Bank Austria Kunstforum Wien: Neue Matta-Ausstellung lockt mit surrealen Welten

Bank Austria Kunstforum Wien: Neue Matta-Ausstellung lockt mit surrealen Welten
Es gibt Ausstellungen, die hätte man sich rückblickend auch sparen können. Und dann gibt es jene, die nachhaltig „wirken“ und im Gedächtnis bleiben. Warum die neue Matta-Ausstellung im Bank Austria Kunstforum Wien definitiv in das zweite Raster fällt, können Sie hier lesen.

Denke ich an Surrealismus, so schießen mir direkt einige Namen in den Kopf: Pablo Picasso, Salvador Dalí oder René Magritte. Sie alle gelten als berühmte Vertreter:innen der vorwiegend visuellen Kunstbewegung und sind auch für all jene ein Begriff, die sich wenig bis gar nicht für Kunst interessieren. Ein Name, der selbst vielen Kunstbegeisterten nicht direkt in den Sinn kommt: Roberto Matta – oder einfach nur Matta, wie er bevorzugt genannt werden wollte. Dass der chilenische Maler aber sehr wohl einen Platz auf der Liste der bekanntesten – oder noch besser: einflussreichsten – Exponent:innen verdient hätte, wird mir erst nach dem Besuch der neuen Ausstellung „Matta“ im Bank Austria Kunstforum Wien klar. 

Wussten Sie zum Beispiel, dass er Picasso bei seiner damaligen Weltausstellung unterstützte, von Dalí zur Malerei ermutigt wurde und zahlreiche namhafte Künstler:innen wie Frida Kahlo oder Robert Motherwell inspirierte? Genau aus diesem Grund hat sich das Haus an der Freyung dafür entschieden, Matta bis 2. Juni 2024 im Rahmen einer eigenen Ausstellung in den Fokus zu rücken. „Wir haben uns dazu entschlossen Werke von Matta zu zeigen, da er jemand ist, der in der Fachwelt zwar bekannt ist, aber dem großen Publikum seit seinem Tod eher nichts sagt“, verrät uns Bettina M. Busse, Co-Kuratorin der Ausstellung. Wie stark sein Einfluss auf andere Kunstschaffende war (und teilweise noch ist), soll dabei besonders hervorkommen – und ist nur einer der vielen Gründe, warum sich der Besuch lohnt.

Matta: Weltenbürger, Influencer, Muse

Wir alle kennen die berühmten Zeilen aus Falcos größtem Hit Rock Me Amadeus: „Er war Superstar, er war populär, er war so exaltiert, because er hatte Flair!“ Natürlich bezieht sich der beliebte Austropop-Sänger dabei auf W. A. Mozart. Wirft man jedoch einen Blick in die Biografie und auf das Wirken Mattas, dann könnte man fast meinen, dass der Text für ihn bestimmt war. 

Matta wurde 1911 als Kind spanisch-französischer Eltern in Santiago de Chile geboren und war ein echter Weltenbummler und -bürger. Er lebte und arbeitete an den verschiedensten Orten dieser Welt: Südamerika, Mexiko, Italien, Spanien, England, in den USA und Frankreich, wo seine Karriere die ersten Züge annahm. 1934 zog er nach Paris und arbeitete zunächst einige Jahre als Architekt. Erst vier Jahre später begann er schließlich mit dem Malen. „Er wollte das, was man nicht sieht, erfassen und darstellen“, erklärt uns Busse beim Betrachten der ersten Werke Mattas im Eingangsbereich der Ausstellung. Im selben Jahr nahm er direkt an der Weltausstellung Internationale du Surréalisme in Paris teil und knüpfte dabei wertvolle Kontakte – unter anderem zu Pablo Picasso. 

Roberto Matta

Matta vor einem seiner Werke in Paris, 1959, fotografiert von Arnold Newman.

Mit Beginn des Zweiten Weltkrieges zog der Maler nach New York City, wo er binnen kürzester Zeit zu einer Galionsfigur wurde. Sein großer Vorteil: sein Sprachtalent. Er beherrschte mehrere Sprachen fließend – im Gegensatz zu einigen europäischen Kolleg:innen auch Englisch – und wurde so zu einem „Vermittler europäischer Kunstgeschichte“. Namhafte Künstler:innen wie Arshile Gorky, Dorothea Tanning, Jackson Pollock oder Robert Motherwell ließen sich von Matta inspirieren und profitierten von den Überlieferungen der europäischen Kunstbewegungen. Im Gegensatz zu Motherwell & Co., die schließlich als berühmte Vertreter:innen des amerikanischen Abstrakten Expressionismus hervorgingen, verlässt Matta mit seiner Kunst allerdings nie die Gegenständlichkeit. 

Nach 1945 war ihm eines besonders wichtig: den Menschen wieder vermehrt in den Vordergrund zu rücken und politische Themen in seinen Bildern zu verarbeiten. „Kunst ist in gewisser Weise auch politisch, selbst wenn sie auf den ersten Blick erst einmal nur schön wirkt. Matta war ein Künstler, der Verantwortung für gesellschaftliche und politische Probleme übernommen und mit seiner Kunst zum Ausdruck gebracht hat“, sagt Busse. „Und damit hat er zahlreiche weitere Kunstschaffende inspiriert und ermutigt“, fügt sie schließlich hinzu. Klingt für mich wie ein waschechter Influencer. Allein der Einblick in seine Vita ist somit fast schon Grund genug, die Ausstellung zu besuchen. Die wahren Highlights kommen allerdings noch.

Immersives Erlebnis – ganz ohne Technik

Nach einem kurzen Deep Dive in das aufregende Leben und die ersten Werke Mattas, betreten wir einen Raum, der uns ins Staunen versetzt: sowohl von den Decken hängend als auch vor, neben und hinter uns befinden sich verschiedene Gemälde, die alle aufeinander abgestimmt sind. „Es war ihm oft auch ein Anliegen, die Bilder ungewöhnlich zu präsentieren“, verrät uns Busse. Kein Wunder, denn eines hinterlässt diese Installation auf jeden Fall: Eindruck. Das Ensemble verschiedener Gemälde zeigt ganz deutlich, wie innovativ der gebürtige Chilene war. Und seien wir uns ehrlich: Wer braucht schon eine VR-Brille, wenn man hier „real“ in eine 3D-Welt eintauchen kann? Am Ende sind es aber nicht nur die Anordnung und das Spielen mit den räumlichen Zwischenbildern, die beeindrucken, sondern auch die Größenformate der Werke. Im Vergleich zu seinen ersten Werken erkennt man hier einen klaren Wandel – die Bilder sind nun deutlich größer. Das wird auch mit Betreten des nächsten Raumes deutlich, wo das Highlight der Ausstellung auf uns wartet: das Coïgitum.

Das Coïgitum von Roberto Matta

Ein absolutes Novum: Mattas Coïgitum hat sein Atelier bis zur neuen Ausstellung im Bank Austria Kunstforum Wien nie verlassen. 

Coïgitum: Mattas Monumentalwerk erstmals ausgestellt 

Wer schon einmal vor Rembrandt van Rijns Die Nachtwache stand weiß, wie eindrucksvoll große Gemälde sein können. Mit Dimensionen von 3,63 mal 4,37 Metern wirkt das berühmte Werk neben Mattas Coïgitum aber fast schon lächerlich – denn mit rund 10,5 Metern ist das Bild mehr als doppelt so breit. Das strahlende Blau, das die Basis des Meisterwerks bildet, kommt dabei voll zur Geltung und lässt – so wie die vielen kleinen Details im Bild – jede Menge Spielraum für Fragen. Möchte er das Meer darstellen? Oder doch eher das Weltall? Je länger ich das Bild betrachte, desto mehr tendiere ich zu Zweiterem. Es wirkt futuristisch, einige Objekte könnten Satelliten sein. Ein ähnliches Gefühl dürfte das Werk aus dem Jahr 1972 wohl auch auf das kuratorische Team gehabt haben: „Es ist eigentlich wie ein Science-Fiction-Laboratorium. Für uns war es unglaublich zu sehen, dass jemand schon so früh so 'spacig' war und man könnte fast meinen, die Produzenten von Star Wars haben sich durch das Coïgitum inspirieren lassen“, scherzt Busse. Eine weitere Besonderheit und ein absolutes Novum: Das Werk wurde noch nie zuvor in einem Museum ausgestellt. Wer bis Juni das Bank Austria Kunstforum Wien besucht, darf sich also über eine Seltenheit freuen, die nur durch enge Abstimmung und Zusammenarbeit zwischen Kuratorin Ingried Brugger mit Mattas jüngster Tochter Alisée sowie dem Estate Roberto Matta zustande gekommen ist.

Bilder im XXL-Format mit politischen Botschaften

So oder so lässt sich eines sagen: Mattas Meisterwerk zieht einen – besonders aufgrund der Größe – in den Bann. Der Wandel hin zu überdimensionalen Bildern kommt allerdings nicht von ungefähr, verrät uns Busse: „Seine neuen Größenformate sind zum einen durch seine Bekanntschaft mit Picasso entstanden, weil Picassos Guernica zu dieser Zeit eines der größten Gemälde überhaupt war. Zum anderen ist er 1941 gemeinsam mit Motherwell nach Mexiko zu Diego Rivera gereist und hat dort die mexikanischen Wandmalereien kennengelernt – und die wiederum haben ihn sehr stark beeinflusst: einmal durch die Größe und ihre Wirkung selbst, aber auch, weil diese sehr stark für politische Inhalte genutzt wurden. Teilweise sogar tagesaktuell.“ Matta nutzt das Größenformat also bewusst, um bestimmten Themen eine noch stärkere Aufmerksamkeit zu schenken. Das wird auch in den nächsten Räumen deutlich, in denen es zum Teil etwas düster wird. Er greift unangenehme Themen wie Kriege, gesellschaftliche Probleme oder Unterdrückung auf. Ein berühmtes Beispiel: das 1975 entstandene El Burundi Burunda ha muerto, welches die Pinochet-Diktatur in seiner Heimat reflektiert.

El Burundi Burunda ha muerto von Roberto Matta

In seinem Werk El Burundi Burunda ha muerto verarbeitet Matta die Pinochet-Diktatur in seiner Heimat.

Zum Schluss lernen wir nochmal eine völlig neue Facette Mattas kennen: Der letzte Raum widmet sich seinen Bühnenbildern, die Ende der 1970er Jahre entstanden sind. Der visionäre Maler war ein großer Fan von Mozart. Die Zauberflöte, eines seiner Lieblingswerke, hat er deshalb als musikalischen Zyklus zunächst in Form von Zeichnungen zu Papier gebracht und anschließend auf Leinwand. Die frühen Skizzen, die hier den Gemälden gegenüberstehen, schätzt Busse sehr: „Hier erkennt man sehr schön, wie er seine Kunst zunächst durchkonjugiert und anschließend umgesetzt hat. Seine Vergangenheit als Architekt spielt dabei mit Sicherheit eine wichtige Rolle und zeigt einmal mehr, wie vielseitig er war.“ Dem kann ich schließlich nur zustimmen. Matta war vor allen Dingen eines – facettenreich. 

Bühnenbilder zu Mozarts Zauberflöte von Roberto Matta

Matta zeigt seine Leidenschaft für Mozarts Zauberflöte in seinen Bühnenbildern, die Ende der 1970er entstanden sind. 

Nehmen Sie beim Besuch der Ausstellung unbedingt Kopfhörer mit! Autorin Natascha Gangl und das elektronische Musik-Duo Rdeča Raketa haben eine Auswahl von Mattas Werken vertont und runden so die immersive Erfahrung der Ausstellung ab. Einfach die QR-Codes bei den Werken scannen und los geht's! 

Mein Fazit 

Nachdem wir das Haus an der Freyung verlassen, sind wir immer noch von den vielen Eindrücken der neuen Matta-Ausstellung überwältigt. Auch wenn es oft heißt „size doesn't matter“, kann ich das in diesem konkreten Fall nicht bestätigen. Hier sind es definitiv die überdimensionalen Bilder, die den Unterschied machen. Und wo haben Sie sonst schon die Möglichkeit, gleich mehrere Meisterwerke im XXL-Format zu bestaunen? Was mir außerdem sehr gut gefällt: die politischen Botschaften. Matta war sich seiner Einflussnahme stets bewusst und hat mit seiner Kunst über die verschiedensten Jahrzehnte hinweg Verantwortung übernommen und auf die großen und kleinen Probleme dieser Welt hingewiesen. Ein Aspekt, den ich mir besonders in dieser holprigen Zeit, in der wir uns aktuell befinden, wieder vermehrt von Künstler:innen und Influencer:innen wünschen würde. Mein Resümee: Sie müssen kein eingefleischter Matta-Fan oder Kunstkenner:in sein, um hier eine gute Zeit zu verbringen. Seine Werke sprechen für sich, sind echte Hingucker und ziehen einen wahrlich in den Bann. Ob Sie sich also nun tiefergehend damit auseinandersetzen wollen oder einfach einmal dem hektischen Alltag entfliehen möchten, das bleibt Ihnen selbst überlassen. So oder so bietet sich hierzu bis 2. Juni 2024 im Bank Austria Kunstforum Wien die perfekte Gelegenheit.

Adresse
Bank Austria Kunstforum Wien
Freyung 8
1010 Wien

Öffnungszeiten
Täglich von 10 bis 19 Uhr

Kontakt
T: (+43 1) 537 33 26
F: (+43 1) 537 33 27
E: office@kunstforumwien.at

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