Ärztekammer fordert 24.000 Euro Prämie für Spitalsmitarbeiter
Am Mittwoch legte die Wiener Ärztekammer im schon länger schwelenden Streit mit der Stadt nach und präsentierte einige Punkte des insgesamt zehn Punkte umfassenden "Programm zur Sicherung der Spitalsversorgung" (PDF download).
Ein Teil der Forderungen, die Sofortmaßnahmen, wurden am Mittwoch im Rahmen einer Pressekonferenz präsentiert.
Neu ist vor allem die Idee einer Rückkehr- und Bleibeprämie. „Wir fordern das für alle in Wiener Spitälern angestellten Gesundheitsberufe, um der akuten Personalnot Einhalt zu gebieten und nicht länger Menschenleben zu gefährden“, sagt Stefan Ferenci, geschäftsführender Vizepräsident und Obmann der Kurie angestellte Ärzte der Ärztekammer für Wien und warf dem Management des Wiener Gesundheitsverbunds Gesprächsverweigerung vor.
Die ersten vier Forderungen im Überblick
- Rückkehr- und Bleibeprämie für alle in Wiener Spitälern angestellten Gesundheitsberufe
- Marktkonforme Gehälter und Zulagen für Mangelfächer
- Herstellung von Dienstplansicherheit
- Anreize schaffen, Wertschätzung leben
"Die einzelnen Themenblöcke des 10-Punkte-Plans werden in den nächsten Wochen laufend öffentlich kommuniziert", kündigte die Wiener Ärztekammer an.
➤ Mehr dazu hier: Konflikt zwischen Hacker und Ärztekammer bricht wieder auf
Nach Vorschlag der Wiener Ärztekammer soll eine Rückkehr- und Bleibeprämie für alle in Wiener Spitälern angestellten Gesundheitsberufe als Sofortmaßnahme weitere Personalabgänge verhindern und ausgeschiedene Kolleginnen und Kollegen sowie Pflegepersonal wieder zur Rückkehr ins Spital bewegen.
Prämie von 24.000 Euro steuerfrei
Konkret sollen 24.000 Euro steuer- und sozialversicherungsfrei an alle Angehörigen von Gesundheitsberufen ausbezahlt werden, die die Wiener Spitäler in den letzten fünf Jahren verlassen haben, wenn sie sich dazu verpflichten, zukünftig zwei Jahre hindurch in einem Wiener Spital zu arbeiten.
Eine Prämie in derselben Höhe fordert die Wiener Ärztekammer für alle, die die Wiener Spitäler in den letzten Jahren am Laufen gehalten haben, auch wieder unter der Voraussetzung einer zweijährigen Verpflichtung, in einem Wiener Spital weiter zu arbeiten.
"Wir hören aktuell von Stationen, die kurz vor der Schließung stehen, weil beispielsweise statt 20 Pflegerinnen und Pflegern nur noch vier aktuell dort beschäftigt sind. Oder von Chirurginnen und Chirurgen, die selbst die OP-Tische instrumentieren müssen, weil keine OP-Pflegerinnen und Pfleger da sind und sonst wichtige Operationen abgesagt werden müssten. Das ist Patientengefährdung", ergänzt Eduardo Maldonado-González, stellvertretender Obmann der Kurie angestellte Ärzte der Ärztekammer für Wien und selbst an der Klinik Donaustadt als Internist beschäftigt.
Bleibeprämie kostet laut Ärztekammer maximal 675 Millionen Euro
Wie hoch die Kosten für die Rückkehrprämie ausfallen, hängt von der Anzahl an Personen ab, die den Schritt zurück in ein Spital gehen. Die von der Wiener Ärztekammer kalkulierten Kosten belaufen sich auf maximal 675 Millionen Euro. In Summe arbeiten großzügig aufgerundet 30.000 Angehörige der unterschiedlichen Gesundheitsberufe in den diversen Wiener Krankenanstalten.
Unter der Annahme einer Teilzeitquote von 25 Prozent und einer durchschnittlichen Stundenanzahl der Teilzeitbeschäftigten von 30 Stunden pro Woche reduziert sich die Anzahl der Angehörigen der unterschiedlichen Gesundheitsberufe auf circa 28.100 Vollzeitäquivalente.
"Die kalkulierten Kosten der Bleibeprämie belaufen sich somit auf maximal 675 Millionen Euro. Uns ist bewusst, dass dieser Betrag budgetär veranschlagt werden muss. Deshalb war es uns auch ein Anliegen, die Verhandlungen mit dem WiGev bis zum Sommer abzuschließen, um Zusatzkosten für die Rettung des öffentlichen Gesundheitssystems auch im Finanzausgleich zu berücksichtigen", erklärt Ferenci.
Das Argument, dass es an der Finanzierung scheitern würde, lässt Ferenci aber ohnehin nicht gelten. "Wenn man sich ansieht, dass in den letzten drei Jahren zig Milliarden Euro an COVID-19-Förderungen - bei Weitem nicht nur an notleidende Betriebe - ausbezahlt wurden, erscheinen die 675 Millionen Euro für die viel beklatschten Heldinnen und Helden der Pandemie im Vergleich dazu wie ein Tropfen auf den heißen Stein. Das muss uns ein funktionierendes Gesundheitssystem wert sein", ist Ferenci überzeugt.
Neben einer Rückkehr- und Bleibeprämie hat die Wiener Ärztekammer eine Reihe weiterer Forderungen erarbeitet, um die Personalflucht aus Wiens Spitälern zu stoppen.
Marktkonforme Gehälter und Zulagen für Mangelfächer
"Wir fordern mit Nachdruck eine Besetzung sämtlicher offener Dienstposten durch eine Anwerbe- und Rückholoffensive. Dazu braucht es marktkonforme Gehälter, die Nacht-, Wochenend- und Feiertagsdienste, Rufbereitschaften und die körperlich sowie emotional belastende Spitalstätigkeit adäquat abgelten. Andere Bundesländer machen das ja bereits vor. Wenn Wien hier nicht nachzieht, wird der Druck aufs öffentliche System in Wien weiter steigen, weil die ohnehin schon bestehende Personalflucht sich noch verstärken wird", bedauert Maldonado-González.
Um hier gegenzusteuern, brauche es substanzielle Zulagen für akute Mangelfächer in den Wiener Spitälern, wobei die Definition eines Mangelfachs in den Wiener Spitälern zwischen Stadt, Spitalsträgern und Ärztekammer einvernehmlich festzulegen sei.
Herstellung von Dienstplansicherheit
Neben mehr Geld fürs System müsse man aber auch an einer Reihe anderer Stellschrauben drehen. "Die Beschäftigten im Gesundheitswesen wollen nicht mehr auf Kosten der eigenen Gesundheit Opfer für ein schlecht aufgestelltes System bringen. Ständiges Einspringen, pausenlose Überstunden - das hält niemand lang durch, schon gar nicht in einem emotional hoch belastenden Beruf, wie es die Gesundheitsberufe nun einmal sind. Daher fordern wir die Etablierung externer Pooldienste zur Herstellung von Dienstplansicherheit, solange der Personalmangel akut ist", sagt Ferenci.
Um Dienstplansicherheit zu gewährleisten, brauche es jedenfalls eine rechtzeitige Nachbesetzung bzw. überlappende Besetzung von geplanten und absehbaren Personalabgängen, wie zum Beispiel durch Pensionierungen oder Schwangerschaften. "Es kommt immer wieder zu monatelangen Leerläufen, weil es dem Management offenbar nicht gelingt, vorausschauend zu planen und Übergänge vorzubereiten bzw. den entsprechenden Wissenstransfer rechtzeitig sicherzustellen", kommentiert Maldonado-González die Forderung.
Anreize schaffen, Wertschätzung leben
Oft geht es aber nicht nur um die großen Hebel, sondern man kann auch mit vergleichsweise kleineren Maßnahmen viel bewirken. "Die Kolleginnen und Kollegen erzählen uns ganz oft von mangelnder Wertschätzung und fehlenden Anreizen. Hier könnte man leicht gegensteuern, ohne dabei das Rad neu erfinden zu müssen", so Ferenci.
Ein Beispiel sei die Anrechnung aller Vordienstzeiten als Ärztin bzw. Arzt unabhängig vom Dienstgeber und Dienstort, also Spitalsträger, Ordination oder Tätigkeit im Ausland, oder das vermehrte Zulassen freiberuflicher Tätigkeiten im Spital, zum Beispiel in Form von Konsiliararzttätigkeiten. Für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die kündigen möchten, brauche es Off-Boarding-Gespräche mit dem Ziel, diese im Betrieb zu halten bzw. die Kündigungsgründe zu erfahren und zukünftig gegenzusteuern.
"All diese Punkte hätten wir gerne mit dem Wiener Gesundheitsverbund verhandelt. Die Sofortmaßnahmen wären laut unserem vorgeschlagenen Verhandlungsplan Ende März auf der Tagesordnung gestanden. Wäre der WiGev auf unseren Plan eingegangen, würden wir aktuell Punkt sechs unseres 10-Punkte-Plans zur Rettung der Wiener Spitäler verhandeln. Stattdessen müssen wir erneut den Weg in die Öffentlichkeit suchen, weil uns Gespräche auf Augenhöhe verwehrt werden. Die Beschäftigten im Gesundheitswesen und vor allem die Patientinnen und Patienten leiden unterdessen weiter", schließt Ferenci.
Streit um Termine
Der Stadt Wien wirft Ferenci Gesprächsverweigerung vor. „Beim Gesundheitsgipfel mit dem Bürgermeister am 21. Februar wurden Gespräche zwischen Kammer und Gesundheitsverbund (Wigev) vereinbart. Leider war es seitens des Wigev in zwei Monaten nicht möglich, einen Termin zu finden.“
Eine Darstellung, die man seitens der Stadt zurückweist: „Am 27. Februar 2023 gab es einen Termin zwischen Wiener Gesundheitsverbund und Ärztekammer. Nicht anwesend: Dr. Ferenci, der sich entschuldigen lassen hat“, twittert Mario Dujakovic, Sprecher von Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ).
Hacker selbst reagiert kühl auf die Forderungen der Kammer: „Seit heute ist klar – es geht der Kammer wieder nur ums Geld“, sagt er zum KURIER. „Wenn man die Forderung überschlägt, reden wir (inklusive Arbeitgeberbeiträgen) von Mehrkosten von rund einer Milliarde Euro, nur für Wien. Wir haben aktuell im Gesundheitsverbund und den privaten Fondspitälern einen Gesamtaufwand von 2,4 Milliarden Euro für das Personal. Da würde jetzt noch eine Milliarde dazugekommen. Ich werde das in die Finanzausgleichsverhandlungen mit dem Bund mitnehmen und dann schauen wir, was der Finanzminister dazu sagt.“
Hacker weiter: „In den Gesprächen der Ärztekammer beim Bürgermeister im Februar und den Folgeterminen haben wir klar zum Ausdruck gebracht, dass es nicht um Gehaltsforderungen gehen kann. Alles, was Gehälter betrifft, muss die Personalvertretung mit dem jeweiligen Arbeitgeber vereinbaren. Das hat die Ärztekammer scheinbar nicht verstanden.“
Kommentare