Eine Kathedrale der Mobilität

Eine Luftaufnahme eines modernen Busbahnhofs mit mehreren Bussteigen.
Nach zehn Jahren Bauzeit wird der neue Bahnhof im belgischen Mons nun endlich fertig. Entworfen wurde das spektakuläre Gebäude von Spaniens Top-Architekt Santiago Calatrava.

Es ist nun bald schon zehn Jahre her, dass mit dem Bau begonnen wurde. Und ausgeschrieben wurde gar schon 2004. Den neuen Hauptbahnhof für Mons hat auch nicht irgendwer entworfen - sondern niemand geringerer als der spanisch-schweizerische Architekt, Bauingenieur und Künstler Santiago Calatrava Valls hat damals die Pläne für den neuen Verkehrsknotenpunkt der Hauptstadt der wallonischen Provinz Hennegau in Belgien vorgelegt.

Luftaufnahme des Bahnhofs Mons bei Dämmerung.
Entwurf für den neuen Hauptbahnhof in Mons.
Eine futuristische Architekturstruktur mit mehreren länglichen, gebogenen Elementen.
Die kathedralenartige Halle spannt sich quer über die Gleise.

Multimodaler Bahnhof Mons

Der multimodale Bahnhof Mons von Spaniens Top-Architekt nimmt zwar kontinuierlich Gestalt an. Jedoch ist es in der Vergangenheit immer wieder zu Verzögerungen gekommen: Das eine oder andere beteiligte Bauunternehmen sah sich mit der Insolvenz konfrontiert. Aber nächstes Jahr, also 2021, sollen die Arbeiten definitiv abgeschlossen sein.

Eine Modellansicht eines modernen Bahnhofs mit mehreren Bahnsteigen und Fußgängerbrücken.
Calatrava nimmt gern bei natürlichen Bio-Strukturen Anleihe.

Das ist ärgerlich für die Pendler einerseits und für die Stadtverwaltung andererseits. Denn mit dem Bahnhof Mons sind zwei weitere Baustellen verknüpft, die Entwicklung des Place Léopold und die Entwicklung des Place des Congrès neben dem Palais des Congrès, dem Kongresspalast. Diese Arbeit und die Verfahren für die Auftragsvergabe können erst beginnen, wenn das Gröbste rund um den Bahnhof erledigt worden ist.

Luftaufnahme von einem Bauplatz in Mons mit Gleisen und Gebäuden.
Der Bauplatz in Mons von oben.

Enger Zeitplan

Das Problem dabei: Die Stadt Mons hat nicht ewig Zeit dafür. Sie hat sich laut belgischen Medien 12 Millionen Euro an EU-Mitteln aus dem EU-Strukturfonds Europäischer Fonds für Regionalentwicklung EFRE gesichert, um die beiden Plätze zu renovieren, inklusive Kanalisationssystem, Beleuchtung und neuem Bürgersteig. Die Mittel können bis 31. Dezember 2023 abgerufen werden, dann läuft die Frist ab.

Das moderne Kongresszentrum in Holzoptik, entworfen von Daniel Libeskind.
Das „Mons International Congress Xperience” (MICX) Kongresszetrum von Studio Libeskind in Kooperation mit H2a Architecte & Associés.

Wer in Mons noch Humor hat witzelt, dass die Europäische Kulturhauptstadt 2015 mit ihren rund 100.000 Einwohnern das architektonische Chaos selbst zur Kunstform erhoben hat. Dabei hat unweit der Schienen ein weiterer architektonischer Weltstar, Daniel Libeskind, die Kleinstadt südwestlich von Brüssel mitgestaltet. Dort wurde sein raumschiffartiges Kongress-Zentrum mitten in Brachland gebettet.

Skulpturales Tragwerk

Aber zurück zum Thema. Der Entwurf und die entstehende kathedralenartige Stahlkonstruktion machen Calatravas Ruf alle Ehre. Ist der dank seiner ingenieurtechnischen Kenntnisse auf die Konstruktion von Brücken und Bahnhöfen spezialisierte Calatrava doch bekannt für die futuristisch wirkende Um- und Neugestaltung von Infrastrukturbauten.

Das Oculus-Gebäude in New York City mit Menschen auf einem Zebrastreifen.
Calatravas „Oculus” bei der Port Authority Trans-Hudson Station am Ground Zero in New York.

Viele seiner Objekte stechen durch die skulpturale Wirkung des Tragwerks hervor. Calatrava zieht immer wieder Parallelen zu natürlichen Bio-Strukturen wie Blattwerk, Skelette oder Flügel.

Beispiele gefällig: Bahnhof Zürich Stadelhofen (1990), Bahnhof Lyon-Saint-Exupéry TGV (1994), der Bahnhof Liège-Guillemins (2009). Und last but not least der Umsteigebahnhof am Ground Zero in New York, die Port Authority Trans-Hudson Station (PATH) – eine etwa zur Hälfte oberirdisch geführte U-Bahn, die teilweise den Charakter einer S-Bahn hat (2016). Ebenfalls am Ground Zero gewann Calatrava den Wettbewerb für den Nachfolgebau der zerstörten griechisch-orthodoxen St. Nicholas Kirche.

Die St. Nikolaus-Kirche im World Trade Center-Komplex in New York.
Der von Calatrava entworfene Nachfolgebau der zerstörten griechisch-orthodoxen St. Nicholas Kirche.

Verbindung zweier Stadtteile

Die Galerie des neuen Bahnhofs in Mons, die die Gleise und Bahnsteige überbrückt, wird zwei bis dato voneinander getrennte Bereiche der Stadt miteinander verbinden: das weniger dichte Wohngebiet im Norden mit dem historischen Kern im Süden.

Eine Baustelle mit einer großen Stahlkonstruktion in der Nähe eines Bahnhofs bei Nacht.
Bei der Realisierung wurde die Stahlkonstruktion über die durchgehend genutzten Schienentrassen geschoben.

Am bereits erwähnten Place Léopold sind am Südeingang des Bahnhofs der Busbahnhof und etwa 500 Tiefgaragenplätze vorgesehen. Nördlich des Bahnhofs enstehen an der Place des Congrès ein unterirdisches Gebäude mit Technik-Räumen und rund 350 weiteren Stellplätzen. „Nach der Fertigstellung wird der Bahnhof Mons die Synergie zwischen Kultur und Spitzentechnologie für die Stadt symbolisieren”, so das Architekturbüro Calatrava.

Bautechnische Herausforderung

Jedenfalls verlangt der Bau in der Umsetzung einiges ab. Eine Tausende Tonnen schwere Stahlkonstruktion wurde über die durchgehend genutzten Schienentrassen geschoben. Sie bildet die Halle des neuen Hauptbahnhofs. Diese Verbindungsbrücke soll künftig auch als Shopping Mall fungieren.

Bauarbeiten an einer Treppe auf einem Platz in Mons, Belgien.
Eine im Bau befindliche Brücke mit einer filigranen Stahlkonstruktion überspannt eine Straße.
Der funktionale, organisch-futuristische Designansatz ist für Calatrava typisch.
Die Baustelle des Planetariums in Mons mit mehreren Baukränen im Hintergrund.
Eine große, weiße Stahlkonstruktion unter blauem Himmel, möglicherweise im Bau.
Technisch haben die spektakulären Bauwerke Calatravas einiges zu bieten.

Die Halle wurde Stützjoch für Stützjoch neben dem bisherigen Bahnhof zusammengesetzt. Am Ende des langgestreckten Innenraum befindet sich ein nach unten offenes Satteldach. Der neue Bahnhof wird dann an der Stelle des alten stehen. An den beiden Stirnseiten schließen große Freitreppen den Bau ab. Darüber erstrecken sich zwei jeweils 31 Meter auskragende Baldachine.

Ein Zug steht an einem Bahnhof mit einer markanten, weißen Dachkonstruktion.
Eine Betonkonstruktion mit Stahlbewehrung auf einer Baustelle.

Das Projekt erstreckt sich in Summe über ein Gebiet von etwa zwei Kilometern Länge, präzisiert das lokale, auf die Planung und Ausführung von Eisenbahn- und Architekturprojekten spezialisierte Ingenieurbüro Eurogare S.A., das 1993 von der Belgischen Bahngesellschaft SNCB mitgegründet wurde.

Ein Übersichtsplan des Geländes am Bahnhof Mons mit verschiedenen Gebäuden und Infrastrukturprojekten.

Das Schienennetz erfuhr eine Neugestaltung beziehungsweise Verringerung der Anzahl der Gleise, die Anschlussgleise wurden außerhalb des Bahnhofs neu gebündelt. Die neue Streckenführung erhöht die Geschwindigkeit bei der Einfahrt in den Bahnhof von 60 auf 120 km/h. Zusätzlich zu den drei reinen Bahnsteigen verfügt der Bahnhof über zwei gemischt genutzte Bahnsteige.

Text: Linda BenköVisualisierungen/Fotos: Calatrava, Eurogare SA, tmrw.se, Hufton+Crow, Tribeca Citizen

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