Bitte Schuhe ausziehen, steht an der Tür der Abteilung, wo Druckgrafiken und Zeichnungen für die Ausstellung „Albrecht Dürer“ (ab 20. September) restauriert und konserviert werden. „Wie sich die Zeiten ändern“, sagt Albertina-Chef Klaus Albrecht Schröder. „Die adeligen Besitzer haben ihre Schätze einst gern hergezeigt. Unter einer Voraussetzung: Die Besucher mussten Schuhe tragen, was seinerzeit nicht selbstverständlich war.“
Die Albertina „birgt jetzt ein süßes Geheimnis“, verrät eine Zeitung im Jänner 1900. „Sie hat eine Dürer-Ausstellung.“ Aber dann nach Monaten nur rund 1500 Besucher. Das große Publikum bleibt aus. „Nur einige Fremde, ferner einige einheimische Liebespaare, welche ja mit Vorliebe stille Winkel unserer Museen, ,wo Tanten und Basen die Küsse nicht sehen’, aufsuchen, ließen sich blicken“, schreibt die „Neue Freie Presse“.
Die Dürer-Ausstellung zur Wiedereröffnung der Albertina 2003 hatte bereits 530.000 Besucher. Das Kunstmuseum besitzt mit 140 Arbeiten den weltweit bedeutendsten Bestand an Dürer-Arbeiten, ein seit fast 500 Jahren geschlossen erhaltenes Konvolut aus dessen Werkstatt mit Familienbildnissen und Tier- und Pflanzenstudien und den Kopf-, Hand- und Gewandstudien auf farbigem Papier.
Erneuerer der Malerei
„Dürer war in gewisser Weise der erste Kurator unserer Dürersammlung“, sagt Schröder. „Denn er selbst dürfte sie schon in seiner Werkstatt systematisch so zusammengestellt haben, dass der Nürnberger Kaufmann Willibald Imhoff in den 1550er-Jahren einen wohlgeordneten Zeichnungsbestand übernehmen konnte. Der gelangte über die Prager Sammlung Rudolfs II. schließlich 1796 aus der kaiserlichen Hofbibliothek in Wien an die Albertina, dank der Initiative ihres Gründers, des Herzogs Albert von Sachsen-Teschen.“
Vor rund fünf Jahren war die Frage: Könnte man dem Universalgenie und großen Erneuerer der Malerei nördlich der Alpen erneut eine große Schau widmen, ohne bloß ein Remake zu veranstalten? „Man kann nicht nur, man muss“, meine Kurator Christof Metzger. „Weil es viel neu zu sehen, neu zu entdecken gibt.“
Aktuell geboten werden soll „ein umfassendes Bild Dürers als Meister nicht nur des Zeichenstifts, sondern auch des Pinsels“. Die Schau ergänzen internationale Leihgaben: „Die Anbetung der Könige“ aus den Uffizien, das radikale „Selbstbildnis als Akt“ aus Weimar, „Die Marter der zehntausend Christen“ aus dem Kunsthistorischen MuseumWien, „Jesus unter den Schriftgelehrten“ aus dem Museum Thyssen-Bornemisza und „Bildnis eines bartlosen Mannes mit Barett“, Dürers wohl schönstes Männerporträt aus dem Prado. Das Spätwerk der letzten niederländischen Reise, der Heilige Hieronymus, ist mit allen dazugehörigen Studien zu sehen.
ALBRECHT DÜRER
Albertina 1., Albertinaplatz 1, 20. September 2019 bis 6. Jänner 2020, täglich 10 bis 18 Uhr, Mi. & Fr. 10 bis 21 Uhrwww.albertina.at
Präsentiert werden die zeichnerischen, druckgrafischen und malerischen Werke als einander ebenbürtige künstlerische Leistungen. Denn Dürer steht in vielerlei Hinsicht für den Beginn einer neuen Ära.
Er gilt als Erfinder des Landschaftsaquarells. Er richtet als einer der ersten Künstler den Blick auf das Alltägliche und führt die deutsche Druckgrafik von der Ebene des Kunsthandwerks in die Sphären höchster Kunst. Überraschend sind Metzgers Gedanken zu den großen Naturstudien der ersten Jahre des 16. Jahrhunderts – „Feldhase“ (1502), zum Wappentier der Albertina avanciert, oder „Das Große Rasenstück“ (1503) – und zu den Hell-Dunkel-Studien auf farbigen Papieren etwa „Betende Hände“ (1508) – alle wahre Wunder der Kunst auf Papier: „Alle führen sie an die Grenze des mit Feder und Pinsel Machbaren. Demonstrationsstücke, die jedem Besucher in Dürers Atelier die vollendete zeichnerische und malerische Meisterschaft vor Augen führen. Sie sind keine Vor-Studien, sondern autonome Bilder: Virtuosenstücke.“
Der Feldhase – ein Rätsel
Das Original des millionenfach nachgebildeten Feldhasen präsentierte man noch bis in die 90er-Jahre gern Diplomaten und Staatsgästen – ungeschützt vor Nies- und Hustenanfällen. Heute darf das empfindliche und mittlerweile durch eine Stahlplatte im Rahmen gesicherte Aquarell nur noch hinter Glas gezeigt und nur noch alle paar Jahre öffentlich ausgestellt werden. Der Überlieferung nach soll Dürer den Hasen während eines Hochwassers im Sommer 1502 vor dem Ertrinken gerettet haben. Und wer genau hinschaut, erkennt, dass sich in der Pupille des Hasen ein Fenster spiegelt – das Fenster des Ateliers?
Unklar bleibt, ob der Dürer-Hase nach einem lebenden oder toten Tier entstanden ist. „Tierpräparate gab es in der Zeit noch nicht“, sagt Schröder. Andererseits hatte Dürer diese phänomenale Gabe, vieles einfach aus der Erinnerung wiederzugeben. Faszinierend bis heute ist der extreme Naturalismus des Kuschelfells. Zu sehen ist nichts als ein Hase, ohne Beiwerk, ohne Hintergrund, während bis dahin Tier-Darstellungen stets Teil religiöser Bilder waren. Plötzlich ist der Hase einfach nur Hase, wie frei schwebend im Bildraum. Eben deshalb sieht man dem Aquarell seine 500 Jahre nicht an. Es ist zeitlos und mit seiner Freifläche für seine Entstehungszeit hochmodern.
Präziser Naturbeobachter
Dass Dürer als analytischer Beobachter mit offenen Augen durch die Welt ging, zeigt sich bei seinem Aquarell eines Flügels der Blauracke: Auch als Mandelkrähe bekannt, war sie – einst in ganz Europa beheimatet – der farbenprächtigste Vogel weit und breit. Und durch die präzise Wiedergabe Dürers wird alles – auf die Spitze getrieben – zu bildnerischer Poesie.
KURIER-Leser können mit ihren Fotos Teil der Ausstellung werden, wenn sie den eigenen Fotos einen Hauch der Aura dieses Künstlergenies verleihen. Suchen Sie das richtige Motiv und bearbeiten Sie es mit allen möglichen Filtern, um ihnen den speziellen Dürer-Look zu geben. Posten Sie dieses mit dem Hashtag #DürerChallenge auf Instagram. Bis 31. 10. gibt es noch die Möglichkeit, Ihr Foto in der Albertina ausgestellt zu bekommen: Die Gewinner haben die Chance auf ein Dürer-Frühstück im Do & Co mit anschließender Führung oder einen von zwei Ottmar-Hörl-Hasen. Die 25 besten Einsendungen werden zu einem exklusiven Abendevent eingeladen. Zudem werden die besten Fotos laufend auf einem Bildschirm vor der Ausstellung gezeigt und erscheinen im KURIER. Mehr Infos unter kurier.at/duerer
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