„2022 wurde die Post-Corona-Rechnung serviert“

„2022 wurde die Post-Corona-Rechnung serviert“
Erich Mayer, FMVÖ-Präsident, und Robert Sobotka, Recommender-Studienleiter und Geschäftsführer von Telemark Marketing, erklären, warum die persönliche Beratung in der Finanzbranche so wichtig ist.

Die beiden Verantwortlichen des Recommender-Awards sprechen im Interview über die wichtigsten Trends der Finanzbranche in Zeiten der Pandemie und Inflation.

Dieses Jahr fand die Recommender-Award-Verleihung wieder live statt. Wie war das Feedback auf die erste Veranstaltung seit zwei Jahren?

Erich Mayer: Uns hat es sehr gefreut, die Gewinner als auch die Gütesiegel-Empfänger wieder persönlich im Rahmen einer feierlichen Gala auf die Bühne bitten zu können. Von der Pandemie ist geblieben, dass die Gala nun auch gleichzeitig im Live-stream übertragen wurde. Mit dem Livestream konnten wir auch Menschen in den Bundesländern erreichen, die nicht zur Gala anreisen konnten. So wurden wir bei der Verleihung breiter und publiker. Die Freude bei den Gästen vor Ort war auch sehr groß und jeder genoss sichtlich, dass es wieder einen Branchen-Event gegeben hat.

Gibt es 2022 Überraschungen beim Recommender-Award, oder sind wie immer dieselben Player in den vorderen Rängen zu finden?

Robert Sobotka: Grundsätzlich wäre es schlimm, wenn sich in einem Jahr alles ändern würde. Dann hätte ich als Marktforscher vermutlich einen Fehler gemacht. Aber 2022 gibt es beim Recommender doch Verschiebungen und neue Trends. Voriges Jahr gab es im Vergleich zur Zeit vor Corona noch kaum Veränderungen. Aber jetzt bekommen zumindest die Banken im großen Stil eine Art Post-Corona-Rechnung serviert. Die pandemiebedingte fehlende Betreuung der Kunden der letzten Jahre spiegelt sich 2022 wider. Wir sehen im Gesamtschnitt fünf Prozentpunkte Rückgang bei den Banken und ein Prozentpunkt Rückgang bei den Versicherungen. Das zeigt, persönliche Betreuung spielt bei den Banken noch größere Rolle als bei den Versicherungen, wo die Kundinnen und Kunden generell weniger Kontakt zu ihrem Versicherungsberater haben. Daher hat es die Versicherungen nicht so schlimm getroffen wie die Banken.

Was zeichnet die Sieger aus?

Sobotka: Die besten Banken und Versicherungen setzen auf eine gute und vor allem auch persönliche Beratung der Kunden. Nur Institute, die hier konsequent den Kontakt zu Kunden halten, dürfen sich auch über eine hohe Weiterempfehlungsbereitschaft freuen.

„2022 wurde die Post-Corona-Rechnung serviert“

Welche Services sind den Kunden besonders wichtig?

Sobotka: Den Kundenservice haben wir heuer erstmals mit einem eigenen Preis prämiert. Denn in Zeiten von Corona war nicht nur die persönliche Beratung sehr wichtig, sondern – und das hat uns Corona gelehrt – die Kommunikation via Telefon, E-Mail und Videotelefonie hat deutlich an Bedeutung gewonnen. Aus dem Grund haben wir einen neuen Preis initiiert. Die Studie 2022 zeigt, dass beim Vergleich von Banken und Versicherungen die Versicherungen besser abschneiden.

Welche Trends manifestieren sich 2022 in der Finanzbranche in Österreich?

Mayer: Ich denke, dass die Remote- oder Fernberatung ein Ergebnis aus der Pandemie ist und nachhaltig das Kundenverhalten verändert hat. Das wird bleiben und weiterhin von Banken und Versicherungen eingesetzt und auch ausgebaut werden. Und bei aller Problematik, die die Pandemie mit sich gebracht hat, haben die Kunden auch den Vorteil kennengelernt, dass auch ohne Termin in einer Filiale Finanzdienstleistungen in Anspruch genommen werden können.

Die Digitalisierung ist seit Jahren ein großer Trend. Hat sich das fortgesetzt oder würden Sie sagen, dass da nicht mehr viel drinnen ist?

Mayer: Noch ist die Remoteberatung ein Nischenprodukt, das großes Ausbaupotenzial hat. Zudem werden die Kunden anspruchsvoller und sie wollen viele Wege zu ihrem Finanzdienstleister haben und wählen diesen auch anlassbezogen. Für die Finanzdienstleister heißt das aber, dass hier von der persönlichen Betreuung bis zu den Online-Dienstleistungen alles angeboten werden muss. Dieser Hybridansatz wird in Zukunft sicherlich noch viel stärker in den Vordergrund rücken, als es in der Vergangenheit der Fall war.

Sobotka: Ich sehe anhand der Daten einen weiteren Trend. Wir leben ja im Zeitalter der Nullzinspolitik und das bedeutet im Preis-Leistungs-Verhältnis, ob es nun Spareinlagen oder Kontoführungsgebühren betrifft, dass das auch für die Kundenbindung eine Herausforderung ist. Hat man früher Versicherungen oder Banken mit guten Konditionen weiterempfohlen, so fällt dieser Faktor nun weg, weil bei den Konditionen der Spielraum für die Finanzdienstleister zu klein geworden ist. Banken und Versicherungen müssen die Kunden nun über das persönliche Element binden. Und genau das ist während der Pandemie vor allem bei den Banken nicht gut gelungen.

„2022 wurde die Post-Corona-Rechnung serviert“

Ist bei den Versicherungen während der Pandemie die Digitalisierung vorangetrieben worden?

Mayer: Manche Versicherungen waren im Bereich der Direktkanäle und der Digitalisierung nicht so weit entwickelt wie die Banken und mussten während der Pandemie rasch reagieren. Manche Versicherungen mussten mit Beginn der Pandemie erst die Mitarbeiter breitflächig mit EDV-Equipment ausstatten. Aber sie haben das sehr gut und in kurzer Zeit geschafft.

Sobotka: Zudem ist die Kunden-Zufriedenheit bei der Schadenbearbeitung von Versicherungen sehr hoch. Ob das aber persönlich oder digital passiert, ist für den Kunden wenig von Bedeutung. Der Kunde will nur, dass der Schaden schnell bearbeitet und das Geld rasch überwiesen wird. Solange das der Fall ist, ist die Zufriedenheit groß.

Hat sich auch der Trend zum Thema Nachhaltigkeit in der Finanzbranche weiter fortgesetzt?

Mayer: Das war keine Modeerscheinung, das wird von den Kunden immer stärker gefordert. Für viele wird es in den kommenden Jahren ein Kriterium sein, ob sie eine Verbindung mit einer Bank oder Versicherung eingehen oder auch nicht. Außerdem wird das im zunehmenden Ausmaß auch in den Fokus der Aufsichtsbehörden rücken.

Sobotka: Das ist auf jeden Fall keine Eintagsfliege, sondern der Trend der Zukunft. Das Thema Nachhaltigkeit bindet die Kunden an Banken und Versicherungen. Gleichzeitig ist der Trend aber noch nicht so stark ausgebildet, dass er eine große Bedeutung für die Weiterempfehlungsbereitschaft der Kunden hätte. Sobald Kunden aber Nachhaltigkeit mit Bank- und Versicherungsgeschäften verbinden, wird dieses Kriterium auch für den NPS-Wert eine stärkere Rolle spielen.

Wie wichtig ist das Wertpapiergeschäft für die Weiterempfehlungsbereitschaft?

Sobotka: Üblicherweise ist es so, dass in Zeiten hoher Zinsen auch eine hohe Weiterempfehlungsbereitschaft für Institute mit guten Konditionen besteht. Dieser Faktor fällt nun weg. Gleichzeitig sind die Kunden auf der Suche nach guten Anlagemöglichkeiten und das macht sie offen für Alternativen. Das nutzen nun auch weniger seriöse Anbieter mit riskanten Veranlagungsformen, wie etwa Krypto-Assets. Die Aufgabe der Kreditinstitute ist es nun, die Kunden mit guten, aber seriösen Produkten zu halten und das braucht natürlich auch die entsprechende Betreuung.

Was wird aus Ihrer Sicht im nächsten Jahr für die Weiterempfehlungsbereitschaft wichtig werden?

Sobotka: Es gibt eine Korrelation zwischen aktiver Kundenansprache und positivem NPS. Wenn eine Bank oder Versicherung aktiv auf ihre Kunden zugeht und ihnen Leistungen anbietet, werden die Geschäftsverbindung vertieft und die Weiterempfehlungsbereitschaft steigt.

Mayer: Es ist ja ganz einfach: Jemanden, den man nie zu Gesicht bekommt, kann man auch nicht weiterempfehlen. Darum ist der Wert bei den Banken so zurückgegangen, weil im letzten Jahr die persönliche Betreuung doch gelitten hat, wobei unter„persönlicher“ Betreuung auch der Kundenkontakt über einen Remote-Kanal zu verstehen ist. Jetzt ist die Stunde der Wahrheit für die Beratung.

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