2010 war Schluss. Es kursierten Gerüchte, die Stadt suche einen Alterssitz für Altbürgermeister Häupl, die Wahrheit ist: Die Stadt wollte – und will – den Magdalenenhof verkaufen. Die Auflagen dürften hoch sein, denn das Haus steht nach wie vor leer.
Ich gehe die Senderstraße hinunter, überquere die Stammersdorfer Kellergasse und gehe „In den Gabrissen“ zurück Richtung Rendezvousberg. Ein Heuriger verkauft Grammeltascherl über die Gasse. Sie holen mich aus meiner Melancholie zurück.
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