„Finanzmarkt-Player haben einen wichtigen Hebel in der Hand“

„Finanzmarkt-Player haben einen wichtigen Hebel in der Hand“
Die Allianz Österreich möchte bis 2030 nur noch nachhaltig investieren. Rémi Vrignaud, CEO der Allianz in Österreich, erklärt im Interview, was das ganz konkret bedeutet und fordert Branchenkollegen und Politik zum Handeln auf.

Das Geld der Kundinnen und Kunden, das diese bei Finanzdienstleistungsunternehmen veranlagen, kann viel bewegen, ist Rémi Vrignaud, CEO der Allianz Österreich im Interview überzeugt. Doch wir stehen erst am Anfang.

Die heftigen Unwetter dieses Jahr haben vielen Menschen die handfesten Auswirkungen des Klimawandels vor Augen geführt. Wie kann sich ein Versicherungsunternehmen bei diesem Thema einbringen?

Rémi Vrignaud: Der Klimawandel ist omnipräsent, die Ursachen sind vielfältig – das sehen wir auch in Österreich: Mit einem Bodenverbrauch von 13 Hektar pro Tag wird alle zehn Jahre die Fläche von Wien neu verbaut, die CO2-Emissionen pro Kopf liegen mit neun Tonnen CO2-Äquivalent deutlich über dem EU-Schnitt und ja, viel zu viele Vermögensverwalter investieren immer noch zu einem hohen Anteil in treibhausgas-intensive Sektoren. Das muss sich ändern. Alleine in Österreich betragen die Assets under Management rund 200 Milliarden Euro – zum Vergleich: das entspricht fast der Hälfte unseres jährlichen Bruttoinlandsproduktes. Der Impact der Finanzbranche und insbesondere von Versicherungen wird oft unterschätzt – dabei haben sie im Kampf gegen den Klimawandel mit der Möglichkeit, Gelder nachhaltig zu veranlagen, einen extrem wichtigen Hebel in der Hand.

Wie setzt die Allianz diesen Hebel ein?

Nachhaltigkeit ist seit Jahren fester Bestandteil unserer Unternehmensstrategie. Wir investieren in Bereiche, die Zukunft haben und Zukunft schaffen – wie beispielsweise in erneuerbare Energien, den öffentlichen Verkehr oder den Gesundheitssektor. Als Allianz haben wir bereits 2014 unsere Investmentstrategie nachhaltig ausgerichtet und uns zu konkreten Nachhaltigkeitszielen für unser Portfolio verpflichtet. Heute erfüllen bereits mehr als 91 Prozent unserer Kapitalanlagen Nachhaltigkeitskriterien, mehr als die Hälfte unserer Investitionen werden sogar als „sehr nachhaltig“ eingestuft. Bis 2030 sollen es 100 Prozent sein. So wollen wir unseren Beitrag leisten, auch nachfolgenden Generationen eine lebenswerte Zukunft zu hinterlassen.

Welches Potenzial sehen Sie noch in Ihrem Wirkungskreis, um einen Beitrag zu einer nachhaltigeren Zukunft zu leisten?

Bei der Allianz werden nicht nur Versicherungsprämien nachhaltig veranlagt, sondern wir möchten unsere Kundinnen und Kunden auch unterstützen, einen nachhaltigeren Lebensstil zu führen – dazu stellen wir die passenden Versicherungslösungen zur Verfügung. So bieten wir unter anderem Tarifbegünstigungen für die Versicherung von E-Autos, Solar- und Photovoltaikanlagen sind fixer Bestandteil der Eigenheim-Versicherung und um die Gesundheit nachhaltig zu fördern, setzen wir stark auf das Thema Prävention, zum Beispiel mit Vorsorgeuntersuchungen, Ernährungsberatung oder ärztlichen Fitness-Checks. Auch wollen wir unseren eigenen CO2-Fußabdruck schrittweise reduzieren: In den letzten zehn Jahren konnten wir den CO2-Ausstoß pro Mitarbeiterin und Mitarbeiter bereits um mehr als 60 Prozent senken. Unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter packen also auch selbst mit an. Nicht zuletzt durch unser Corporate Volunteering Programm, mit dem jede und jeder einen Arbeitstag pro Jahr für den guten Zweck nutzen kann.

„Es müssen steuerliche Anreize für nachhaltige Investitionen geschaffen werden. Das bringt neue Wachstumsimpulse.“

von Rémi Vrignaud, CEO der Allianz in Österreich

„Finanzmarkt-Player haben einen wichtigen Hebel in der Hand“

Für Rémi Vrignaud, CEO der Allianz in Österreich, ist eine ökologische und sozial verträgliche Ausrichtung des Kerngeschäfts selbstverständlich.

Sie sagen, nachhaltige Investments sind der größte Hebel der Finanzbranche und insbesondere für Versicherungen für mehr Klima- und Umweltschutz. Was kann man sich darunter konkret vorstellen?

Nahezu jeder Prämieneuro wird von den Versicherungen veranlagt. Und es macht einen erheblichen Unterschied, ob diese Gelder in problematische Bereiche oder nachhaltige Sektoren fließen. In konkreten Investmententscheidungen heißt das zum Beispiel, dass wir als Allianz bereits 2015 entschieden haben, kein Geld mehr in den Kohleabbau zu stecken. Wie nachhaltig unsere Investitionen tatsächlich sind, lassen wir unabhängig überprüfen. Dafür haben wir das Wiener Sustainable-Finance-Sozialunternehmen ESG Plus ins Boot geholt, das unsere Kapitalanlagen jährlich nach ökologischen, sozialen und Governance Kriterien bewertet. Im Umweltbereich wird etwa der Einfluss auf das Klima oder auf die Artenvielfalt analysiert.

Hat Ihre strategische Ausrichtung Auswirkungen auf die Renditen?

Ja – und zwar positive. Der weit verbreitete Irrglaube, dass nachhaltige Investitionen weniger Rendite abwerfen, ist schlicht falsch. Es gibt mittlerweile zahlreiche Studien, die zeigen, dass nachhaltige Fonds in Sachen Rendite zumindest gleich gut und häufig sogar besser abschneiden als herkömmliche Fonds. Das können wir mit Blick auf unsere eigenen Kapitalanlagen bestätigen. Auch unser Allianz Invest Nachhaltigkeitsfonds kann für die letzten fünf Jahre zum Beispiel eine Wertentwicklung von +86,3 Prozent vorweisen.

• Jeder Prämieneuro, egal ob von einer Haushalts-, Kfzoder Lebensversicherung, wird von Ihrer Versicherung am Kapitalmarkt veranlagt.
• Die Allianz Gruppe in Österreich verwaltet ein Vermögen von aktuell rund 5,7 Milliarden Euro. Davon sind bereits 91,3 Prozent nach Nachhaltigkeitskriterien veranlagt. Bis 2030 sollen es 100 Prozent sein.
• Geld wird verstärkt in Bereiche wie erneuerbare Energien, öffentlichen Transport oder den Gesundheitssektor investiert.
• Die nachhaltigen Investitionen der Allianz werden vom Wiener Sustainable Finance Sozialunternehmen ESG Plus unabhängig geprüft.

Dennoch beträgt der Anteil nachhaltiger Fonds und Mandate am Gesamtmarkt nur knapp 20 Prozent.

Es fehlt vielerorts noch an Bewusstsein dafür, welchen Hebel die Finanzströme dieser Welt haben. Viele Menschen denken beim Thema Nachhaltigkeit zunächst an die Vermeidung von Flugreisen oder den Konsum lokaler Lebensmittel. Das ist gut und wichtig. Aber stellen sie sich einmal vor, auf einen Schlag würde niemand mehr den Kohleabbau finanzieren. Die Energiegewinnung aus Kohle verursacht jedes Jahr mehr als zehn Milliarden Tonnen CO2. Das ist mehr als ein Viertel der weltweiten CO2-Emissionen. Es reicht nicht, einzelne Produkte mit Nachhaltigkeitsmerkmalen zu schaffen – die Finanzbranche muss ihr gesamtes Kerngeschäft ökologisch und sozial verträglich gestalten. Wenn alle Investitionen nicht nur auf ihre kurzfristige Profitabilität hin überprüft würden, sondern auf ihren Einfluss auf Mensch und Umwelt, könnten wir unsere Klimaziele deutlich schneller erreichen.

Ist das als Aufruf für die gesamte Branche zu verstehen?

Ja – denn damit uns die Klimawende gelingt, braucht es nachhaltige und ganzheitlich gedachte, konsequente Investmentstrategien. Mein Appell richtet sich aber nicht nur an Wirtschaftsakteure, sondern weiterhin auch an jene, die die Rahmenbedingungen vorgeben. Es müssen steuerliche Anreize für nachhaltige Investitionen geschaffen werden: Zum Beispiel Steuerfreiheit für nachhaltig veranlagte Lebensversicherungen. Die gesamten Prämien in der Lebensversicherung betrugen 2020 in Österreich 5,4 Milliarden Euro – Geld, das man in die richtige Richtung lenken muss. Das bringt Wachstumsimpulse für die private Vorsorge, die immer wichtiger wird, und zahlt gleichzeitig positiv auf Umwelt- und Klimaschutz ein.

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