Er war blass um die Nase. Nur noch sechs Mal schlafen, dann kam schon wieder das Wochenende. K zählte zu einem museumsverdächtigen Sonderexemplar der Menschheit, das man als „Thank God, it’s Monday“-Typ bezeichnen könnte. Denn Wochenende bedeutete für ihn einbeinig durch ein Tretminenfeld tanzen. Da stand „Beziehungsarbeit“ auf dem Plan. Denn da wollte die „Meinige“ jede Menge gute Gespräche, die unter der Prämisse „Wie geht’s mir mit unserer Gesamtsituation?“ standen.
Schon bei den ersten Obstschnitzarbeiten am Samstag, mit denen dieser Beziehungsstreber versuchte, guten Willen zu demonstrieren, war die Schonfrist um. „Wie siehst du uns in 20 Jahren?“, fragte sie herausfordernd beim Zermalmen seines Kiwisterns.
„Einträchtig zahnlos unter einer Linde“, antwortete er gehorsam. Und selbst diese Harmlosigkeit barg einen Sprengsatz: „Du wirst zahnlos sein, nicht ich! Wie oft hast du deine Mundhygiene schon verschoben!? Und einträchtig heißt doch nur, an deine Bequemlichkeit zu denken. Wir müssen mehr miteinander unternehmen!“ – „Ich bin doch kein Unternehmer. Warum können wir uns nicht einfach beim Sein zuschauen?“ – „Weil dein Sein so langweilig wie eine TV-Übertragung von einem Fischer-Wettbewerb in stillen Gewässern ist. Wie wär’s mit einem Tangokurs?“ – „Schnecki, du weißt, ich hab’ eine Pomaden-Unverträglichkeit. Wenn du Action willst, dann lass uns Mensch-ärgere-dich-nicht spielen.“ So ging’s dahin, bis sie beide erschöpft vor dem „Tatort“ am Sonntagabend einschliefen. Ich fragte: „Warum verlässt du sie nicht?“
Er sah mich an, wie ein mürbes Reptil, in dessen Terrarium schon lange die Infrarotlampe ausgefallen war: „Das wäre doch wirklich zu bequem. Außerdem: Ich kann mich ja in der Arbeit von meiner Gesamtsituation erholen.“
polly.adler[at]kurier.at
Polly Adler spendet in „Adieu Fortpflanz“ Trost und Ratlosigkeit von der Erziehungsfront und erzählt, warum man sein Kind zwar immer liebt, aber manchmal dennoch nicht leiden kann.
240 Seiten, 22,95 Euro bei www.thalia.at
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