Gesundheit 4.0: So bereiten sich die Führungskräfte von morgen auf die Zukunft vor

Gesundheit 4.0: So bereiten sich die Führungskräfte von morgen auf die Zukunft vor
Ob Fachkräftemangel, Verordnungen oder medizintechnischer Fortschritt: Das Gesundheitswesen kämpft mit vielen Herausforderungen. Matthias Scherer, Leiter des Lehrgangs Health Tech Management, hat uns verraten, wie die Technikum Wien Academy die Führungskräfte von morgen auf Health 4.0 vorbereitet.

Im Gesundheitswesen herrscht Fachkräftemangel, und zwar nicht nur in der Pflege, sondern auch in vielen anderen Bereichen. Vor allem im medizintechnischen Bereich braucht es versierte Mitarbeiter*innen, die sich sowohl mit Technik und Digitalisierung als auch mit regulatorischen Anforderungen auskennen. Um diesem Mangel entgegenzuwirken und für die Herausforderungen, die Health 4.0 mit sich bringt, gewappnet zu sein, hat die Technikum Wien Academy den MBA Health Tech Managment ins Leben gerufen. Wir haben mit Matthias Scherer, Leiter des Lehrgangs Health Tech Management, darüber gesprochen, wie sich die Digitalisierung auf das Gesundheitswesen auswirkt, wie Unternehmen damit Schritt halten können und was Studierende im Lehrgang lernen.

KURIER: Was ist Health Tech? Was dürfen sich unsere Leser*innen darunter vorstellen?

Scherer: Health Tech ist ein Bereich der sogenannten Lebenswissenschaften, im internationalen Bereich besser bekannt als Life Science. Medizintechniker*innen befassen sich dabei mit der Technik, die hinter der Life Science steckt. Darunter fallen Bereiche wie die Biotechnologie, Medizinprodukte oder auch In-vitro-Diagnostika – also alle Bereiche, wo wir Technik brauchen, um Menschen gesund zu halten oder um Menschen zu heilen.

Jeder Mensch, der ins Krankenhaus oder zu einer*einem Ärztin*Arzt geht, möchte, dass das Medizinprodukt, mit dem er oder sie behandelt wird, sicher ist. Deshalb ist der Bereich so wichtig. Daran lässt sich auch schön erkennen, dass für Medizintechniker*innen nicht nur die Technik, sondern auch der regulatorische Bereich und das Qualitätsmanagement eine große Rolle spielen. Wenn jemand eine grandiose Idee für ein neues Medizinprodukt hat, dieses aber von der EU nicht zugelassen wird und damit nie auf den Markt kommt, nützt es niemandem etwas.

Gesundheit 4.0: So bereiten sich die Führungskräfte von morgen auf die Zukunft vor

Matthias Scherer im Gespräch mit dem KURIER. 

Der MBA Health Tech Management ist relativ jung. Warum wurde er ins Leben gerufen?

Alles begann damit, dass 2017 die MDR – die Medical Device Regulation oder Medizinprodukteverordnung – in der EU in Kraft trat. Damit schuf die EU einheitliche Richtlinien für Medizinprodukte und In-vitro-Diagnostika, um die Sicherheit der Patient*innen zu erhöhen. Der Anlass dafür war ein Skandal mit Brustimplantaten, bei dem mehrere tausend Frauen Schäden davongetragen haben.

Diese EU-Verordnung beschäftigt Medizintechniker*innen bis heute, denn der Bedarf an Fachkräften, die einen Gesamtüberblick über dieses komplexe Thema haben, ist enorm gestiegen. Viele Menschen in der Branche sind zwar unheimlich technikaffin, aber sie kennen sich mit den regulatorischen Anforderungen, also mit Normen, Dokumentanforderungen, Standards und Co nicht aus. Der Lehrgang Health Tech Management war die Antwort auf die große Nachfrage und vereint die Themen Wirtschaft, Technik und regulatorische Anforderungen in einem MBA.

Der Bedarf an Fachkräften, die einen Gesamtüberblick über dieses komplexe Thema haben, ist enorm gestiegen.

von Matthias Scherer

Warum ist die Medizinprodukteverordnung so wichtig?

Es gibt hier zwei Verordnungen, die wichtig sind: erstens die MDR für Medizinprodukte und zweitens die IVDR für In-vitro-Diagnostika. Ein In-vitro-Diagnostikum ist ein Medizinprodukt, das speziell dafür da ist, menschliche Proben im Labor-Setting zu testen. Ein klassisches Beispiel dafür ist der altbekannte Corona-Gurgeltest. Für diese beiden Bereiche gibt es eben unterschiedliche Verordnungen der EU, die unterschiedliche Risikoklassen für In-vitro-Diagnostika und Medizinprodukte definieren. Jede*r weiß, dass ein Gehstock ein weniger gefährliches Medizinprodukt ist als ein Röntgenapparat. Und dafür gibt es Klassen, wie das eingeteilt wird. Diese MDR ist deshalb so wichtig, weil sie in der EU einheitliche Maßnahmen geschaffen hat, sodass Sie sich sicher sein können, dass ein Medizinprodukt aus den Niederlanden dieselben Rahmenbedingungen wie ein Produkt aus Österreich, Deutschland oder Italien hat.

Mit welchen Herausforderungen kämpft die Branche – neben der Medizinprodukteverordnung - noch?

Zeit ist eine große Herausforderung. Durch die neuen Verordnungen dauern alle Prozesse, bis es zu einem neuen Medizinprodukt kommt, viel länger. Deswegen ist es für uns – auch im Lehrgang – wichtig, amerikanische und asiatische Märkte miteinzubeziehen und zu beobachten. Wir merken, dass viele Hersteller*innen von Produkten oft lieber zuerst auf den amerikanischen Markt gehen, weil dort die Prozesse schneller gehen als in Europa. Das ist ein großes Problem, vor allem für die heimische Start-up-Szene. In Medizinprodukten stecken häufig große Kosten und Start-ups mit begrenztem Budget müssen sich dann gut überlegen, wo sie im Hinblick Reimbursement (Rückkehr des Kapitals) als erstes auf den Markt gehen. Eine weitere Herausforderung ist der technische Gesamtüberblick. Diesen zu bewahren, ist nicht einfach, und dahingehend wollen wir unsere Studierenden ausbilden.

Gesundheit 4.0: So bereiten sich die Führungskräfte von morgen auf die Zukunft vor

Das Interview fand in den modernen Räumlichkeiten der Technikum Wien Academy statt. 

Stichwort Gesamtüberblick: Welche Schwerpunkte gibt es im Lehrgang Health Tech Management?

Der Lehrgang ist ein MBA, also ein Master of Business Administration. Wirtschaftliche Inhalte wie Change Management, New Leadership, Team-Entwicklungen, Konfliktmanagement und Co sind demnach ein großer Teil. Dann gibt es einen Teil regulatorische Anforderungen und einen Teil, wo wir uns mit den rechtlichen Rahmenbedingungen auseinandersetzen. Aber auch Inhalte wie Usability oder User Experience finden sich im Curriculum.

Für fehlende Usability gibt es ein sehr bezeichnendes Beispiel aus den USA mit einem sogenannten „Procedure Pack“. Das dürfen Sie sich so vorstellen: Man reißt das Procedure Pack im Operationssaal auf und hat dann alle erforderlichen Instrumente sterilisiert für die OP vorliegen. In diesem Fall war es so, dass das Skalpell sich bei einer Frühgeburten-Notoperation nicht öffnen ließ und das Procedure Pack keine Bedienungsanleitung enthielt. Insgesamt gab es zehn solcher Zwischenfälle und in Folge starben zwei Kinder. Nach einem langen Gerichtsverfahren kam es zu einem Schuldspruch wegen der fehlenden Bedienungsanleitung. Das eigentliche Problem war hier aber nicht die fehlende Bedienungsanleitung, sondern die fehlende Usability des Medizinprodukts: Jede*r weiß, wie man ein Teppichmesser oder ein Cutter-Messer öffnet. Genauso sollte sich auch ein OP-Messer öffnen lassen.

Manche Interessent*innen haben Angst, dass sie bei uns hardcore Programmieren können müssen, weil wir ein Lehrgang an der Technikum Wien Academy sind. Dafür ist der MBA aber gar nicht ausgelegt.

von Matthias Scherer

Manche Interessent*innen haben auch Angst, dass sie bei uns hardcore Programmieren können müssen, weil wir ein Lehrgang an der Technikum Wien Academy sind. Dafür ist der MBA aber gar nicht ausgelegt. Es geht vielmehr darum, zu wissen, welche Technologien es gibt, und zu verstehen, was beispielsweise Künstliche Intelligenz, E-Health, D-Health oder Ähnliches heißt.

Wir sind die Technikum Wien Academy, das heißt, wir arbeiten schon mit Technik, aber wir arbeiten in diesem Lehrgang mit Technik eher im Sinne von Beispielen. Wir wollen die Führungskräfte von morgen ausbilden, und da braucht man nicht nur die wirtschaftlichen Kenntnisse, sondern einen guten Gesamtüberblick.

Studienplätze
24

Sprache
Deutsch

Abschluss
MBA

Organisationsform
Berufsbegleitend

Unterrichtsform
3 Anwesenheitsblöcke à 4 Tage pro Semester (Mi bis Sa)

Im Curriculum gibt es auch einige sehr datenlastige Inhalte - Stichwort Big Data, Software, UX. Wie sieht es mit der Digitalisierung im Medizinbereich in Österreich im Allgemeinen aus?

Wir sind stark, aber könnten noch stärker sein. Mit der ELGA (Elektronische Gesundheitsakte) haben wir einen großen Schritt in die richtige Richtung gemacht. Diese wurde bei uns im Haus mitentwickelt und ist ein wunderbares Tool, um Daten schnell zu vernetzen und zu teilen. Unsere Schwäche in Österreich ist, es zu schaffen, die ELGA flächendeckend auszurollen. Hier braucht es Bewusstseinsbildung dafür, dass die Daten mit der ELGA besser geschützt sind als früher, denn obwohl das so ist, gab es einen großen Aufschrei in der Bevölkerung, als die ELGA kam.

Generell geht der Trend in der EU dahin, sogenannte EHDS – European Health Data Spaces – zu schaffen. Das hat mit Corona angefangen mit dem Ziel, Daten aus unterschiedlichen EU-Ländern miteinander zu vernetzen, um Krankheiten besser bekämpfen zu können. Wenn beispielsweise mehrere europäische Institute gemeinsam an einer Forschung arbeiten, können sie ihre Daten gesichert in einem Health Data Space miteinander teilen. Das geschieht alles unter dem Schutz der EU, die darauf achtet, dass die Daten sicher sind, wenn sie von A nach B kommen.

Die Zeit, wo man Menschen mit Röntgentaschen mit Röntgenbildern in der U-Bahn gesehen hat, sollte jetzt wirklich vorbei sein.

von Matthias Scherer

Die Zeit, wo man Menschen mit Röntgentaschen mit Röntgenbildern in der U-Bahn gesehen hat, sollte jetzt wirklich vorbei sein. Das ist nicht mehr zeitgemäß und das muss auch nicht mehr sein. Es gilt, ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass die Daten in den Health Data Spaces wirklich sicher sind.

Auch Health Literacy ist ein Thema, wo in Österreich noch Aufholbedarf besteht. Damit gemeint ist, Gesundheitskompetenz aufzubauen. Wenn Sie beispielsweise von einer*einem Ärztin*Arzt hören, dass ihr Puls zu hoch ist, dann sollten Sie auch verstehen, was das für die Zukunft bedeutet und welche Maßnahmen Sie setzen sollten. Für uns als Techniker*innen bedeutet das, die Daten so aufzubereiten, dass sie leicht verständlich sind. Es geht also viel um Daten in nächster Zeit.

Gesundheit 4.0: So bereiten sich die Führungskräfte von morgen auf die Zukunft vor

Wirtschaft, Technik und regulatorische Anforderungen – der Lehrgang ist sehr breit aufgebaut. Brauchen die Studierenden Vorkenntnisse in diesen Bereichen?

Wir richten uns an Menschen aus der Branche genauso wie Quereinsteiger*innen. Im Sinne des Lifelong Learnings steht unser Lehrgang durchaus auch Personen offen, die keine große Vorerfahrung haben. Der MBA ist für Menschen, die Motivation zeigen, sich in diesem Gebiet ausbilden zu lassen. Es gibt allerdings gesetzliche Voraussetzungen. Das ist einerseits eine dreijährige, facheinschlägige Berufserfahrung, wobei wir uns diese immer im Einzelnen anschauen, weil wir eben auch Quereinsteiger*innen aufnehmen. Andererseits wäre mit einem Vorstudium die gesetzliche Zugangsvoraussetzung erfüllt.

Wenn Sie sich nicht sicher sind, ob Sie die Zulassungsvoraussetzungen erfüllen, melden Sie sich einfach hier. Das Team der Technikum Wien Academy steht Ihnen bei Fragen jederzeit gerne zur Verfügung.

Weitere Infos erhalten Sie auch im Rahmen des unverbindlichen Info-Abends am 14.08.2023 um 18.00 Uhr via Zoom.

Für den Lehrgang gibt es eine Partnerschaft mit der Firma en.co.tec: Wie sieht diese Partnerschaft aus? Inwiefern profitieren die Studierenden davon?

Wir haben die Partnerschaft mit en.co.tec ins Leben gerufen, weil wir einen Fachexperten für regulatorische Anforderungen im Qualitätsbereich in Österreich für den Lehrgang haben wollten. Diesen haben wir mit Martin Schmid gefunden, der in Unternehmen schon über 100 QM-Systeme (Qualitätsmanagement-Systeme) implementiert hat. Jede*r, der schon einmal an einer QM-System-Implementierung beteiligt war, weiß, was das für ein irrer Aufwand ist. Für uns gab es niemand besseren, um im Bereich regulatorische Anforderungen zu unterrichten. Die Studierenden profitieren insbesondere von seinem enormen Wissensschatz der letzten Jahre und können mit echten – natürlich anonymisierten - Fallbeispielen aus der Branche arbeiten.

Was spricht sonst für ein Studium an der Technikum Wien Academy?

Wir haben einen sehr guten Ruf. Durch die Arbeit mit Fachexpert*innen und Professor*innen, versuchen wir, diesen zu halten. Wir arbeiten am Puls der Zeit, bei uns gibt es nichts aus der Konservendose. Mit Menschen direkt zu arbeiten, ist unser USP. Bei uns wird Austausch großgeschrieben. Deshalb haben wir ein Hybrid-Format gewählt und bieten den Lehrgang nicht als ausschließliches Online-Format an.

Im Life Science Bereich gibt es rund 600 Unternehmen allein in Wien, aber im Vergleich zu anderen Branchen ist das immer noch ein Nischensektor. Daher ist die Vernetzung besonders wichtig. Wir haben bei uns im Haus Firmenmessen, bei denen sich Studierende mit Unternehmen aus der Branche vernetzen können. Zusätzlich wollen wir zukünftig auch Alumni-Treffen veranstalten, damit sich Studierende und ehemalige Studierende auch miteinander vernetzen können.