„Betriebe brauchen Innovation und Tradition“
Zumindest zehn Jahre sollten Betriebsinhaber für die Nachfolgeregelung einplanen, rät Verena Nothegger, Notarsubstitutin in Wels. Die Nachfolger wiederum sollten bei Neuerungen Fingerspitzengefühl beweisen.
Tausende Unternehmen suchen in den nächsten Jahren einen Nachfolger. Eine Suche, die nicht einfach ist und immer wieder auch ergebnislos verläuft – worauf führen Sie das zurück?
Verena Nothegger: Ich habe den Eindruck, dass sich die Vorstellungen von und die Ansprüche an die Arbeitswelt verändert haben. Ein Unternehmen fortzuführen ist heute nicht mehr modern. Die jüngere Generation ist zur Kreativität erzogen, sucht ständig Veränderung und will sich selbst verwirklichen. Die Gründung von Start-ups entspricht viel eher dem Lebensstil der jungen Generation. Außerdem wollen junge Menschen gleich nach der Ausbildung etwas bewegen, nicht erst im Alter von 40 oder 45 Jahren. Ich denke, dass auch deswegen immer weniger Betriebe familienintern übergeben werden. Leider beginnen viele Unternehmer viel zu spät mit der Suche nach einem Nachfolger und kommen dadurch unter Druck.
Wann wäre denn der geeignete Zeitpunkt?
Man sollte zumindest zehn Jahre vor dem geplanten Übergabetermin mit der Suche beginnen. Wobei die Nachfolge-Frage nie ungeregelt sein sollte: Man sollte auch für den plötzlichen Ausfall oder Todesfall vorsorgen.
Warum so früh?
Das hat verschiedene Gründe. Einer ist die Suche nach einem geeigneten Nachfolger. Kommt dieser nicht aus der Familie, muss er anderweitig gesucht werden. In diesem Fall gilt es zu klären, ob der Betrieb in Familienbesitz bleibt und ein Geschäftsführer gesucht wird, oder ob das Unternehmen verkauft wird. Sei es an einen Fremden, sei es an einen langjährigen Mitarbeiter – wobei letzteres häufig an der Finanzierung scheitert. Ein anderer Grund ist, dass Übergeber das Unternehmen auf die Übergabe vorbereiten sollten.
Sie meinen finanziell ...
Nicht nur. Es sollten auch die Mitarbeiter auf die Übergabe vorbereitet und allenfalls der Übernehmer im Rahmen einer Übergangsfrist in das Unternehmen eingegliedert werden. Gerade, wenn es sich um eine familieninterne Übergabe handelt, entstehen dabei zusätzliche Fragen: Sind mehrere Kinder vorhanden, geht es nicht nur darum, wer den Betrieb übernimmt, sondern auch darum, wie die Abfindung der weichenden Geschwister geregelt wird.
Ein großes Thema in diesem Zusammenhang ist ja deren Auszahlung ...
Absolut, denn diese kann zu großen finanziellen Problemen für das Unternehmen führen. Ich kann daher jedem Betriebsinhaber nur raten, rechtzeitig ausreichendes Privatvermögen aufzubauen, damit weichende Nachkommen abgefunden werden können. Idealerweise wird mit diesen ein Pflichtteilsverzicht errichtet.
Hat die Pandemie in diesem Zusammenhang etwas verändert?
Ich beobachte, dass derzeit tendenziell mehr über Übergaben nachgedacht wird, diese aber nicht zwingend auch geregelt werden. Vermehrt wird mittels Testaments nur eine „Mindestvorsorge“ angestrebt.
Worauf sollte man bei einer Übergabe rechtlich und steuerlich besonders achten?
Da gibt es Vieles. Beispielsweise sollte man prüfen, ob die bisherige Rechtsform auch künftig passt oder ob der Gesellschaftsvertrag adaptiert werden muss, etwa, weil sich durch die Übergabe Mehrheiten verschieben. Ein großes Thema ist die Haftung: Wer einen Betrieb oder ein Unternehmen übernimmt, haftet beispielsweise für unternehmensbezogene Verbindlichkeiten, die er bei Übergabe kannte oder kennen musste.
Auch die Nachhaftung des Übergebers ist zu beachten bzw. zu regeln. Einen Blick sollte man auch in den Mietvertrag werfen, es kann nämlich durch die Übernahme unter Umständen zu einer Erhöhung des Mietzinses kommen. Steuerlich können Umsatz- und Einkommenssteuer anfallen, gegebenenfalls auch Grunderwerbssteuer. Nicht zuletzt sollte man das Pensionsversicherungsrecht beachten, um den idealen Stichtag für den Pensionsantritt herauszufinden.
Die Nachfolgefrage sollte nie ungeregelt sein.
Das klingt sehr komplex ...
Das ist es auch. Genau deshalb sollte man auch immer Experten zu Rate ziehen – insbesondere den Steuer-berater und einen Rechtsberater.
Worin sehen Sie die größten Herausforderungen bei einer Übergabe beziehungsweise Übernahme?
Abgesehen von den bereits erwähnten rechtlichen und steuerlichen Themen ist es sicher die emotionale Ebene. Denn für viele Übergeber ist es nicht leicht, sich zurück zu ziehen und loszulassen.
Was würden Sie Übergebern und Übernehmern daher raten?
Übergebern würde ich raten, sich rechtzeitig mit der Übergabe auseinander zu setzen. Übernehmer wiederum sollten eine Balance zwischen dem Bewahren alter Methoden und der Umsetzung innovativer Ideen schaffen. Betriebe brauchen Innovation und Tradition.
Bei familieninternen Übergaben ist es darüber hinaus auch ganz wichtig, die Rollen für die Zeit nach der Übergabe klar zu definieren. Wenn der Übergeber zwar rechtlich aus dem Unternehmen ausgeschieden ist, aber tatsächlich die Zügel nicht aus der Hand gibt, befindet sich der Übernehmer in einer schwierigen Position – sowohl Mitarbeitern als auch Kunden, Banken und Lieferanten gegenüber.
Sie selbst arbeiten im Notariat Ihres Vaters mit – gab es da auch Herausforderungen für Sie beide zu bewältigen?
Bei uns ist die Situation ein wenig anders: Aus berufsrechtlichen Gründen kann es keine familieninterne Übergabe geben. Das Notariat wird zur Neubesetzung ausgeschrieben. Wir bereiten daher eine „Übergabe“ an Unbekannt vor.
Und Sie haben in diesem Zusammenhang Ideen eingebracht?
Ja. Wir haben beispielsweise alle Systeme zur Errichtung digitaler Urkunden implementiert, neue Hard- und Software gekauft und die Mitarbeiter entsprechend geschult.
Haben Sie einen Tipp für andere Nachfolger, damit auch sie Neuerungen einführen können?
Man sollte sich Zeit nehmen, diese zu besprechen. Manchmal ist es besser Ideen bei gemütlichen abendlichen Gesprächen einzustreuen, im Büro ist tagsüber keine Zeit dazu. Weiters sollte man Innovationen behutsam umsetzen. Nicht immer bringen neue Ideen auch eine Verbesserung. Wichtig ist weiters, dass beide Generationen einander immer auf Augenhöhe begegnen.
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