„Wer beim Kundenservice spart, verliert“
VonStephan ScoppettaTrotz Megatrend Digitalisier-ung unterstreichen die beiden Initiatoren des FMVÖ-Recommender-Awards, Erich Mayer, FMVÖ-Präsident und Robert Sobotka, FMVÖ-Recommender-Studienleiter, im Interview die Wichtigkeit des Faktors Mensch.
Dieses Jahr stand der FMVÖ-Recommender unter dem Leitthema „Der Wert der Herausforderungen“. Was darf man sich darunter vorstellen?
Erich Mayer: Das Jahresmotto gibt unseren Aktivitäten, Veranstaltungen und auch dem FMVÖ-Recommender einen gewissen Rahmen vor. Wir sehen es als unsere Aufgabe, die Vielfalt der Herausforderungen auf unterschiedlichen Ebenen der Finanzwirtschaft darzustellen, Verbindungen und Verschränkungen aufzuzeigen und mögliche Lösungswege für die Finanzindustrie zu diskutieren. Die Recommender-Befragung gibt uns zudem einen fundierten Blick auf die Branche, deren Protagonisten und zeigt uns auch die Entwicklung im Vergleich zu den letzten 16 Jahren auf. Es gibt in Österreich keine vergleichbare Studie dazu.
Robert Sobotka: Wir haben 2022 zu dem Thema auch eine Studie gemacht. In Interviews mit den Vorständen aus dem Versicherungsbereich haben wir die Topthemen für die Versicherungsbranche identifiziert: Das sind die Inflation, Umwelt und Nachhaltigkeit sowie der Arbeitskräftemangel.
Der FMVÖ-Recommender bringt 2023 einige Neuerungen. Welche sind das und warum wurden diese gemacht?
Mayer: Neu ist der Sonderpreis „Beste Direktbanken“ anstelle einer Award-Kategorie. Stattdessen haben wir einen Award für überregionale Banken eingeführt. Diese schließt die Lücke zwischen Großbanken, die ja eine gewisse Bilanzsumme – nämlich 25 Milliarden – zu erreichen haben, und den Regionalbanken.
Warum war es für Sie wichtig, heuer beim Recommender mit den Kategorien nach zu justieren? Was war da der entscheidende Faktor?
Mayer: Entscheidend dafür war, dass sich die Marktgegebenheiten immer wieder verändern. Einerseits haben wir seit Einführung des FMVÖ-Recommender vor 17 Jahren eine Konstante durch Anwendung derselben Methodik. Es ist aber trotzdem erforderlich, sich den aktuellen Marktgegebenheiten und -erfordernissen oder Veränderungen anzupassen.
Wir haben jetzt drei Krisenjahre hinter uns, haben diese zu Marktverschiebungen geführt?
Sobotka: Wenn man sich die Zeitreihe anschaut, dann hat der Bankensektor im heurigen Jahr einen leicht schlechteren NPS als im vergangenen Jahr. Aber in den Jahren davor hat die Branche schon ziemlich deutlich beim NPS verloren. Das kann natürlich auf die multiplen Krisen wie Inflation oder Wirtschaftskrise zurückzuführen sein. Diese treffen wahrscheinlich die Banken stärker als die Versicherungen. Und natürlich gibt es auch zwischen den Instituten selbst Unterschiede.
Wie ist es bei den Versicherern?
Sobotka: Es gibt dominante Player, die im heurigen Jahr mit der Krise besonders gut zurechtgekommen sind. Aber man hat in der Regel bei den Versicherungen eher ein konstantes Bild. Es gab zwar auch hier wie bei den Banken beim NPS ein Prozent Rückgang. Aber die Banken haben im vorigen Jahr schon sehr viel verloren und die Versicherungen waren immer hinter den Banken. Jetzt sind beide gleichauf. Meine Einschätzung ist, dass wir damit die Talsohle erreicht haben.
Sieger zeichnen sich in der Vergangenheit immer durch einen sehr engen persönlichen Kontakt zu den Kunden aus. Nun wird aber gerade in der Finanzbranche kräftig digitalisiert. Steht das nicht im Widerspruch zu diesem Sieger-Gen?
Mayer: Nein, überhaupt nicht. Digitalisierung und Kundenkontakt sind ja kein Widerspruch, sondern müssen sich gegenseitig ergänzen. Der Kunde erwartet ja auch bei der Digitalisierung die Vorteile daraus und er will oft auch gar keinen persönlichen Kontakt. Aber dann, wenn er ihn haben möchte, für qualifiziertere Beratung zum Beispiel oder Finanzierungsgespräche, dann ist es wichtig, dass dieser Kontakt rasch zustande kommt und auch qualitativ gut abläuft. Die Digitalisierung dient ja auch dazu, Kundenprozesse zu vereinfachen, den Zugang zu einfacheren „Produkten“ zu erleichtern und dass Kunden das dann auch ohne Beratung in Anspruch nehmen können.
Sobotka: Banken und Versicherungen brauchen sowohl die Digitalisierung als auch den persönlichen Kontakt, damit eine Weiterentwicklung passiert. Einige Institute haben die Digitalisierung und Pandemie als Ausrede benutzt, um beim persönlichen Kontakt zu sparen, und bekommen dann beim Recommender die Rechnung präsentiert.
Den FMVÖ-Recommender gibt es ja schon seit 17 Jahren. Wie hat sich das Kundenverhalten bei den Services in den letzten zehn, 15 Jahren verändert?
Sobotka: Wir hatten im Jahr 2007 zum Beispiel eine ganz andere Struktur von Versicherern und Banken. Es gab damals noch keine echte Direktbank. Inzwischen hat sich im Markt viel getan. Was sich nicht geändert hat, ist der Faktor Mensch. Der Mensch legt im Banking und bei der Versicherung auf die ähnlichen Parameter und auf die persönliche Betreuung nach wie vor starken Wert. Nach der Pandemie gab es eine Renaissance der persönlichen Beratung. Der Kunde hat sich wieder auf den Kontakt mit den Beratern gefreut.
Der Faktor Mensch bestimmt also den NPS-Wert?
Mayer: Ich würde es anders sagen: Der Kunde, der den Faktor Mensch von seiner Bank oder Versicherung einfordert, wird – wenn er ihn bekommt – eine hohe Bereitschaft zur Weiterempfehlung haben. Aber auch der Kunde, für den das digitale Angebot wichtig ist, wird seine Versicherung oder seine Bank weiterempfehlen, wenn er damit zufrieden ist. Es ist das eine und das andere erforderlich, aber vom Kundentypus her ist der Schwerpunkt unter-schiedlich.
Die Versicherer waren beim Thema Digitalisierung lange sehr zurückhaltend. Hat es hier einen Schub gegeben?
Sobotka: Der Schub bei den Versicherungen war die Digitalisierung der internen Prozesse wie etwa der Schadensabwicklung. Die Digitalisierung auf Vertriebsseite – also mit Videoberatung oder Direktabschlüssen – hat nicht stattgefunden.
Mayer: Aber nicht nur die reinen internen Prozesse wurden digitalisiert, sondern auch die Kundenprozesse. Also man kann heutzutage – vor zehn Jahren wahrscheinlich noch unvorstellbar – eine Schadensabwicklung völlig digital abwickeln.
Können Sie einen Ausblick auf das nächste Jahr geben? Woran sollten Banken und Versicherer arbeiten, um ihren NPS 2023/24 zu verbessern?
Sobotka: Wovon ich abraten würde, ist beim Kundenservice – egal in welchem Bereich, ob beim Internetbanking oder den Reaktionszeiten auf Anfragen – zu sparen. Man kann natürlich versuchen, Kosten zu reduzieren. Aber wenn ich beim Kundenservice spare, so geht dies auf Kosten der Weiterempfehlung.
Mayer: Wichtig bleibt die Erreichbarkeit und Qualität der Leistungslieferung, egal ob Mensch oder Maschine. Zudem sollte man weiterhin in die Mitarbeiter investieren. Die Voraussetzung für Kundenzufriedenheit ist Mitarbeiterzufriedenheit.
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