Notariate: „Vernünftige Beratung ist gefragt“
In Österreich sind rund 500 Notarinnen und Notare tätig – wie haben diese den Corona-Lockdown erlebt?
Michael Umfahrer: Wie viele andere Betriebe auch. Wir Notare sind ein freier Beruf und somit selbstständige Unternehmer. Anfangs gab es einige Unsicherheiten: Am ersten Wochenende Mitte März war angesichts des allgemeinen Betretungsverbots etwa nicht klar, ob wir den Betrieb weiter aufrecht halten können. Eine Stilllegung der Notariate wäre aber problematisch gewesen, da wir ja Rechtsdienstleister sind und gleichzeitig Aufgaben der Gerichte wahrnehmen.
Das heißt, die Notare konnten weiter arbeiten?
Ja, die Notariate sind vom allgemeinen Betretungsverbot ausgenommen worden. Jeder Notar konnte somit selbst entscheiden, ob er nur einen Journaldienst oder einen Schichtbetrieb einrichtet oder doch vorübergehend schließt.
Dr. Michael Umfahrer ist seit Oktober 2019 Präsident der Österreichischen Notariatskammer. Nach dem Studium der Rechtswissenschaften an der Universität Wien legte er 1987 die Notariatsprüfung ab und ist seit 1998 als öffentlicher Notar in eigener Kanzlei tätig, die letzten 15 Jahre davon in Wien.
www.notar.at
Gab es in den Notariaten Kurzarbeit?
Ja, die Möglichkeit hat es gegeben und wurde von einigen auch wahrgenommen.
Wie haben Sie es in Ihrer Kanzlei gehandhabt?
Meine acht Mitarbeiterinnen und die drei Notariatskandidaten sowie ich haben viel im Home Office gearbeitet. Besprechungen haben beinahe ausschließlich in Form von Videokonferenzen stattgefunden. Die Kanzlei war auf einen Notbetrieb reduziert. Es hat sich zwar gezeigt, dass es funktioniert, aber es war eine große Herausforderung. Zum Beispiel, weil nicht alle Akten eingescannt waren, die zu bearbeiten waren. Wir sind halt noch nicht zu 100 Prozent digital. Seit Anfang Mai haben wir wieder unter Einhaltung der Sicherungsmaßnahmen auf Normalbetrieb umgestellt – zur großen Freude aller Beteiligten. Unser Beruf ist einfach stark personenbezogen, es geht viel um Beratung, Rechtssicherheit und Aufklärung. Videokonferenzen sind zwar möglich, aber es gibt Grenzen.
Österreichs Notare gelten als Vorreiter in Sachen Digitalisierung – man denke etwa an cyberdoc zur Archivierung der Urkunden oder an die digitale GmbH-Gründung. Wie sehr ist diese Vorreiterrolle den Notariaten in dieser Situation entgegen gekommen?
Das war und ist ein großer Vorteil. Vor allem, dass wir schon vor zwei Jahren die Beurkundungen und Beglaubigungen im Rahmen der digitalen GmbH-Gründung online modelliert haben, hat uns jetzt sehr geholfen. Denn eigentlich arbeiten wir ja face to face, aber das war wegen der Covid-Maßnahmen verboten. Angesichts der positiven Erfahrungen mit der digitalen GmbH-Gründung hat uns der Gesetzgeber bis Jahresende die Möglichkeit gegeben, alle notariellen Amtstätigkeiten online durchzuführen.
Gehen Sie von einem Digitalisierungsschub aus?
Definitiv, auch wenn dieser Entwicklungsschub erzwungen war. Aber wir alle haben gesehen, dass wir mit digitalen Technologien während einer Pandemie ganz gut arbeiten können. Man wird sehen, was man in Zukunft davon mitnehmen kann. Wichtig ist es, die Technik wirklich nur als zusätzliches Dienstleistungsinstrument zu sehen – nicht mehr und nicht weniger. Sie kann helfen, unnötige Wege zu vermeiden, damit Zeit und Ressourcen zu sparen und die Umwelt zu schützen. Sensible Dinge muss man aber immer noch im persönlichen Kontakt besprechen,. Es spricht aber nichts dagegen, die finale Beurkundung eines bereits ausgearbeiteten Vertrages online durchzuführen. Der Notar ist dort und da dabei und gewährleistet Sicherheit.
Das Versammlungsverbot hat digitale Hauptversammlungen ermöglicht, wie stehen Sie dazu?
Jede Gesellschaft kann derzeit selbst entscheiden, ob sie die Hauptversammlung digital durchführt oder auf Herbst verschiebt. Das funktioniert nach meiner Erfahrung auch ganz gut. Je größer der Aktionärskreis freilich ist, desto problematischer wird es bei der digitalen Version, da die Aktionäre nur eine beobachtende Rolle einnehmen. Denn eigentlich muss jeder Aktionär zuhören, zuschauen, mitdiskutieren und abstimmen können. Ein anderes Problem ist, dass bei börsenotierten Unternehmen den Aktionären eine Stimmrechtsbevollmächtigung aufgezwungen werden kann, wodurch sich die Haftung und Verantwortung gegenüber dem Aktionär zum Bevollmächtigten verschiebt. Das ist nicht optimal, weil sich die Aktionäre die Bevollmächtigten nicht frei aussuchen können. Darüber sollte man noch einmal reden.
Die Themen Krankheit und Tod waren in den letzten Wochen ebenfalls omnipräsent. Hat es eigentlich eine größere Nachfrage nach Vorsorgevollmachten oder Testamenten gegeben?
Momentan nicht. Aber ich kann mir durchaus vorstellen, dass die Corona-Krise dem einen oder anderen diesbezüglich sehr wohl einen Denkanstoß versetzt hat.
Wir stecken in einer veritablen Wirtschaftskrise, viele Unternehmen kämpfen ums Überleben. Was brauchen diese, wie können die Notare unterstützen?
Unternehmen brauchen jetzt eine vernünftige Beratung und Begleitung. In den letzten Wochen waren viele von ihnen mit sich selbst beschäftigt, beispielsweise mit Anträgen auf Kurzarbeit und ähnliches. Jetzt denken sie an die Zukunft und in diesem Zusammenhang tauchen viele Fragen auf.
Welche denn?
An uns werden derzeit viele strukturelle Fragen herangetragen. Meist geht es dabei um Überlegungen zu Umstrukturierungen, die Anpassungen an die aktuelle Situation ermöglichen sollen. Das heißt, meist geht es ums Überleben.
Wo sehen Sie die größte Herausforderung im Zusammenhang mit dem Aufbau der Wirtschaft?
Die größte Herausforderung ist es, dabei ein vernünftiges Maß zu finden, damit es keine zweite Welle gibt. Dazu gehört, die digitalen Möglichkeiten, mit denen wir uns jetzt angefreundet haben, zu nutzen, um die notwendige Distanz einhalten zu können.
Familienbetriebe sind das Rückgrat der österreichischen Wirtschaft. Aus diesem Grund startet an dieser Stelle wieder die Serie „Family Business“. Immer in der letzten Woche vor Monatsende.
Weiterführende Informationen erhalten Sie auf www.notar.at.
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