Wiener Seestadt: Noch fehlt das (lustige) Leben
Es ist ein trister Tag in der Wiener Seestadt Aspern. Es regnet, der Wind kommt frontal daher, auf dem Boden stehen die Lacken. Schon von der U-Bahn aus sind die riesigen Erdhaufen zu sehen: Denn in der Seestadt wird wieder gebaut.
Im größten Stadtentwicklungsgebiet Wiens entstehen 1120 neue Wohnungen, 860 davon gefördert. Auch 120 Gemeindewohnungen sind geplant. Die Wettbewerbe zur Auswahl der besten Wohnprojekte sind bereits gestartet. Details zum geplanten Quartier "Am Seebogen" präsentierte Wohnbaustadtrat Michael Ludwig (SPÖ) gestern, Dienstag: 80 Prozent der Fläche sollen zum Wohnen genutzt werden, die restlichen 20 Prozent sind für Büroflächen reserviert, um das Arbeiten von zu Hause zu erleichtern.
Gebaut werden die Wohnungen nordöstlich des künstlich angelegten Sees, also direkt an der U2. Baubeginn ist im Herbst 2018, die Fertigstellung ist für Herbst 2020 geplant.
Luxusgut Ruhe
Die Seestadt ist das Vorzeigeprojekt der roten Wiener Wohnbaupolitik. Aber wie zufrieden sind die Seestädter eigentlich mit ihrer Seestadt? "Ich lebe gern hier", sagt Frau Sylvia, die im Mai 2015 ihre Wohnung mit Blick auf den See bezogen hat. "Es ist so ruhig", sagt sie und auch das Zusammenleben funktioniere gut, "überhaupt im Winter". Im Sommer sei es oft laut gewesen am See, speziell am Abend. "Aber seit die Polizei Streife fährt, ist es wieder ruhig." Zum vollkommenen Glück in der Seestadt fehle ihr nur eines: Ein zweiter Supermarkt. "Ein Hofer, Lidl und Penny wäre gut", sagt Sylvia. Derzeit gibt es "nur" einen Spar, der ist aber so manchem Seestädter zu teuer und auch das Sortiment sei nicht überbordend. Das sagt Thomas (33), der seit eineinhalb Jahren in der Seestadt wohnt und auch Mena (36), der im Mai vor zwei Jahren nach Aspern gezogen ist. Sonst hat Mena aber nichts zu kritisieren: "Wir leben hier im Luxus. Es ist angenehm ruhig, wir können die Schwimmbäder genießen."
Kaum Leben, kein Kebab
Auch Max Stubhan (22) ist mit der Seestadt zufrieden – grundsätzlich. Er lebt seit März 2015 im Studentenheim Greenhouse. "Die Anbindung ist okay und unser Bus-Wartehaus haben wir jetzt auch", sagt er, aber: "Die Verbindung der Busse 88A und 26A könnte besser sein." Dass sich viele über die U2 beschweren, die nur alle 10 Minuten in die Seestadt fährt (jeder zweite U-Bahn-Zug fährt nur bis zur Aspernstraße), kann er nicht nachvollziehen: "Es wohnen halt noch zu wenige Leute hier, als dass sich das wirklich auszahlen würde."
Laut Stubhan fehle es aber an einem günstigen Imbiss: Ein Kebab- oder Würstel-Stand wäre gut, sagt er. "Es fehlt halt noch ein bisschen das Leben in der Seestadt", sagt Stubhan. "Manchmal fühlt man sich noch wie in der Truman Show" (ein US-Film, in dem Truman Burbank, gespielt von Jim Carrey, in der konstruierten Stadt Seahaven lebt und ohne es zu wissen Hauptdarsteller einer TV-Serie ist, Anm.).
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