Causa Wienwert: Mahrer könnte Diversion anstreben
Am vergangenen Wochenende musste offenbar plötzlich alles ganz schnell gehen. Erst am Sonntag setzte Karl Mahrer seinen Parteichef Markus Figl darüber in Kenntnis, dass er gedenke, seine Polit-Karriere binnen 24 Stunden zu beenden. Am Montag um 11 Uhr war es dann so weit.
Während sich sein Namensvetter Harald Mahrer in der Wirtschaftskammer noch (erfolglos) gegen den Abgang sträubte, legte Karl Mahrer sein ÖVP-Gemeinderatsmandat in Wien freiwillig nieder. In der Partei herrschte Schulterzucken über den eiligen Ausstieg.
Mahrer habe nicht nur die Wien-Wahl, sondern relativ rasch danach auch die Lust an der Arbeit im Gemeinderat verloren, erzählen sich die einen. Andere glauben zu wissen, dass Mahrer in den Tagen davor Post erhalten habe – und ihm ein Weg bevorstehe, den „er besser als Privatmann denn als Abgeordneter geht“. Gemeint ist der Weg vor Gericht.
Und tatsächlich, das haben KURIER-Recherchen ergeben, startet in der zweiten Jännerhälfte der Prozess um die Causa Wienwert, in der Mahrer mitangeklagt ist. Aktuell läuft die Endabstimmung der genauen Verhandlungstermine mit den Verteidigern und Angeklagten, sagt eine Sprecherin des Straflandesgerichts.
Vorwurf der Beitragstäterschaft
Derer gibt es eine ganze Menge: Elf Personen und drei Verbänden wird der Prozess gemacht. Der Hauptangeklagte ist Stefan Gruze, ehemaliger Vorstandsvorsitzender des Immobilienentwicklers Wienwert, der im Jahr 2018 insolvent geworden ist. Mehr als 1.800 Anleger sollen geschädigt worden sein, der Schaden wird mit rund 41 Millionen Euro beziffert.
Mahrer ist in der Causa ein vergleichsweise kleiner Fisch: Ihm und seiner Frau wird Beitragstäterschaft zur Untreue vorgeworfen. Die PR-Agentur von Frau Mahrer soll – eingefädelt von Herrn Mahrer – im Jahr 2017 in Summe 84.000 Euro von Wienwert erhalten haben. Ohne eine erkennbare Gegenleistung, wie die WKStA in ihrer Anklage schreibt.
84.000 Euro – damit bewegen sich die Mahrers in einem Strafrahmen von bis zu drei Jahren. Was ihnen eine Option eröffnet: Diversion, also eine Erledigung des Verfahrens ohne Schuldspruch und Strafe. Auch einen langwierigen Prozess würden sich der Ex-ÖVP-Wien-Chef und seine Frau damit ersparen.
Der Nationalratsabgeordnete Markus Tschank und Wiens Ex-Vizebürgermeister Johann Gudenus (beide FPÖ) haben in der Wienwert-Causa von der WKStA bereits eine Diversion angeboten bekommen. Die Voraussetzung: Mahrer müsste Verantwortung übernehmen – sprich: sich entschuldigen. Und das, obwohl er bis dato immer alle Vorwürfe bestritten hat.
Schutz für ÖVP?
Ein Wendemanöver, das zuletzt ÖVP-Klubchef August Wöginger in seiner Postenschacher-Causa am Landesgericht Linz versucht hat. Und das für ihn – und für seine Partei – nicht gut ausgegangen ist. Die ÖVP hat die Angelegenheit etwas vorschnell als „erledigt“ abgehakt. Dann aber kam eine Weisung aus dem Justizministerium, dass die WKStA die Diversion anfechten muss. Insgesamt sollen, so hört man, namhafte Vertreter der ÖVP nicht wirklich glücklich gewesen sein über Wögingers Performance.
Der hurtige Abschied aus der Wiener ÖVP könnte ein Indiz dafür sein, dass auch Mahrer eine Diversion anstrebt – und seiner Partei mit dem Rückzug einen zweiten Fall Wöginger ersparen will. Darauf deuten besagte Wortmeldungen aus der Partei hin, dass Mahrer nun „Privatmann“ sei. Ob Mahrer, den die Causa bereits im Wahlkampf gehemmt hat, tatsächlich Negativ-PR von der ÖVP fernhalten kann, ist freilich eine andere Frage.
Auch ein Anwaltswechsel Mahrers deutet darauf hin, dass der Ex-Polizeichef in seiner Verteidigung neue Wege beschreiten möchte. Der Wiener Anwalt Oliver Scherbaum vertritt ihn seit einigen Wochen. Vom KURIER auf die Option der Diversion angesprochen, hält sich der Strafverteidiger bedeckt: „Grundsätzlich ist das Vergehen, das meinem Mandanten vorgeworfen wird, einer Diversion zugänglich. Aber das wäre noch zu prüfen.“
Der Anwaltswechsel – in Kombination mit dem Abschied aus der ÖVP – soll dem Vernehmen nach damit zu tun haben, dass Mahrer im Prozess nicht unter die Räder kommen möchte. Die Konstellation ist nämlich durchaus bemerkenswert. Den Vorsitz hat Richter Michael Radasztics, der Anfang 2024 den Falschaussage-Prozess gegen Ex-ÖVP-Chef Sebastian Kurz geführt hat – und sich von diesem konsequent Parteilichkeit hat vorwerfen lassen müssen. Als Triumph verbucht Kurz jetzt, dass sein Schuldspruch in der zweiten Instanz aufgehoben wurde.
Reset-Taste gedrückt
Radasztics sitzt nun im Wienwert-Prozess vor zwei Verteidigern, die er sehr gut kennt. Gruze-Anwalt Norbert Wess hat Radasztics einmal in einer eigenen Sache vertreten. Und Volkert Sackmann, Anwalt des ebenfalls angeklagten SPÖ-Bezirkschefs Ernst Nevrivy, war früher ein enger Kollege des Richters bei der Staatsanwaltschaft Wien.
Mahrers bisheriger Anwalt Manfred Ainedter hat diese Konstellation in einer Medienaussendung im Februar, kurz nach Bekanntwerden der Anklage, offen kritisiert – blitzte aber mit dem Versuch, einen Richterwechsel herbeizuführen, ab. Verständlich, dass Mahrer nun mit neuem Anwalt und neuer Strategie auf die Reset-Taste drückt.
Der mächtige SPÖ-Politiker Nevrivy, dem unter anderem Verletzung des Amtsgeheimnisses, Bestechlichkeit und Vorteilsannahme vorgeworfen werden, ist weiter im Amt. Er gewann die Wahl zum Bezirksvorsteher in der Donaustadt im April mit einem Minus von 7,7 Prozentpunkten. Der mit Abstand größte Verlust, den die SPÖ auf Bezirksebene einfuhr.
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