Juilliard Neubau schürt Oscar-Träume

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New Yorks berühmte Juilliard School hat schon viele Oscar-Anwärter hervorgebracht. Jetzt bekommt die legendäre Star-Schmiede eine „Zweigstelle“ im chinesischen Tianjin: Im Herbst 2020 soll der Neubau seine Pforten für Musiktalente öffnen. Preisverdächtig ist allerdings auch das von Diller, Scofidio + Renfro designte Gebäude selbst.

In China liebt man klassische Musik. Und man liebt Wunderkinder, die Weltruhm, Grammy-Awards oder Oscars erringen. Dies schaffte etwa Komponist Tan Dun mit dem Soundtrack zu „Tiger and Dragon“. Und sein Kollege Cong Su tat's mit der Musik zum Film „Der letzte Kaiser“. Cong Su stammt aus der Hafenstadt Tianjin, die als Nordchinas kultureller Mittelpunkt gilt. Genau dort wird im Herbst eine neue Talenteschmiede der besonderen Art eröffnet: Die Tianjin Juilliard School, deren von Diller, Scofidio + Renfro konzipiertes Gebäude schon vorab seinerseits weltweit Beachtung findet.

Neuer Glanz für Künstler-Unis

Das renommierte Architekturbüro zeichnete auch für Ausbau und Renovierung der legendären New Yorker Juilliard School verantwortlich, die dadurch 2009 in neuem Glanz erstrahlte. Die 1905 gegründete Schauspiel- und Musik-Universität, die Oscar-Gewinner wie Henry Mancini oder Itzhak Perlman hervorgebracht hat, logierte ab 1969 im Lincoln Center – in einem Gebäude, das als typisches Beispiel für Brutalismus in den USA galt. Der Umbau verwandelte das Bauwerk in eine helle, moderne und einladende Ausbildungsstätte.

Von New York nach Tianjin

Die neue Tianjin Juilliard School, die im Herbst 2020 vollständig eröffnet wird, ist Chinas erste Schule, die einen von den USA anerkannten Master of Music bietet. Sie ist als volles Joint Venture auf Universitätsniveau organisiert. Mit einer Heimstätte in einem architektonischen Wunderwerk, das musikalischen Wunderkindern ein ideales Umfeld bietet.

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Architektonisches Juwel, umringt von Wolkenkratzern: Die neue Juilliard School im chinesischen Tianjin.

Die fast 33.000 Quadratmeter große Anlage, die von Tianjins Stadtregierung finanziert wird, befindet sich seit etwa zwei Jahren im Bau. Sie liegt in Binhai, einer sich rasant entwickelnden Wirtschaftszone am Stadtrand. Die Metropole Tianjin hat rund 15 Millionen Einwohner und ist per Hochgeschwindigkeitszug nur 30 Minuten von Peking entfernt.

Treffpunkt für Studenten und Musik-Fans

Das neue Gebäude an der Uferpromenade des Yujiapu-Finanzviertels soll die Öffentlichkeit in den kreativen Prozess und Konzertaktivitäten einbeziehen. Die zentrale Lobby ist ein durchlässiger Raum, der als Erweiterung des umliegenden öffentlichen Parks fungiert. Sie wird ganzjährig als Treffpunkt und Veranstaltungsplattform für Studenten, Dozenten, Besucher und Nachbarn zugänglich sein.

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Rückblick auf zwei Jahre Bauzeit.

 

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Der Rohbau von oben.

Unterschiedlich gemauerte Pavillons bilden die Ecken der Lobby. Jeder davon verankert einen eigenen programmatischen Raum: Konzertsaal, Vortragshalle, Black-Box-Theater und Musikbibliothek. Passanten haben durch große Fensterflächen in Erd- und Obergeschoss offenen Einblick in jede dieser Einheiten.

Für Forschung, Lehre & Performance

Die vier Pavillonssind durch Brücken miteinander verbunden, die diagonal durch die Lobby verlaufen. Sie beherbergen Unterrichtsstudios, Übungsräume und Klassenzimmer der Tianjin Juilliard School. Performance, Praxis, Forschung und interaktive Ausstellungen finden sich im neuen Gebäude unter einem Dach vereint – allesamt ausgerüstet mit modernster technischer Ausstattung.

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Transparent und hell: Die Tianjin Juilliard School soll Talente fördern und die Öffentlichkeit zum Musikgenuss einladen.

Große Dachfenster sorgen für viel Tageslicht in allen Räumen. Die Lobby verfügt über einen geothermischen Kühlkörperboden, der Überhitzung durch Sonneneinstrahlung verhindert. Damit soll auch das im Gebäudeinneren gesetzte Grün geschützt und die dynamische Beleuchtung ganzjährig unterstützt werden.

Juilliard School als grüne Oase

Eine künstlerisch gestaltete Treppe führt durch einen der Pavillons und bietet Studenten und Besuchern Zugang zu den Grünflächen auf den Dächern der Brücken. Die Dachterrasse auf der westlichsten Brücke ist über eine gewundene Außentreppe für die Öffentlichkeit zugänglich und eröffnet Panoramablick auf den Hai He Fluss und die gesamte Halbinsel Yujiapu.

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Die Pavillons sind durch Brücken verbunden, deren begrünte Dächer Erholung und Ausblick auf den Fluss bieten.

Die Idee, in China eine Zweigstelle der Juilliard School zu errichten, entstand bereits im Jahr 2012. Mit gutem Grund und großer Hoffnung, wie das Magazin Times Higher Education Tianjin Juilliard Geschäftsführer Alexander Brose zitiert: „Die Begeisterung für klassische Musik ist beispiellos. Die Zukunft klassischer Musik könnte in China liegen“. Nirgendwo sonst strömten sogar Kinder begeistert in Konzertsäle, um schwierigen, mehrstündigen Werken zu lauschen. Mit der neuen Ausbildungsstätte wolle man breiteren Zugang zur Musik bieten – mit der Möglichkeit, in Tianjin statt New York zu studieren.

Architektur für erstklassigen Kulturgenuss

Für Diller, Scofidio + Renfro ist die Tianjin Juilliard School ein weiteres musik-affines Großprojekt. Für die Umsetzung des Entwurfs des London Centre for Music gibt es zwar noch keinen Termin, doch die Pläne verheißen in der Tat ein Kulturzentrum mit grandiosen Konzerthallen.

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Die große Konzerthalle der neuen Tianjin Juilliard School.

Das New Yorker Architekturbüro, das 2019 mit dem Architecture Prize der britischen Royal Academy of Arts (RA) ausgezeichnet wurde, erntet derzeit insgesamt viel Lob und Ehre. So wurden sowohl sein ebenfalls bald fertiges Olympisches und Paralympisches Museum der USA in Colorado Springs, als auch die Tianjin Juilliard School von renommierten Architekturmagazinen in deren Listen der 2020 am meisten erwarteten Gebäude aufgenommen. Was Chinas Fans westlicher Klassik-Klänge dabei besonders freuen dürfte: Die neue Talenteschmiede in Tianjin wird diesbezüglich in „Domus“ genannt – also in einer Fachpublikation aus Italien, der Heimat großer Komponisten von Verdi und Puccini bis Ennio Morricone, der übrigens zwei Oscars sein Eigen nennt.

Text: Elisabeth Schneyder

Bilder: Diller, Scofidio + Renfro

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