Best Ager sind kein Kostenfaktor, sondern ein Wirtschaftsfaktor
Die Generation-60-Plus ist nach den USA und China die drittgrößte Wirtschaftsmacht der Welt. Auch in Österreich leben rund zwei Millionen Menschen, die älter als 60 Jahre sind. Mit ihrem Wissen und ihrer Erfahrung sind sie das Rückgrat unserer Gesellschaft. Darüber hinaus haben Seniorinnen und Senioren mit ihrem ehrenamtlichen Engagement, ihrem Einsatz in der Enkelbetreuung und in der Angehörigenpflege einen unschätzbaren Anteil am Funktionieren unseres sozialen Miteinanders. Allein in Österreich leisten ältere Menschen ehrenamtliche und weitgehend unbezahlte Care-Arbeit im Gegenwert von rund acht Milliarden Euro pro Jahr. Damit sind sie kein Kostenfaktor, sondern ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. Doch anstatt das wirtschaftliche Potenzial der Best Ager zu nützen, bauen wir im Alltag viel zu oft gläserne Wände für sie auf und laufen damit beispielsweise Gefahr, eine ganze Generation von wertvollen Absicherungslösungen auszuschließen bzw. sie langfristig in ihrer individuellen Vorsorgeplanung zu diskriminieren.
Ein klassisches Beispiel für diese generationenspezifische Benachteiligung war die restriktive Vergabe von Kreditkarten, die bis vor Kurzem auch in Österreich zum Alltag älterer Menschen gehört hat. Man schloss sie damit systematisch von Dingen wie Online-Shopping, Reisen, Kinokartenbuchungen und vielem mehr aus. Und das, obwohl ältere Menschen beinahe die Hälfte der Kaufkraft in Österreich darstellen und für ein Drittel des privaten Konsums verantwortlich sind. Auch die Versicherungsbranche ist hier keine Ausnahme: Ich denke hier etwa an Schadenersatzbeiträge für ältere Fahrzeuglenker, sogenannte „Seniorenprämien“ in der Kfz-Versicherung oder Vertragsklauseln mit Altersbegrenzungen, die es älteren Menschen überhaupt unmöglich machen, eine Versicherung abzuschließen. So ist für über 70-Jährige eine Unfallversicherung kaum zu finden oder nicht leistbar.
Gleichberechtigung hat viele Dimensionen
Als Gesellschaft wären wir gut beraten, wenn wir in Zukunft ein Höchstmaß an generationenübergreifender Wertschätzung und LEBENSWERTER Fairness in unsere allgemeine Wertehaltung integrieren würden. Gleichberechtigung muss mehrdimensional funktionieren und gelebt werden, damit wir als Gesellschaft den größtmöglichen Mehrwert aus unserer individuellen Einzigartigkeit generieren können. Wenn wir die Generation 60-Plus nicht als Herausforderung, sondern als Chance sehen, werden wir auch erkennen, dass die Best Ager kein Kostenfaktor, sondern ein Wirtschaftsfaktor sind.
Damit das Leben für uns alle LEBENSWERTER wird, müssen wir auch alle einen Beitrag leisten. So sind auch wir als Versicherungsbranche gefordert – und zwar sowohl auf der Arbeitgeber: innen- als auch auf der Arbeitnehmer:innenseite: Als Arbeitgeber:innen verlieren wir mit dem Ausscheiden langgedienter Mitarbeiter:innen jede Menge Erfahrung und Know-how, das durch billigere jüngere Arbeitskräfte nicht ersetzt werden kann. Gleichzeitig sollten wir unsere älteren Arbeitnehmer:innen dazu motivieren, sich mit den neuen Arbeitswelten auseinanderzusetzen und die Digitalisierung als Chance für sich zu sehen. Gerade ältere Kundinnen und Kunden schätzen es, wenn sie etwa bei technischen Fragen und Problemen mit Gesprächspartner:innen sprechen können, die einen ähnlichen Erfahrungsschatz haben. Hier müsste ein gesellschaftspolitisches Umdenken stattfinden. Warum besetzen wir unsere Call-Center nicht generationenübergreifend und setzen damit ein sichtbares Zeichen für gelebte Wertschätzung gegenüber den älteren Generationen?
Aufgrund der steigenden Lebenserwartung werden wir in Zukunft alle länger arbeiten, länger aktiv bleiben und länger am gesellschaftlichen Leben teilnehmen. Es ist daher an der Zeit, dass wir unsere Arbeitswelten und unsere gesellschaftlichen Rahmenbedingungen an diese neue Situation anpassen, gläserne Barrieren abbauen und Lebenserfahrung wieder als Mehrwert für alle sehen.