Ziesel, Eidechse und EU-Recht sollen Bagger stoppen
Seit am Montag kleine Bagger begonnen haben, auf dem Baugrund beim Stammersdorfer Heeresspital die Grasnarbe abzutragen, liegen die Nerven bei der Ziesel-Lobby blank – obwohl auf dem betreffenden Geländeteil kaum mehr Ziesel leben. Will der Bauträger „Kabelwerk“, mit der Maßnahme doch erreichen, dass sich die geschützten Nager hier nicht mehr ansiedeln und Platz für 130 (von insgesamt 950) Wohnungen machen.
Mit der Bewilligung der Vorarbeiten habe die Umweltschutzabteilung MA22 gegen EU-Recht verstoßen, meinen Kritiker. Die Umweltorganisation VIRUS will den Bescheid deshalb vor dem Verwaltungsgerichtshof und wenn nötig vor dem EuGH bekämpfen.
Dabei mussten die Baggerfahrer ihre Tätigkeit schon nach kurzer Zeit wieder einstellen. Weil auf dem Areal auch die ebenfalls geschützte Zauneidechse gesichtet worden sein soll, verfügte die Polizei eine Unterbrechung der Arbeiten. Lange dauerte die Zwangspause allerdings nicht an. Bereits Dienstagfrüh wurden weitere Baumaschinen angeliefert.
Aarhus-Konvention
Die Bürgerinitiative „IGL Marchfeldkanal“, Wiener Tierschutzverein (WTV) und VIRUS erachten die Genehmigung durch die MA22 als rechtswidrig.
Bezugnehmend auf die Aarhus-Konvention, die Bürgern und NGOs verstärkte Parteienstellung in Umweltverfahren einräumt, meint man bei VIRUS im konkreten Fall Parteienstellung zu haben. Und da man den Bescheid der MA22 nicht erhalten habe, sei dieser auch nicht rechtskräftig, argumentiert VIRUS-Sprecher Wolfgang Rehm. Anwalt Wolfgang List werde Beschwerde gegen den Bescheid erheben. Die Causa könnte bis zum Europäischen Gerichtshof (EuGH) gehen.
Behörde bleibt gelassen
Die Behörde will den Vorwurf natürlich nicht auf sich sitzen lassen. Die Bewilligung der Arbeiten sei „nach österreichischer Rechtsordnung ganz klar rechtskräftig“, erklärt MA22-Chefin Karin Büchl-Krammerstätter. Die Parteienstellung von Bürgern in Umwelt-relevanten Genehmigungsverfahren sei dagegen noch nicht eindeutig ausjudiziert.
In Stammersdorf komme jedenfalls kein einziger Ziesel zu Schaden. Das langsame, sukzessive Abtragen des Oberbodens sei an strenge Auflagen geknüpft und werde unter ökologischen Aufsicht durchgeführt. Und auch die Zauneidechsen würden nicht gefährdet.
Turmfalken, Mauersegler und Eisvogel, Fledermäuse, Wildbienen und Ziesel. Auf Wiener Stadtgebiet leben etwa 800 geschützte Arten.
Es sei daher nichts Außergewöhnliches, wenn auf einem Grundstück ein geschütztes Lebewesen gefunden werde, sagt Karin Büchl-Krammerstätter, Leiterin der MA22. Auch bedeute dies nicht automatisch, dass geplante Bauvorhaben dadurch grundsätzlich verhindert oder verzögert werde.
Zwar ist es verboten, geschützte Arten zu töten, zu fangen, absichtlich zu stören sowie Fortpflanzungs- und Ruhestätten zu beschädigen oder zu vernichten. Projektwerber können aber Ausnahmebewilligungen beantragen. „Die Behörde hat eine Ausnahme zu genehmigen, wenn der Erhaltungszustand der betroffenen Art in Wien nicht beeinträchtigt wird und das öffentliche Interesse an der Durchführung der geplanten Maßnahme überwiegt“, sagt Büchl-Krammerstätter. Die Kriterien sind durch die Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie vorgegeben.
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