Streit um gestiegene Baupreise
Laut Statistik Austria sind die Baupreise im ersten Quartal 2022 deutlich gestiegen. Im Vergleich zum Vorjahresquartal legte der Baupreisindex für den Hoch- und Tiefbau um 8,7 Prozent zu. Besonders stark sind die Preise in den beiden Hochbausparten Wohnhaus- und Siedlungsbau sowie sonstiger Hochbau gestiegen. Hier wurde ein Plus von 14,9 Prozent verzeichnet. Kein Wunder, denn die Preise für Baumaterialien sind durch Decke gegangen.
Das Problem dabei ist, dass diese Preissteigerungen derart rasant erfolgten, dass die oft mit mehreren Monaten Vorlauf erstellten Kalkulationen für Bauprojekte nicht mehr gehalten werden können. Für die Beteiligten von Bauprojekten stellt sich nun die Frage, wer die Mehrkosten bezahlt. Immer öfter werden Anwälte damit bemüht, Vertragsvereinbarungen zu gestalten, die klare Regelungen treffen, wie nun die Mehrkosten verteilt werden. Aber auch bei Objekten, die bereits in Bau sind, muss in aufwendigen Verfahren geklärt werden, wie nun die Kosten zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer verteilt werden.
Was zählt, ist der Vertrag
Selbst bei großen Preissteigerungen hat der bestehende Vertrag immer Vorrang. Wilfried Seist, Partner bei DSC Doralt Seist Csoklich Rechtsanwälte: „Kurz gefasst lässt sich sagen, dass bei Werkverträgen, für die die ÖNORM B 2110 vereinbart wurde, die Mehraufwendungen vom Auftraggeber zu tragen sind, während bei ABGB-Verträgen dieses Risiko den Auftragnehmer trifft. Deswegen legt die Bauwirtschaft großes Interesse auf die Vereinbarung der rechtlichen ÖNORMEN, während gut beratene Auftraggeber deren Vereinbarung lieber vermeiden sollten.“
Immer öfter werden bereits in den Verträgen zukünftige Preissteigerungen durch Preisanpassungsklauseln berücksichtigt. Seist: „Diese kann sich entweder auf den vereinbarten Werklohn insgesamt oder zielgerichtet auf einzelne Elemente oder auch Materialien, wie etwa Stahl, das sehr volatil ist, beziehen.“ Solche Klauseln eigenen sich besonders um einen Interessenausgleich zwischen den dem Auftraggeber und dem Auftraggeber zu schaffen.
Komplizierter Vertragsausstieg
Sollte ein möglicher Vertragsausstieg bei hohen Preissteigerungen nicht schon Teil der Vereinbarung sein, wird ein Ausstieg sowohl für den Auftraggeber, wie auch Auftragnehmer kompliziert. Seist: „Eine Auflösung des Vertrages kommt vereinfacht ausgedrückt nur dann in Betracht, wenn dem Auftragnehmer – der nach dem ABGB ja zum ursprünglichen Werklohn leisten müsste – die Leistungserbringung aufgrund des nunmehr (deutlich) kostenintensiveren Aufwandes nicht mehr zumutbar ist.“ Doch die Voraussetzung dafür ist, dass die Preissteigerung nicht vorhersehbar war. Letztlich wird man daher danach differenzieren müssen, wann der Vertrag geschlossen wurde. Seist: „Gerade für Verträge, die in unsicheren (Krisen-)Zeiten abgeschlossen wurden oder werden, wird eine Vertragsauflösung daher kaum möglich sein. Wurde der Vertrag jedoch vor Eintritt der Krise eingegangen, kann diese Regelung sehr wohl zur Anwendung kommen.“
Angesichts der aktuellen Situation sollte jeder Bauherr, auch beim Bau eines Einfamilienhauses, sich bei Vertragsabschluss mit den Baufirmen sich fundiert juristisch beraten lassen, um unerwartete Mehrkosten ausschließen zu können. Das kann sehr schnell ins große Geld gehen.
Stephan Scoppetta
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