Facelift für den Plattenbau

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Das dänische Architekturbüro Tegnestuen Lokal hat dem hässlichsten Wohnblock in Kopenhagen ein sensationelles Makeover verpasst. Statt mit Betonfassade grüßt der Plattenbau Ørsteds Haver nun mit einer Front aus verglasten Loggien.

Es war einmal ein trister Plattenbau aus den 1960er-Jahren, wie er häufig im urbanen Raum zu finden ist. Ein rationalistischer Laubengang an der Front bildete den Zugang zu den Wohnungen. Durchgehende Betonbrüstungen dominierten das Erscheinungsbild. Nach einem chirurgischen Eingriff an der Fassade ist der Bau heute nicht mehr wiederzuerkennen. Das Projekt Ørsteds Haver (deutsch: Ørsted-Gärten) vom Kopenhagener Architekturbüro Tegnestuen Lokal liefert aber weit mehr als nur eine optische Aufwertung der in die Jahre gekommenen Wohnhausanlage.

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Der Plattenbau aus den 1960er-Jahren galt als Schandfleck im Viertel.

Vom Schandfleck zum Eyecatcher

Während brutalistischen Bauten dieser Art bislang oft die Abrissbirne drohte, versucht man heute vermehrt, den Bestand aus ökologischen Gründen zu erhalten. Bei diesem Apartment-Block im Kopenhagener Viertel Frederiksberg ging das Konzept über eine rein energetische Sanierung weit hinaus. „Die Leitidee des Projekts Ørsteds Haver ist es, einen ganzheitlichen ökologischen, sozialen und architektonischen Kontrapunkt zu den pragmatischen Sanierungen zu schaffen, die im ganzen Land durchgeführt werden und oft einen einseitigen Fokus auf Energie haben“, heißt es in der Projektbeschreibung der Architekten.

Die neue Fassade bringt durch die schräg auskragenden Glasboxen eine dreidimensionale Komponente ins Spiel. Statt kruden Beton zeigt das Haus jetzt Holz, Glas und viel Grün, das in kleinen Gärten inner- und außerhalb der Glaskobel wächst. Wurde der Bau zuvor als architektonischer Schandfleck im Viertel wahrgenommen, so machte ihn die Transformation zum wahren Eyecatcher.

Ørsteds Haver hat ein baufälliges Gebäude transformiert, das als hässlichster Block der Gegend galt.

Christopher Carlsen, Architekt

„Ørsteds Haver hat ein baufälliges Gebäude transformiert, das als hässlichster Block der Gegend galt“, sagt Christopher Carlsen, der Mitbegründer von Tegnestuen Lokal. „Das Haus war ausdruckslos und abweisend und ist nicht gerade in Würde gealtert. Unser Ziel war es, einen neuen gemeinschaftlichen Raum zu schaffen, um das soziale Gefüge im Gebäude zu stärken.“

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Das Architekturbüro Tegnestuen Lokal hat den vormals unsozialen Laubengang in einen neuen gemeinschaftlichen Raum verwandelt.

Qualitative Raumgewinnung

Die neu gewonnene Attraktivität des sechsstöckigen Gebäudes geht mit einer qualitativen Raumgewinnung einher. Alle Wohnungen verfügen nun über geschützte Outdoor-Bereiche, die geschossweise miteinander verbunden sind und so zur sozialen Interaktion einladen. Mieter können hier gemütlich sitzen, ihre Gärten pflegen und sich mit anderen austauschen. Für Kinder eröffnet sich durch den Anbau ein ungeahnter neuer Freiraum.

Die Konstruktion besteht aus einem Stahlgerüst und Glas-Elementen, die sich öffnen lassen. So lässt sich der Raum zu verschiedenen Jahreszeiten nutzen. Manche Glasflächen sind durch Holzlamellen von außen beschattet. Kletterpflanzen können sich von den kleinen Gartenflächen hier emporranken und die Beschattung im Sommer verstärken.

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Holzlamellen beschatten die neuen Glas-Loggien an der Südseite.
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Die schräg auskragenden Boxen geben der neuen Fassade eine dreidimensionale Komponente.

Offene Wohnungstüren

Der neue Außenraum erhält den ursprünglichen Zweck des Laubengangs, befreit ihn aber gleichzeitig von der „unsozialen Beschaffenheit der ursprünglichen Architektur“, wie Carlsen einräumt. Die Architektur hat es hier geschafft, nicht nur den vorhandenen Bestand in die nächste Generation hinüberzuretten, sondern auch das Zusammenleben der Bewohner eindrücklich zu verbessern.

Wir brauchen visionäre Methoden, um unseren Gebäudebestand zu transformieren und an die Bedürfnisse der Zukunft anzupassen.

Christopher Carlsen, Architekt

„Die neue Fassade schützt die Apartments vor dem starken Verkehrslärm und hat die Art, wie die Bewohner in dem Gebäude leben, verändert“, erklärte der Architekt gegenüber dem Architekturmagazin „Dezeen“. „Die Wohnungstüren stehen nun offen, und Kinder durchstreifen den neuen Raum. Dadurch ist vor dem Gebäude ein lebendiger urbaner Raum entstanden, der die ehemals tristen Wohnungszugänge abgelöst hat.“

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Die Bewohner von Ørsteds Haver haben jetzt kleine Gärten vor der Tür, die sie selbst bepflanzen können.

Vorbild für andere Plattenbauten

Das dänische Architekturbüro sieht es als wichtige Aufgabe für eine nachhaltige Zukunft, an die Sanierung von Bestandsgebäuden möglichst innovativ heranzugehen. „Um eine nachhaltige Zukunft anzupeilen reicht es nicht, dass wir fortan nachhaltig bauen. Wir brauchen visionäre Methoden, um unseren Gebäudebestand zu transformieren und an die Bedürfnisse der Zukunft anzupassen“, heißt es in einem Projekt-Statement.

Carlsen ist davon überzeugt, dass diese Fassadensanierung als Vorbild für viele weitere Plattenbauten aus den 1960er-Jahren dienen kann. „Ørsteds Haver ist ein Beispiel für ein Projekt, das eine generische Fassadensanierung auf eine ganz neue Ebene gehoben und damit ein negativ behaftetes Gebäude zum Wohle der Umwelt, der Bewohner und des umliegenden Stadtraums zukunftsfähig gemacht hat.“

Text: Gertraud Gerst Fotos: Hampus Berndtson, Tegnestuen Lokal

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