Wo Michael Ludwig die Herzen zufliegen
Der Saal nicht allzu überbordend gefüllt, der Altersschnitt eher gehoben, wenig Publikum, das nicht zum eigenen engen Mitstreiter-Kreis zählt: Vielleicht steht der "Rote Herzen Ball" der SPÖ Simmering sinnbildlich für den derzeitigen Zustand der Wiener Sozialdemokraten.
Eines ist aber sicher: Für Michael Ludwig ist der Ball im Festsaal der SimmCity Freitagabend ein Heimspiel. Selbst aus dem großen Flächenbezirk Floridsdorf stammend, darf der Wohnbaustadtrat, der Michael Häupl als Bürgermeister beerben möchte, auch in dem seit 2015 blau regierten traditionellen Arbeiterbezirk im Osten Wiens auf eine treue Gefolgschaft zählen.
Daumen drücken
Entsprechend groß ist der Jubel, als er gemeinsam mit Bezirksparteichef Harald Troch das Fest auf der mit roten Herzen geschmückten Bühne eröffnet. "Am 27. Jänner fällt eine wichtige Entscheidung", erinnert Troch an den Landesparteitag, auf dem der Häupl-Nachfolger in einer Kampfabstimmung gekürt wird. "Ich drücke die Daumen, dass der nächste Landesparteivorsitzende Michael Ludwig heißt." Tosender Applaus von den Tischen. Ludwig selbst lobt in seiner Begrüßung jene Genossen, die ihm im Duell mit Klubobmann Andreas Schieder offen unterstützen. Neben Troch zum Beispiel die Döblinger Gemeinderätin Barbara Novak. "Ich habe diejenigen erwähnt, auf die Verlass ist", deutet er die tiefe Spaltung der roten Landespartei dezent an.
Auch an der Simmeringer Parteibasis würden viele Ludwig gerne als Bürgermeister sehen: "Man soll Schieder nicht schlechtmachen, aber für mich gibt es nur Michael Ludwig", sagt etwa Herbert Kühfuss, Leiter der Sektion 19. "Als Stadtrat hat er seine Sache gut gemacht." Ähnlich auch Bezirksrätin Susanna Kokoll: "Ich bin eher für Ludwig. Als Stadtrat hat er einen höheren Bekanntheitsgrad in Wien", sagt sie.
Für alle Fälle will sie kommende Woche aber noch eines der parteiinternen Hearings besuchen, um sich von beiden Kandidaten ein Bild zu machen.
Schieder-Fans
Uneingeschränkte Unterstützung hat Ludwig aber auch in Simmering nicht. Stadtschulrat Heinrich Himmer lässt sich zwar höflich gemeinsam mit dem Stadtrat fotografieren, beim Parteitag will er dann aber doch Schieder wählen: "Mit ihm sehe ich die größeren Chancen für die Wien-Wahl 2020. Er kann die Vorzüge des roten Wiens besser herausstreichen." Hier am Ball sei das aber ohnehin nicht das wichtigste Gesprächsthema, vielmehr würden die Menschen über die zweifelhafte Performance der Bundesregierung reden.
"Schieder lebt die sozialdemokratischen Werte, obwohl er aus einer eher gehobeneren Gegend stammt", sagt Sissi Nemes von den Simmeringer Kinderfreunden. Als Gegenpol zu den Ludwig-Festspielen am Ball hat sie eine Diskussionsrunde mit Schieder in Simmering mitorganisiert (siehe unten). "Denn hier im Bezirk wird man mit Informationen über Ludwig förmlich zugeschüttet", sagt die Simmeringer Funktionärin.
Ein prominenter Ballgast will sich hingegen weiterhin nicht in die Karten blicken lassen. "Ich habe mich bemüht, mich nicht an den Personal-Spielen zu beteiligen, und werde das auch weiter so halt. Schließlich sitzen wir alle in einem Boot", sagt Umweltstadträtin Ulli Sima.
Ihren Besuch in Simmering will sie jedenfalls nicht als Unterstützung für Ludwig verstanden wissen. Eine Prognose, wer das Rennen machen wird, wagt sie nicht abzugeben. Sima geht aber davon aus, dass sich nach dem 27. Jänner die Partei geschlossen hinter ihrem neuen Chef versammelt – egal ob er Ludwig oder Schieder heißt.
Allzu groß ist sie nicht, die Gruppe der Genossen, die sich im Schutzhaus am Neugebäude gleich gegenüber dem Zentralfriedhof eingefunden haben. Der Simmeringer BSA, die örtlichen Kinderfreunde und zwei Sektionen haben an diesem Donnerstagabend Andreas Schieder zu einer Diskussion eingeladen. Im mit Faschingsgirlanden geschmückten Extrazimmer erzählt er von seinen Plänen als möglicher nächster Wiener SPÖ-Chef und Bürgermeister.
Kein einfaches Terrain für Schieder, wird doch die Simmeringer SPÖ mehrheitlich im Lager des zweiten Kandidaten, Wohnbaustadtrat Michael Ludwig, verortet. "Es wird am Parteitag kein Blutbad geben", versichert der Klubobmann den etwa 30 Genossen. "Am Schluss wird der Sieger die Wiener SPÖ und die Stadt Wien sein."
Seinen Vortrag nützt er vor allem für eine Abrechnung mit der türkis-blauen Sozialpolitik: "Sie ist vom zynischsten." Sebastian Kurz ist für ihn mit seiner Wien-Kritik im Wahlkampf ein "abgehobener Schnösel".
Die Wiener SPÖ will Schieder als Partei der "lebendigen Demokratie" neu positionieren. Etwa mit mehr Mitglieder-Befragungen, aber auch durch eine Öffnung gegenüber Nicht-Mitgliedern.
Wie Ludwig will Schieder bis zur Wahl mit dem jetzigen Koalitionspartner weiterregieren. "Ich verstehe zwar jeden Ärger über die Grünen, manchmal haben sie sehr blöde Vorschläge – aber kein Vergleich zur ÖVP."
Wobei Schieder sich zutraut, bei der nächsten Wahl wieder die absolute Mehrheit für die Wiener SPÖ zu erobern – was die Zuhörer mit Applaus goutieren: "Ich glaube nicht, dass man für dieses Ziel auf den Steinhof eingeliefert werden muss: Viele Grüne sind heimatlos, viele ÖVP-Wähler fühlen sich von Gernot Blümel nicht vertreten, und es gibt mittlerweile zahlreiche frustrierte FPÖ-Wähler."
Den versammelten Schieder-Fans gefällt das: "Ich bin überzeugt, dass er die Partei wieder vereinen kann", sagt etwa Alfred Koll. Auch Regina Todt von der Sektion 15 unterstützt Schieder: "Ludwig hat einen Keil in die Partei hineingetrieben. Der Konflikt zwischen Außen- und Innenbezirken hat der Wiener SPÖ sehr geschadet."
Kommentare