Software-Entwicklung: Nur etwas für Nerds?
Er ist, männlich, blass, ernährt sich nur von Pizza und Energy-Drinks und arbeitet in einem dunklen Büro im Keller: der Programmierer. Dass er auch Drucker repariert, leidenschaftlich gerne zockt und jedes Passwort knacken kann, liegt auf der Hand. Diese und viele weitere Mythen kursieren rund um die verschiedenen Berufe im IT-Sektor und sorgen nicht nur für ein schlechtes Image, sondern mitunter auch dafür, dass in der Branche akuter Fachkräftemangel herrscht. Mit dem Lehrgang Web-App-Development begegnet die Technikum Wien Academy der gestiegenen Nachfrage an Software-Entwickler*innen. Lehrgangsleiter Mathias Ballner und Absolventin Stefanie Pernicka haben uns Wissenswertes über den Studiengang verraten und die größten Vorurteile mit uns unter die Lupe genommen.
KURIER: Im IT-Bereich gibt es viele verschiedene Berufsbezeichnungen. Otto Normalverbraucher und Lieschen Müller können sich unter Job-Titeln wie „Scrum-Master“ oder „UX-Designer*in“ allerdings oft nur schwer etwas vorstellen. Was macht ein*e Web-App-Developer*in genau?
Ballner: Darunter fällt eigentlich alles, was zur Softwareentwicklung dazugehört: das sogenannte Requirements-Engineering, also die Anforderungsanalyse, bevor überhaupt ein Software-Produkt entsteht, die Konzeption, die Software-Architektur, das Design und auch das Entwickeln. Auch das Software-Testing und die Wartung gehören zu den Tätigkeiten von Software-Entwickler*innen. Und irgendwann wird die Software wieder neu programmiert, weil sie out of date ist. Dann beginnt der Zyklus wieder von vorne.
Der Lehrgang Web-App-Development gliedert sich in Web-Development und App-Development – oder wahlweise beides. Worin unterscheidet sich Web- und App-Development?
Ballner: Alle von uns kennen das Produkt eines*einer Web-Developers*Developerin – das ist eine Webseite bzw. eine Web-Applikation (Anmk. d. Verfasserin: Web-Applikationen und Apps sind nicht dasselbe), die wir im Browser, am PC oder am Smartphone nutzen. Web-Applikationen oder Webseiten gibt es schon seit über 30 Jahren, also etwa so lange, wie es auch das Internet gibt. Die Apps sind in den letzten zehn Jahren dazugekommen und daraus entstanden, dass wir eigentlich permanent einen PC – also unser Smartphone – mit uns herumtragen. Um diese Webseiten oder Applikationen besser bedienen zu können, gibt es eben Apps, die für das Smartphone optimiert sind und etwas anders programmiert werden als eine Web-Applikation. Der Unterschied liegt also im Endgerät der User*innen, weil man beim Programmieren andere Features verwenden möchte.
Studienplätze
20
Sprache
Deutsch
Abschluss
Akademische*r App-/Web-Developer*in
Organisationsform
Berufsbegleitend
Unterrichtsform
Präsenz
Je nach Semester Mo., Di. Abend bzw. Fr. Nachmittag
Weitere Infos zum Lehrgang finden Sie hier.
Was glauben Sie, warum sind Software-/ App-/ Web-Entwickler*innen gerade besonders gefragt?
Ballner: Prinzipiell sind alle Berufe, die mit Digitalisierung zu tun haben, jetzt gefragt – ob das Software-Development ist, Software-Testing oder auch Berufe im Bereich der IT-Sicherheit. Das liegt erstens daran, dass es zu wenige Web-Entwickler*innen bzw. App-Entwickler*innen gibt. Zweitens entwickelt sich der Bereich ständig weiter. Es gibt immer neue Services, die wir online nutzen können. Das reicht von Mobilitätsplattformen bis hin zu e-Government-Applikationen. Wir können heutzutage Finanzamt-Geschichten und alle möglichen Amtswege wie beispielsweise Wohnsitz-Änderungen online erledigen. Das funktioniert alles über Applikationen.
Gibt es eine Tendenz, welche Richtung Studierende lieber wählen? Gibt es beispielsweise mehr Studierende, die App-Development wählen, weil der Bereich neuer ist?
Ballner: Der Klassiker ist tatsächlich die Richtung Web-Development, weil es ein guter Einstieg ist bzw. der Lehrgang eine gute Basis bietet. Viele von unseren Studierenden sind Umsteiger*innen, die vorher etwas komplett anderes gemacht haben, z.B. im Web-Design tätig waren und sich dann in Richtung Web-Entwicklung weiterentwickeln möchten. Diejenigen, die App-Development machen, haben in der Regel vorher schon programmiert und machen den Lehrgang dann sozusagen als Draufgabe.
Stefanie Pernicka, Sie haben den Studiengang absolviert. Ist der Lehrgang ein guter Einstieg bzw. bildet er eine gute Basis für Quereinsteiger*innen?
Pernicka: Ich bin selbst Quereinsteigerin und war davor in einem Büro, wo ich sehr eng mit der IT-Abteilung zusammengearbeitet und – ganz ehrlich – kein Wort verstanden habe von dem, was sie geredet haben. Trotzdem musste ich die Plattform und das, was von ihnen implementiert wurde, testen. Darum habe ich mich an der Technikum Wien Academy beworben und den Lehrgang Web-App-Development – also beides, das volle Paket – gemacht. In diesem Lehrgang bekommen Studierende einen guten Überblick über die IT bzw. die Welt der Technik. Dadurch, dass ich das Studium begonnen habe und noch nicht wusste, in welche Richtung ich gehen möchte, hat mich am meisten angesprochen, dass verschiedene Felder abgedeckt sind. Das war der größte Anreiz für das Studium.
Wenn man sich die größten Klischees rund um die IT-Branche anschaut, dann ist „der Programmierer“ oder „der Informatiker“ in der Regel männlich. Auch die Beschäftigungsstatistik der WKO Österreich 2022 zeigt im Bereich der Informationstechnologie ein ähnliches Bild: Nur knapp über 30 Prozent der Dienstnehmer*innen sind Frauen. Wie sieht es mit dem Frauenanteil im Lehrgang Web-App-Development aus?
Ballner: 50/50. Auch für den nächsten Jahrgang haben wir wieder sehr viele Anmeldungen von Frauen. Man muss aber dazusagen, dass sich das über die letzten Jahre sehr verändert hat und der Frauenanteil stark gestiegen ist. Vielleicht sind diese Klischees oder diese Vorurteile des Hackers, der in der dunklen Kammer sitzt und programmiert, inzwischen doch ein wenig aufgeweicht worden.
Pernicka: An der FH Technikum Wien sind schon sehr viele Frauen, bei uns im Lehrgang waren etwa ein Drittel weiblich. Ich hatte aber kein Problem damit, dass wir mehr Männer als Frauen in meinem Jahrgang hatten. Wir haben uns alle gut verstanden und gut zusammengearbeitet.
Vielleicht sind die Klischees oder die Vorurteile des Hackers, der in der dunklen Kammer sitzt und programmiert, inzwischen doch ein wenig aufgeweicht worden.
Wenn man Vorurteilen Glauben schenkt, sind Frauen nicht gut in Mathematik. Nun heißt es, dass man zum Programmieren gut in Mathe sein muss. Könnte das ein Grund sein, warum weniger Frauen einen Beruf in der IT wählen?
Ballner: Das ist ein Gerücht. Es ist nicht notwendig, dass man gut in Mathe ist. Aber es stimmt, dass es für viele – Männer und Frauen – ein Abschreckungsgrund ist, denn der klassische Informatik-Studiengang beinhaltet zwei Semester Mathematik. Das ist für viele eine Hürde. Diese gibt es im Studiengang Web-App-Development allerdings nicht. Wir bieten mit diesem Lehrgang eine Berufsausbildung an und konzentrieren uns darauf, dass Studierende genau das lernen, was sie unbedingt brauchen, um programmieren zu können. Mathematik ist wichtig, wenn man beispielsweise Algorithmen (weiter-)entwickeln muss, da sollte man zumindest ein mathematisches Grundverständnis mitbringen, aber man muss nicht grundsätzlich gut in Mathe sein.
Welche Fähigkeiten oder Grundvoraussetzungen sollten Interessent*innen mitbringen, um für den Studiengang geeignet zu sein?
Ballner: Er oder sie sollte auf jeden Fall technikaffin sein. Das heißt, der Umgang mit Technik sollte einem Freude bereiten und keine Angst machen. Außerdem sollte man eine gewisse Problemlösungskompetenz mitbringen und keine Angst davor haben, Neues zu lernen. Die Branche entwickelt sich immer weiter und wenn man da ein, zwei Jahre mal nicht am Ball bleibt, ist man nicht mehr up to speed.
Pernicka: Man braucht auf jeden Fall ein großes Interesse an der IT. Wie bei jedem Studium – wenn du dich nicht irgendwie dafür interessierst, kommst du irgendwann nicht mehr weiter. Zudem braucht man Organisationstalent, weil der Studiengang Web-App-Development kein klassisches Studium wie beispielsweise an der Haupt-Uni ist, wo man sich den Stundenplan größtenteils selbst einteilen kann. Das heißt, dass man seine Freizeit gut planen muss. Es ist auch wichtig, dass man Teamplayer*in ist. Das beginnt schon beim Coden: Da arbeitet man immer im Zweier-Team, damit man sich gegenseitig den Code reviewen kann. Also selbst da ist man zu zweit. Dass Programmierer*innen Einzelgänger*innen sind, ist echt ein Vorurteil, das nicht stimmt.
Dass Programmierer*innen Einzelgänger*innen sind, ist echt ein Vorurteil, das nicht stimmt.
Welche Schwerpunkte gibt es im Studium? Welche Fähigkeiten lernen Studierende?
Ballner: Die Schwerpunkte liegen in der Programmierung und allem, was dazugehört: Von der Anforderungsanalyse – Requirements Engineering – über Projektmanagement, agiles Arbeiten und agile Methoden bis hin zum Software-Testing. Der Lehrgang ist sehr praxisnah aufgebaut, denn beim Programmieren lernt man vieles, indem man es einfach tut. Der Unterricht erfolgt in Kleingruppen und ist so organisiert, dass die Studierenden immer wieder Übungsaufgaben und Projekte bekommen, wo sie das Gelernte direkt umsetzen können.
Pernicka: Ich habe einerseits verschiedene Programmiersprachen gelernt, andererseits habe ich auch meine Soft Skills stark weiterentwickelt, vor allem meine Teamfähigkeit, Ausdauer und Belastbarkeit. Daneben haben wir auch Themen wie Projektmanagement, Scrum und Agile behandelt. Das Studium ist inhaltlich sehr breit aufgebaut und das ist ein großer Vorteil. Selbst wenn man während dem Studium merkt, dass Programmieren nichts für einen ist, würde ich trotzdem nicht aufhören, sondern weitermachen. Durch das Studium bekommt man einen hervorragenden Überblick und versteht dann einfach das große Drumherum, um im Zweifelsfall auch sagen zu können „Ok, ich möchte dann vielleicht doch eher in die Branche von UI oder UX Design“.
Konnten Sie das Gelernte dann auch in der Praxis anwenden?
Pernicka: Ja, kann und mache ich bis heute noch. Man muss sich natürlich immer weiterbilden, mit dem Studium alleine ist es nicht getan. Ich mache immer wieder neue Zertifizierungen. Aber ich glaube, das ist wie bei jedem anderen Job auch, dass es immer wieder etwas Neues gibt. Wenn es einen interessiert, bildet man sich ohnehin gerne weiter.
Wie sieht es mit den Job-Aussichten nach dem Studium aus?
Ballner: Wenn man einmal in die Branche hineingekommen ist, findet man relativ leicht einen Job. Zudem unterstützen wir unsere Absolvent*innen, etwa in Form von Firmenmessen bei uns im Haus. Dort können sich Studierende und Alumni mit rund 100 Aussteller*innen austauschen, die auf der Suche nach Mitarbeiter*innen sind. Das ist einer der besten Anknüpfungspunkte, um sich zu vernetzen, wenn man auf der Suche nach einem Job ist. Zudem hat man da die verschiedensten Firmen gleich nebeneinander.
Wie waren Ihre Erfahrungen nach dem Studium? Haben Sie leicht einen Job gefunden?
Pernicka: Ich habe mich im zweiten Semester schon für einen Job im Bereich Software-Testing beworben und diesen auch gleich bekommen, also das hat sehr fix geklappt. Ich möchte auf jeden Fall im Software-Testing bleiben. Zurzeit bin ich manuelle Software-Testerin und automatisiere gerade unsere Tests, zukünftig möchte ich mich in der Automatisierung noch mehr weiterentwickeln.
Würden Sie den Lehrgang weiterempfehlen?
Pernicka: Auf jeden Fall. Vor allem auch, wenn man keine Vorkenntnisse hat, weil man die Chance hat, in viele Bereiche hineinzuschauen. Man lernt echt viel. Auch wenn man z.B. eine Niete ist im Programmieren oder mit Datenbanken nicht zurechtkommt, weiß man danach zumindest, was das ist und worum es geht. Man nimmt sehr viel mit, egal, in welche Richtung man nach dem Studium geht.
- Wenn es Fragen gibt, unbedingt fragen! Die Lehrgangsleitung nimmt sich gerne Zeit und steht Interessent*innen telefonisch und per E-Mail bei Fragen immer zur Verfügung
- Nicht abschrecken lassen von der Informationsflut
- Durchbeißen, auch wenn einzelne Fächer einem vielleicht nicht so zusagen
- Lerngruppen bilden und sich untereinander austauschen
- Vor Studienbeginn im Herbst gibt es die Möglichkeit, die Grundkenntnisse der Programmiersprache Java in Form eines Sommerkurses zu lernen. Das ist ein Tipp – nehmt dieses Angebot in Anspruch!
- Der Studiengang ist förderbar. Es lohnt sich, diesbezüglich beim WAFF (Wiener Arbeitnehmer*innen Förderungs-Fonds) oder AMS nachzufragen